ADB:Wilhelm II. (Graf von Berg und Ravensberg)
Grafen Gerhard von Berg und Ravensberg (aus dem Hause Jülich) und der Margarete von Berg (zweiten Tochter aus der Ehe des Grafen Otto’s III. von Ravensberg mit Margarete von Berg), folgte seinem Vater nach dessen frühem Tode am 18. Mai 1360 zunächst mit der Mutter gemeinschaftlich in der Regierung der Grafschaften Berg und Ravensberg. Am 24. Mai 1363 verlobte er sich mit Anna, Tochter des Pfalzgrafen Ruprecht d. J. von Baiern und vermählte sich mit ihr am 28. September. Aus dieser Ehe entsprossen die Söhne Ruprecht, Gerhard, Adolf und Wilhelm, die Töchter Beatrix und Margarete.
Wilhelm I., Herzog von Berg, Sohn desIn Ravensberg hatte sich anfangs die neue Regierung erst Anerkennung zu erkämpfen. Es bedurfte kräftigen Auftretens des Grafen W., um die Stände endlich 1362 willig zu machen, der Mutter zu huldigen, die nun W. zum Regenten einsetzte. Mit den benachbarten Bischöfen von Paderborn, Osnabrück und Münster schloß W. Freundschaftsbündnisse ab und sicherte dadurch in Ravensberg seine Autorität. In dem Bestreben, das Gebiet der Grafschaft Berg [724] zu erweitern, folgte W. den Traditionen seines Vaters. Es gelang ihm, durch Kauf in den Besitz einiger Kirchspiele an der Agger und Sieg zu kommen und bald das wichtige Land Blankenberg hinzuzugewinnen. Dagegen sah er sich allerdings genöthigt, die Herrschaft Hardenberg und das wegen seines Rheinzolles äußerst werthvolle Kaiserswerth (letzteres seinem Schwiegervater) zu verpfänden (1368). An dem Kampfe seines Oheims, des Herzogs Wilhelm von Jülich gegen Herzog Wenzel von Brabant, das Haupt des Landfriedens zwischen Maas und Rhein, betheiligte sich W. und hatte Theil am blutig erkämpften Siege bei Baesweiler vom 22. August 1371. Einige Jahre später sah er sich jedoch genöthigt, gegen denselben Oheim zu Felde zu ziehen, um gewisse Erbansprüche durchzusetzen. Die fast zweijährige Fehde endigte im März 1376 zu Wilhelm’s Gunsten; Sinzig und Breisig wurden ihm vom Jülicher Herzog abgetreten. Zu dem in diesem Jahre gewählten König Wenzel trat W. in nahe Beziehung; er wurde von ihm in ein Freundschaftsbündniß nebst den Herzögen von Jülich und Geldern aufgenommen und vom Kaiser Karl im Jahre 1377 zum „Rath und Hausgenossen“ ernannt. Zweifellos hat W. der Sache Wenzel’s treu gedient und sich wol auch an dem 1379 auf dem Reichstag zu Frankfurt abgeschlossenen Bündniß Wenzel’s zu Gunsten des Papstes Urban VI. betheiligt. Jedenfalls fühlte sich Wenzel veranlaßt, W. eine besondere Gnade zu erweisen. Am 24. Mai 1380 erhob er W. zu einem Fürsten und Herzog und verlieh ihm die Würde, bei Feldzügen das königliche Streitroß am Zügel zu führen und bei feierlichen Gastmählern dem Könige vorzuschneiden. Gleichzeitig wurde die Grafschaft Berg zu einem Herzogthum und Fahnenlehen erhoben.
Eine weitere Gunst Wenzel’s konnte W. in der Billigung seiner Zollpolitik erblicken. W. hatte den Plan des Grafen Adolf von Berg vom Jahre 1324, Düsseldorf zur Zollstätte zu machen, wieder aufgenommen. Seit 1374 ist er mit dieser Idee beschäftigt, für deren Verwirklichung er 1377 den Kaiser Karl IV. zu erwärmen wußte. Allerdings nahm Wenzel zunächst bei seinem Regierungsantritt am 28. Februar 1379 die von seinem Vater ertheilte Bewilligung des Düsseldorfer Zolls wieder zurück, wie er denn überhaupt alle auf Widerruf verliehenen Rheinzölle aufhob. Aber schon im folgenden Jahre, als er W. zum Herzog erhob, ließ Wenzel sich bereit finden, den Düsseldorfer Zoll doch zu genehmigen, und seitdem blieb Düsseldorf Zollstätte.
W. kam durch seine Zollpolitik in ernsten Conflict mit Kurköln, das auf den ganzen Strom von Andernach bis Rees sammt dem Leinpfad Ansprüche machte. Die Beschwerden des Erzbischofs Friedrich hatte Kaiser Karl IV. allerdings an die Reichsstände gewiesen. Da nun Wenzel sich ebenfalls auf Wilhelm’s Seite stellte, ließ sich der Erzbischof schließlich im J. 1386 dazu herbei, mit W. ein gütliches Abkommen zu treffen. Er veranlaßte ihn, den Düsseldorfer Zoll um ein Drittel und die Landzölle um die Hälfte herabzusetzen, die Bewohner der Stadt und des Erzstifts ganz frei zu erklären und die Fortdauer der Zölle einem Schiedsspruch zu unterwerfen. W. war also nicht ungeschwächt aus diesem Kampf hervorgegangen, an dem sich übrigens auch die Stadt Köln (seit 11. November 1385) auf Seiten des Erzbischofs betheiligt hatte. Ob ein Schiedsspruch über den Zoll wirklich erfolgt ist, steht dahin; jedenfalls nahm das Verhältniß zwischen beiden Fürsten im folgenden Jahre einen noch friedlicheren Charakter an. Ein Vertrag vom 30. Januar 1387 verbürgte auf sechs Jahre die Waffenruhe zwischen den Nachbarn. An demselben Tage trat W. dem vom Kaiser aufgerichteten Westfälischen Landfrieden bei. Kurköln machte in den nächsten Jahren allerdings nochmals den Versuch, sein alleiniges Recht auf den Strom und Leinpfad durch eine Denkschrift zu beweisen; allein bergischerseits [725] blieb man die Antwort nicht schuldig. Und so blieb es denn dabei, daß bis 1393 Waffenruhe herrschen sollte.
Wilhelm’s ganzes Streben ging darauf, den mühsam errungenen und vertheidigten Düsseldorfer Zoll zu sichern. Wesentlich von diesem Gesichtspunkte aus ist wol seine Sorge für das Aufblühen und die Vergrößerung Düsseldorfs zu verstehen. Verschiedene in Düsseldorfs Nachbarschaft liegende Dorfbezirke gliederte er dem Stadtgebiet an und verlieh den Bauern, die sich in der Stadt anbauen würden, städtische Freiheiten. Seit 1386 residirte W. selbst in Düsseldorf und sorgte dafür, daß nicht nur sein Schloß, sondern auch die Kirche und die ganze Stadt bald dem Charakter einer fürstlichen Residenz entsprachen. Mit der Bethätigung seiner Frömmigkeit ging sein praktischer Sinn Hand in Hand. Die Beschaffung zahlreicher Reliquien für die Stiftskirche war eine Maßregel, die man ebensowol auf volkswirthschaftliche Absichten, als auf religiösen Eifer wird zurückführen können. Düsseldorf wurde auf diese Weise für die Theilnehmer an den Aachener Heilthumsfahrten zu einer beliebten und geschätzten Station. Auf Jahrhunderte hinaus blieb die Stadt in den Grenzen, die W. ihr angewiesen hatte. So darf sie ihn geradezu als zweiten Stadtgründer in Anspruch nehmen.
Mit dem Grafen Engelbert von der Mark, mit welchem er 1378 ein Freundschaftsbündniß abgeschlossen hatte, kam W. vorübergehend wegen des Duisburger Wildbanns und der Vogtei über Essen und Werden in Fehde, die jedoch 1389 beigelegt wurde. In demselben Jahre schloß W. mit Erzbischof Adolf von Mainz ein Freundschaftsbündniß und war auch in den folgenden Jahren bemüht, durch derartige Bündnisse sein Land vor Kriegswettern zu behüten. So verband er sich mit dem Grafen Diether von Katzenellenbogen (1392), trat 1393 dem Landfrieden bei, den Erzbischof Konrad von Mainz, Ruprecht von Berg, Elect von Paderborn, Herzog Otto von Braunschweig, Markgraf Balthasar von Meißen und Landgraf Hermann von Hessen aufgerichtet hatten, und schloß 1396 im Verein mit seinen drei Söhnen Gerhard (Kölner Dompropst), Adolf und Wilhelm (später Elect von Paderborn) ein Friedensbündniß auf Lebenszeit mit dem Kölner Erzbischof ab. Bald jedoch sollte W. in die Lage kommen, einen Krieg zu führen, der über ihn selbst und sein Land Kummer und Schande heraufführte. Eine Rente von 2 400 Gulden aus dem Zoll zu Kaiserswerth wurde die Veranlassung zum Zwist. Sie war von Rikardis, der Tochter des Herzogs Wilhelm von Jülich, als Aussteuer dem Grafen Engelbert von der Mark in die Ehe mitgebracht worden und fiel nach dessen Tode (um 1390) rechtmäßig seinem einzigen Kind, der mit Philipp von Falkenstein vermählten Margarete zu. Indessen disponirte Wilhelm’s Schwager Adolf von Cleve anders darüber; er beanspruchte sie als Erbtheil und trat sie nebst der Grafschaft Mark seinem jüngeren Sohne Dietrich ab, während sein älterer Sohn Adolf ihm in Cleve folgen sollte und thatsächlich am 4. Septbr. 1394 folgte.
W. erwarb 1395 die Rente durch Kauf von Philipp und Margarete von Falkenstein und machte nun Dietrich von der Mark gegenüber seine Forderung geltend. Allem Anschein nach bildete die Rente nur den Vorwand, während die schon zu Engelbert’s Zeit zu Tage getretenen Verstimmungen gegen märkische Ansprüche vermuthlich die wahre Kriegsursache gewesen sein mögen. Adolf von Cleve hatte sofort mit seinem Bruder gemeinsame Sache gemacht. Mit einem stattlichen Heer fiel W. verwüstend ins Clevische ein, rückte siegreich vor bis in die Nähe von Cleve. Hier, auf dem zwischen einem Höhenzug und dem Rhein gelegenen tiefen Felde, Cleverhamm genannt, wurde er am 7. Juni 1397 auf eine bisher noch nicht genügend aufgeklärte Weise sammt seinem Heer gefangen genommen, wie es scheint, ohne daß auch nur ein Mann ums Leben gekommen wäre. Nun mußte er nicht nur sich selbst (für 74 000 Goldschilde), [726] sondern auch alle seine Verbündeten und Vasallen loskaufen, was natürlich nur durch umfangreiche Verpfändungen ermöglicht werden konnte. Außerdem erhielten die Untersassen von Cleve, Mark, Essen und Werden durch den Sühnevertrag vom 3. August 1397 völlige Zollfreiheit im Bergischen.
Auf die Nachricht von Wilhelm’s Niederlage waren seine drei vorhin erwähnten Söhne in Düsseldorf als die Herren aufgetreten, hatten Alles an sich genommen, Urkunden und Kostbarkeiten, und sich huldigen lassen. W. konnte jetzt nur wählen zwischen dauernder Gefangenschaft und Abfindung seiner ungetreuen Söhne. Er zog das letztere vor und trat seinen Söhnen Hückeswagen, Wipperfürth, Steinbach, Lennep und Bornefeld ab, ein umso größeres Opfer, als es ja galt, die Summen zur Lösung der gefangenen Ritterschaft jetzt aufzubringen. Man wird ohne Zweifel Wilhelm’s Sohn Adolf als den Urheber des Gewaltstreichs gegen den Vater annehmen können, sowol in Anbetracht der späteren, gleich zu erzählenden Ereignisse, als deshalb, weil er schon 1392 nach Selbständigkeit gestrebt hatte, damals aber noch einmal durch eine Rentzahlung und das Versprechen eines geeigneten Burgsitzes, dann aber durch Ueberlassung der Grafschaft Ravensberg befriedigt worden war.
Schon im folgenden Jahre (1398) fiel Dietrich von der Mark in einer Fehde gegen Adolf von Berg und Eberhard von Limburg. Adolf von Cleve, der nun auch die Grafschaft Mark erbte, verlobte sich mit Agnes, Tochter des Pfalzgrafen Ruprecht, die ihm das Pfandrecht an Kaiserswerth mit in die Ehe brachte. Da er auf diese Weise in noch nähere verwandtschaftliche Beziehungen zu W. gekommen war, wurde am 3. Novbr. 1399 eine allseitige Aussöhnung zu Stande gebracht. Die Tilgung der Schulden, die W. durch die Niederlage vor Cleve auf sein Land geladen hatte, fristete König Wenzel 1398 auf fünf Jahre, also bis 1403. Um seiner Casse etwas aufzuhelfen, begab sich W. gegen Zahlung von 1000 Pfund Sterling in das Lehnsverhältniß zum König Richard von England. Als jene vom König Wenzel gesetzte Frist zur Zahlung der Schulden abgelaufen war, kam W. in neue Gefangenschaft. Sein Sohn Adolf, Graf von Ravensberg, hatte im J. 1400 mit Erfolg die Angriffe Johann’s von Heinsberg und Gerhard’s von Sayn gegen das bergische Land zurückgewiesen. Er erhielt daher im November 1403, als er dem Vater von neuen Fehdeplänen des Heinsbergers Meldung machte, von W. den Auftrag, zu rüsten. Gestützt auf die ihm zu Gebote stehende Macht, wagte es Adolf sich am 28. November 1403 des Vaters bei Monheim zu bemächtigen und ihn auf Schloß Burg gefangen zu setzen. Da Adolf hinterher „zum Besten des Landes“ gehandelt zu haben behauptete, ist die Vermuthung vielleicht gerechtfertigt, daß er auf diese Weise das Land vor weiteren Verpfändungen, wie sie zur Bezahlung jener Schulden nicht zu umgehen schienen, zu schützen hoffte. Indessen scheint man damals die That doch anders betrachtet zu haben. Adolf, der sich inzwischen des ganzen Landes bemächtigt hatte und völlig als Herr waltete, wurde am 15. Mai 1405 von König Ruprecht, seinem Oheim, in die Reichsacht erklärt und erhielt von vielen Seiten Fehdebriefe. W., der am 24. August 1404 aus dem Gefängniß entkam, in Zons vom Erzbischof Friedrich ehrenvoll empfangen wurde und sich dann lange in Köln aufhielt, verglich sich kurz darauf, am 2. Juli 1405, mit Adolf. Er überließ ihm den größten Theil des Landes und behielt für sich nur Düsseldorf mit einigen Aemtern. Wenige Jahre später, am 25. Juni 1408 starb W. und wurde in der Gruft am S. Peters-Altar der Düsseldorfer Lamberti-Kirche beigesetzt.
- Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins III u. IV. – Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Niederrheins IV, 90 ff. – Strauven, Die Gefangennahme Herzogs Wilhelm von Berg durch seinen [727] Sohn, den Grafen Adolf von Ravensberg am 28. Nov. 1403 (Zeitschr. d. Berg. Gesch.-Ver. XV, 227–240).