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ADB:Wolff, Emil

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Artikel „Wolff, Emil“ von Alfred Gotthold Meyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 28–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Emil&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:42 Uhr UTC)
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Wolff: Emil W., Bildhauer, geboren am 2. März 1802 in Berlin, † am 29. September 1879 in Rom, gehört seinem äußeren Lebensgang nach mehr der römischen, als der Berliner Kunstgeschichte an. 1822 ging er nach Rom und blieb dort bis zu seinem Tode. Auch in seiner Kunst ist er einer der letzten unter den deutschen Neuclassicisten, die ihr Ideal ausschließlich in der antiken Kunst und ihre zweite Heimath daher in Italien sahen. – Die Neigung zum Künstlerberuf lag ihm im Blut: er war der Neffe Gottfried Schadow’s. Mit guter Schulbildung, die ihm später sehr zu statten kommen sollte, trat er 1815 in die Zeichenclasse der Berliner Akademie und gleichzeitig in das Atelier seines Oheims ein. Vorerst galt es nur, seine Fähigkeiten zu erproben. Da sich dieselben zukunftsvoll genug erwiesen, besuchte er zunächst zwei Jahre allein die Zeichenclasse, und ging dann von neuem bei Schadow in die Lehre. Die [29] dortige vierjährige Schulung (1818–1822) brachte ihm vor allem die technische Sicherheit. Schon 1818 debütirte der „Eleve der Bildhauerkunst“ auf der Berliner akademischen Kunstausstellung mit einer selbständigen Porträtbüste; 1820 folgten ein Bildniß Goethe’s in sitzender Figur, eine zweite Büste und ein Relief: David die Harfe spielend, 1822 zwei weitere Büsten nach dem Leben. Damit ist Wolff’s Berliner Thätigkeit abgeschlossen. Er erhielt 1822 ein Staatsstipendium für einen fünfjährigen römischen Studienaufenthalt. Auch in Rom wurden seine ersten Schritte durch die Beziehung zu den Schadows bestimmt. Sein dort weilender Vetter Rudolf Schadow starb in demselben Jahr, und W. vollendete in dessen Atelier zunächst dessen Gruppe „Achill und Penthesilea“. Seine erste selbständige größere Arbeit war das Grabmal für den verwandten Freund in S. Andrea della Fratte: dessen gute Porträtbüste und am Fuß ihrer Marmornische ein kleines Relief, welches zeigte, wie der Künstler nach der Vollendung seiner berühmten „Sandalenbinderin“ von einem auf Christus hinweisenden Engel abberufen wird, während ein Ruhmesgenius ihm den Kranz spendet. Zarte Empfindung, Zierlichkeit und Schlichtheit zeichnen diese Arbeit auf. In diesem Sinne rühmte sie schon Schinkel, der sie 1824 in Rom sah, und fügte hinzu, sie sei so anspruchslos wie W. selbst. In demselben Jahre gelangte das Modell dieses Reliefs in Berlin zur Ausstellung, zusammen mit einer antiken Scene: „Midas als Schiedsrichter zwischen Apollo und Marsyas“. Die Formensprache beider sehr beifällig aufgenommenen Arbeiten nähert sich bereits derjenigen Thorwaldsen’s, mit dem W. in Rom auch in persönliche Beziehung getreten war. Er führte für diesen eine seiner Apostelstatuen und eine Büste Pius’ VII. aus. – Allein noch unmittelbarer als mit Schadow und Tholwaldsen ist W. kunsthistorisch mit Rauch verbunden. Sein Verhältniß zu diesem war zunächst das des Schülers zum Großmeister. Er bittet ihn um Urtheil und Rath und legt ihm seine Skizzen zur Begutachtung vor. Das geschah auch bei den ersten Werken, die ihn allbekannt gemacht haben: den Statuen eines auf Wild lauschenden und eines heimkehrenden Jägers, eines Fischers und Schiffers. Der letztere wurde 1826 für den König in Carrara zusammen mit dem erstgenannten Jäger und einem Ganymed in Marmor übertragen. Diese Figuren, welche, jedem Realismus fern, nach dem Muster Thorwaldsen’s jugendschöne Gestalten in genrehafter Auffassung, aber in stilisirender Strenge wiedergeben, stehen an der Spitze einer ganzen Reihe verwandter Schöpfungen. 1828–30 folgte ihnen ein „Schäfer mit Hund“ und eine „Schäferin“, ein „Hirtenknabe mit der Flöte“ und ein zweiter „Fischerknabe“. Aus allen Werken dieser Art spricht mehr oder minder der Wunsch zugleich eine Art von Normalfigur zu schaffen. Das glückte W. wol am besten in der Statue eines griechischen Jünglings, der sich die Beinschienen anlegt (1832; Gipsabguß in der Akademie der Künste in Berlin). Hier macht sich die classische Schulung besonders vortheilhaft geltend. In der classischen Gestaltenwelt war W. von Jugend auf heimisch und in Rom bald zu einem vortrefflichen Kenner der antiken Sculpturen und der antiken Kunst überhaupt geworden. Bezeichnend ist, daß W. ein Wandgemälde von Herculaneum: „Telephos, von der Hindin gesäugt“ in eine Marmorgruppe übersetzte (1832). Von den dreißiger Jahren an tragen auch seine selbständigen Schöpfungen fast sämmtlich antike Namen, die schon äußerlich völlig der Phantasierichtung Thorwaldsen’s angehören. Die hauptsächlichsten Werke dieser Art sind; „Thetis mit den Waffen Achills“ (Gipsmodell 1832, veränderte Marmorausführung 1838); „Ganymed, von Hebe in seinem Amte unterwiesen“ (1834; vom König angekauft); „Amor mit der Keule des Herkules, als Besieger des Erdkreises“ (1836); „Diana nach der Jagd ruhend auf ihren Bogen gestützt“ (1838). Besonders gefeiert wurde die [30] graziöse Statue einer mit der Büchse der Proserpina emporsteigenden Psyche (1838) und eine formenschöne Amazonengruppe von 1839. Es folgten: „Achill am Grabe des Patroklus“, „Omphale mit dem Löwenfell“, „Mars von Amor entwaffnet“ (1860). Diese anakreontischen Stoffe, denen sich nur ausnahmsweise einmal ein biblisches Thema (Jephtha und seine Tochter) gesellte, treten seit den sechziger Jahren vor allgemeiner gehaltenen Einzelfiguren zurück, die zuweilen eine etwas tiefere psychologische Charakteristik zeigen. Hierher gehört schon die knieende Gestalt der „Circe“ (1862), einer zweiten Psyche, diesmal mit dem Dolch, und eines die heimliche Liebe verkörpernden Amors (1864). Von den zwei lebensgroßen sehr sorgfältig gearbeiteten aber sehr kühl aufgefaßten Frauenstatuen von 1868 ist die „Nymphe“ in die königlichen Schlösser, die „Judith“ in die Berliner Nationalgalerie gelangt. Mit den Statuetten eines Hirtenknaben und seinem Gegenstück, einem „Mädchen mit Tambourin“ (1869) griff der Meister auf die Lieblingsaufgaben seiner Jugend zurück. 1874 folgte ein „Hirtenmädchen mit Zicklein“. Wie ausschließlich sich W. an eine rein formale Bewältigung seiner Stoffe gewöhnt hatte, zeigt seine Statue einer „Römerin zur Zeit des punischen Krieges, die sich die Ohrringe löst, um sie dem Vaterland zu opfern“ (1870): was er hier darstellt, ist lediglich eine Toilettenscene. Wolff’s letzte Arbeit (1879) war die Marmorfigur einer Sappho.

In fast allen diesen Werken aus der antiken Mythologie und dem idealen Genre redet die classicistische Schulung eine correcte, aber äußerst kühle Sprache, die weder die ethische Größe Thorwaldsen’s, noch den Formenadel Rauch’s erreicht. Es sind Durchschnittsarbeiten der durch diese beiden Hauptnamen gekennzeichneten Kunstgattung, und nur allzuoft löst sich in ihnen der persönliche Reiz in glatte Stilistik auf. Das gilt bis zu einem gewissen Grad selbst von Wolff’s berühmtestem Werk dieser Gattung in Berlin, der ersten der acht die Laufbahn eines Kriegers schildernden Statuengruppen auf der Schloßbrücke: die Siegesgöttin einen Knaben auf die großen Männer der Geschichte hinweisend, indem sie ihm deren Namen auf einem Schild vor Augen hält. Die Art, wie hier die classicistische Form in den Dienst einer halb idyllischen Auffassung tritt, die trotzdem seelenlos bleibt, wird für Wolff’s Kunstcharakter höchst charakteristisch. Die Formenbehandlung ist an sich tadellos, nur macht sich in der Gruppirung der Mangel an plastischer Geschlossenheit fühlbar. Gerade an Compositionstalent bleibt W. hinter Rauch am weitesten zurück. – Den ehemaligen Ruhm haben heute wol am ehesten seine Porträts bewahrt: seine Büsten Winckelmann’s, der römischen Freunde: Niebuhr’s, Gerhardt’s, Braun’s, Bunsen’s, Ingenheim’s und Schadow’s, sowie die Statuen Thorwaldsen’s und des Prinzen Albrecht von Preußen, allein auch sie reichen nicht aus, um W. eine scharf ausgeprägte Künstlerphysiognomie zu geben.

Als Kunstkenner und eifrige, einsichtsvolle Mittelperson für alle deutschen Kunstinteressen seiner Zeit in Rom hat W. vielleicht größere Verdienste, denn als Künstler. Die Ankäufe von antiken Originalen und Abgüssen seitens des preußischen Staates, besonders für das Berliner Museum, wurden durch ihn vermittelt. Schon hierdurch blieb er in dauernder Verbindung mit den Spitzen des Berliner Kunstlebens, vor allem mit Rauch und Schinkel, und er war auch in Rom der stete Berather Niebuhr’s, Bunsen’s und Ingenheim’s. Als Kenner der antiken Sculptur bewährte er sich auch in zahlreichen Ergänzungen antiker Bildwerke und in einer 1870 in Berlin erschienenen Schrift: „Kurze Anleitung zu einem zweckmäßigen Besuch der päpstlichen Museen antiker Bildwerke des Vaticans und des Capitols für Künstler und Kunstfreunde“. Diesen und besonders den römischen Stipendiaten stand W. mit Rath und That zur Seite, und seine Bedeutung für das römische Kunstleben gelangt darin zum [31] Ausdruck, daß er 1871 einstimmig zum Präsidenten der Academia di S. Luca gewählt und diese Wahl nach der Auflösung der Akademie 1875 erneuert wurde. Dieses wichtige Ehrenamt, welches in Rom seit Thorwaldsen weder einem Ausländer noch einem Protestanten zugefallen war, hat W. bis zu seinem Tode innegehabt.

Vgl. Friedrich und Karl Eggers, Christian Daniel Rauch passim. – Paul Schönfeld, Nekrolog, Kunstchronik 1880, S. 433 ff. – Rosenberg, Geschichte d. modernen Kunst II, 98.