ADB:Schadow, Ridolfo
Johann Gottfried Schadow’s, geboren am 9. Juli 1786 zu Rom. In der väterlichen Werkstatt zu Berlin bereitete er sich mit seinem Jugendgenossen Karl Wichmann zum künstlerischen Berufe vor und widmete sich gleichzeitig eifrig der Musik. Die akademischen Ausstellungen in den Jahren 1802–10 brachten eine stattliche Reihe Jugendarbeiten von ihm, darunter Copieen der Flora vom Capitol, des Apollo von Belvedere (Gips), ein Basrelief „Socrates und Alcibiades in Unterredung mit Theodota“ nach Xenophon, Electra und Orestes, ferner eine Gruppe in gebranntem Thon darstellend, wie Julius Mansuetus unwissentlich von seinem eigenen Sohne ermordet wird (nach Tacitus hist. III, c. 25), Paris und Helena (nach Ilias, Gesg. III) und mehrere Büsten. Der Lehrzeit Schadow’s gehört auch ein broncirtes Gypsrelief „Motiv aus der Sintflut“ (Nationalgalerie) an, in welchem nach Anweisung des Vaters ein gründliches Naturstudium angestrebt ist.
Schadow: Karl Zeno Rudolf S., Bildhauer, ist der älteste SohnIm J. 1810 wurde ihm eine Pension zu künstlerischen Studienzwecken in Rom angewiesen, wo er mit seinem Bruder Wilhelm und K. Wichmann am 31. Januar 1811 eintraf. Er übernahm hier das Atelier Rauch’s, der nach Berlin zurückkehrte; später theilten sie es mit einander oder Tieck trat an Rauch’s Stelle. Als sein erstes selbständiges, durch anmuthige Haltung ausgezeichnetes Werk entstand ein über das Urtheil nachsinnender Paris. Die überwältigenden Eindrücke alter und neuer Kunst, namentlich die Größe Canova’s und Thorwaldsen’s glänzendes Schaffen wirkten eher nachtheilig als ermunternd auf ihn ein. Es erwachten bange Zweifel an der eigenen Begabung in ihm und seiner zarten, schwächlichen Natur drohte die Schwermuth. Den von Heimweh geplagten Sohn veranlaßte der Vater selbst zur Rückkehr nach Berlin. Doch der Vergleich seiner neuen Statue des Paris (später, 1820 von Lequine gegossen und von Coice ciselirt) mit den Arbeiten anderer Künstler machte alle Pläne des Berufswechsels zu nichte und erfüllte ihn auf’s neue mit Selbstvertrauen und Zuversicht. Mit festen Entschlüssen reiste er am 4. Januar 1812 über Wien und München in Rauch’s Begleitung nach Rom zurück und begann arbeitsfreudiger als je zuvor seine Künstlerlaufbahn mit gutem Erfolg.
Unter dem bestimmenden Einflusse Thorwaldsen’s, als dessen Schüler er in weiterem Sinne gelten darf, wandte sein außerordentliches Talent sich dem Classicismus zu, wodurch er in Gegensatz zur realistischen Richtung und Lehre seines Vaters trat. Sein Religionswechsel blieb auf seine künstlerische Thätigkeit ohne erheblichen Einfluß. Am glücklichsten gelang ihm das plastische Genrebild, die Darstellung anmuthiger Jugendgestalten, deren Bewegungsmotive er nach Thorwaldsen’s Art der Zufälligkeit des Lebens ablauschte. Seine beiden häufig wiederholten Marmorfiguren, die „Sandalenbinderin“ (1814, im Besitz des deutschen Kaisers, zweites Exemplar in der Glyptothek zu München) und die „Spinnerin“ (1816), mit allen Reizen der Unschuld und naiven Einfalt geschmückt, begründeten seinen Ruhm. – Seiner Neigung für das praxitelische Stoffgebiet entsprach namentlich sein krönender Amor und die tanzende Bacchantin. Daneben ist eine Gruppe von Tänzerinnen, die Statue der Diana und das mehrfach wiederholte Standbild „Mädchen mit der Taube“ zu erwähnen. Ganz vereinzelt sind seine religiösen Figuren, ein „Johannes der Täufer“ und „die Jungfrau mit dem Jesuskinde“.
Unermüdlich thätig lieferte Rudolf S. vorzügliche Basreliefs für die Ruhestätte der Mutter des österreichischen Generals Koller und für das Grabmal des Marquis von Landsdown; derselben Richtung gehören zwei durch Lebendigkeit und kühne Stellungen bemerkenswerthe Marmorreliefs für den Herzog von [514] Devonshire an mit der Darstellung der Dioskuren Castor und Pollux, die auf ungezügelten Rossen die Töchter des Leukippus, Phoebe und Hilatra entführen und wie im Kampfe mit den beraubten Verlobten Castor fällt.
Im J. 1818 wurde ihm auf Cornelius’ Wunsch eine Professur an der Düsseldorfer Akademie, wo man die Errichtung einer Bildhauerschule beabsichtigte, angetragen. S. lehnte ab und verblieb in Rom. Nur einmal noch begab er sich am Schlusse des Jahres 1819 zum Besuche seines Vaters nach Berlin, doch kehrte er bald nach Rom zurück, wo er gelegentlich unter Rauch’s Mitwirkung Ankäufe für das Berliner Museum vermittelte. – Von seinen Büsten ist die des Componisten Händel für die Walhalla bei Regensburg zu erwähnen, bei welcher ihm die 1815 von seinem Vater modellirte Gesichtsmaske dienlich war, sodann die in der Glyptothek zu München aufgestellte Büste der schönen Winzerin Victoria Caldoni aus Albano (vgl. A. Kestner, römische Studien. Berlin 1850, S. 81 ff.), im J. 1820 in der Villa Malta, dem damaligen preußischen Gesandtschaftshause, nach dem Leben modellirt. – Hier sei auch „der Discus werfende Knabe“ erwähnt, der im Schwung der Bewegung trefflich charakterisirt ist. – In seinem letzten, nur modellirten Hauptwerke, der überlebensgroßen Gruppe „Achilleus vertheidigt die sterbende Penthesilea“ strebte S. ein Pathos in der Darstellung des Helden an, das seiner lyrisch gestimmten Empfindungsweise im allgemeinen wenig entsprach. Achilleus ist in höchster Aufregung und Anspannung dargestellt, Penthesilea im Moment des scheidenden Lebens zusammenbrechend. Am 6. Juli 1821 meldet Rauch, daß König Friedrich Wilhelm III. die Ausführung der Gruppe in Marmor dem Künstler übertragen habe. Doch blieb diese Arbeit, wie auch die Ausführung einer tanzenden Bacchantin unerledigt.
Infolge einer Brustentzündung wurde er seiner ruhmvollen Laufbahn zu Rom am 31. Januar 1822 im Alter von nur 36 Jahren entrissen und am 1. Februar desselben Jahres in der Kirche St. Andrea delle Fratte, wo auch Angelika Kauffmann, Maler Müller und Zoëga ruhen, feierlich nach katholischem Ritus beigesetzt.
Sein Vetter, der Bildhauer Emil Wolff trat die Erbschaft seiner künstlerischen Wirksamkeit an, indem er unter Thorwaldsen’s Aufsicht die Gruppe „Achilleus und Penthesilea“ in Marmor übertrug (im königlichen Schlosse zu Berlin). Auf Wunsch der Angehörigen Schadow’s schmückte Wolff die Grabstätte mit der Porträtbüste des Verstorbenen und einem sinnigen Marmorrelief, den Künstler darstellend, der von einem Engel dem Heilande zugeführt wird, während auf der anderen Seite der Ruhm ihm den Lorbeerkranz reicht. Die Akademie der Künste in Berlin ehrte das Andenken des so früh entschlafenen Künstlers im J. 1824 durch eine Ausstellung von Zeichnungen nach seinen Werken. Ein gutes Porträt Rudolf Schadow’s, in der Familie gewöhnlich Ridolfo genannt, enthält ein in der Nationalgalerie befindliches Gruppenbildniß, Thorwaldsen, Rudolf und Wilhelm S. darstellend, von Letzterem gemalt.
- Vergl. Kunstblatt 1821, Nr. 1 u. 2. – Nagler’s neues allgemeines Künstlerlexikon, München 1845, XV. Bd. – Erläuterungen der Abbildungen von den Bildhauerarbeiten des Johann Gottfried Schadow und seines Sohnes Ridolfo Schadow. Berlin 1849, nebst Bilderheft. – W. v. Schadow, Der moderne Vasari. Berlin 1854. – E. Förster, Gesch. der deutschen Kunst, 4. Thl. Leipzig 1860. – Christian Daniel Rauch von Friedrich und Karl Eggers. 1. und 2. Bd. Berlin 1873–78. – H. Riegel, Geschichte der deutschen Kunst seit Carstens und Gottfried Schadow. 1. Thl. Hannover, 1876. – Allgemeins Künstlerlexikon von A. Seubert. 2. Aufl. Stuttgart 1879. – Franz v. Reber, Geschichte der neueren deutschen Kunst. 2. Aufl. [515] 2. Bd. Leipzig 1884. – Briefe aus Italien von Julius Schnorr v. Carolsfeld, geschrieben in den Jahren 1817 bis 1827. Gotha 1886. – Geschichte der modernen Kunst von Adolf Rosenberg, 2. Bd. Leipzig 1887.