Zum Inhalt springen

ADB:Wolfsohn, Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wolfsohn, Wilhelm“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 132–133, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolfsohn,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 09:42 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wolfrum, Veit
Nächster>>>
Wolfvoet, Victor
Band 44 (1898), S. 132–133 (Quelle).
Wilhelm Wolfsohn bei Wikisource
Wilhelm Wolfsohn in der Wikipedia
Wilhelm Wolfsohn in Wikidata
GND-Nummer 118847104
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|44|132|133|Wolfsohn, Wilhelm|Max Mendheim|ADB:Wolfsohn, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118847104}}    

Wolfsohn: Wilhelm W., Schriftsteller, wurde am 20. October 1820 in Odessa als Sohn armer Jsraeliten geboren. Er besuchte später das deutsche Gymnasium seiner Vaterstadt und bezog dann die Universität Leipzig, um hier Medicin zu studiren, wandte sich aber bald philosophischen und philologischen Studien zu und beschäftigte sich schon damals mit dichterischen Versuchen und Uebersetzungen lateinischer Dichter, wovon er einzelnes unter dem Pseudonym Carl Maien veröffentlichte. Unter seinen Bekanntschaften in Leipzig ist besonders die mit Ferdinand Lassalle erwähnenswerth, der ihn in seinem Tagebuche von 1841 einen sehr poesiereichen Dichter nennt, und von ihm schreibt: „seine ‚Veilchen‘ (eine Gedichtsammlung, die 1840 erschienen war), obwohl da die Kraft und der Wille noch manchmal unklar, haben einige ausgezeichnete Gedichte; in jedem zeigt sich eine große Kraft und eine glühende Begeisterung. In der Lyrik gehört er, ohne es zu wollen, zu der Heine’schen Schule, doch nicht ganz. Seine ‚Sternbilder‘ (ebenfalls 1840 erschienen) schließen Gedichte ein, die wahrhaft außerordentlich sind, z. B. ‚Pflicht und Liebe‘, ‚Elisabeth‘, ‚Jean Paul‘ und vor Allem ‚Mein Herz‘. Carl Maien hat einen schönen edlen Zweck, er ist ein Kämpe für das Judenthum. Er ist in der Poesie, was Gabriel Riesser in der Prosa. In diesem Sinne hat er (mit Siegm. Frankenberg) ein Taschenbuch ‚Jeschurun‘ (als ‚Taschenbuch für Schilderungen und Anklänge aus [133] dem Leben der Juden‘, 1841 in Leipzig erschienen) herausgegeben, in dem sich besonders ‚der böhmische Dorfjude‘ durch seine lebhafte naturgetreue Darstellung und die ‚Briefe‘ durch ihre Wahrheit auszeichnen.“

Nach Vollendung seiner Studien wirkte W. zunächst in Leipzig als Schriftsteller und veröffentlichte 1843 das Werk „Die schönwissenschaftliche Litteratur der Russen“; in Odessa, wohin er im selben Jahre zurückkehrte, und dann in Moskau las er über deutsche Litteratur, lehnte aber eine ihm daselbst angetragene Professur ab, weil er die dabei gestellte Bedingung, zum Christenthume überzutreten, nicht erfüllen wollte, obgleich er doch später (1851) eine Christin heirathete und auch seine Kinder taufen ließ. Im J. 1845 ging W. nach Deutschland zurück, hielt in verschiedenen Städten anziehende litterarische Vorträge, betheiligte sich auch an den „Blättern für Litterarische Unterhaltung“ und veröffentlichte 1848–51 eine dreibändige Sammlung russischer Novellen in deutscher Uebersetzung und mit biographisch-kritischen Einleitungen unter dem Titel „Rußlands Novellendichter“, sowie 1851 das „Neue Laienbrevier“ aus deutschen Dichtern der Vergangenheit und Gegenwart. An der Wochenschrift „Das deutsche Museum“, die er zur selben Zeit mit Robert Prutz in Leipzig gründete, war er nur bis zum October 1851 betheiligt. Im folgenden Jahre siedelte W. dauernd nach Dresden über und wandte sich hier auch der dramatischen Dichtkunst zu. Seine Schauspiele, die 1857–59 gesammelt erschienen, sind: „Zar und Bürger“, „Nur eine Seele“ und „Die Osternacht“, von denen besonders das zweite lebhaften Anklang fand, über zahlreiche Bühnen ging und sich auch längere Zeit auf dem Repertoire erhielt (in Leipzig z. B. wurde es noch im September 1865 wiederholt). „Meine Theaterarbeiten“, schreibt W. selbst über diese Stücke, „sind nicht mehr im Zuge eines subjectiv-poetischen Genügens entstanden. Sie hatten den bestimmten Zweck, Charaktere und Zustände, die mich aus unmittelbarer oder aus historischer Anschauung beschäftigten, auf der Bühne zur Erscheinung zu bringen.“ Während das Schauspiel „Zar und Bürger“, dem man einige gelungene und wirksame Scenen nicht absprechen kann, ganz im Stile und in der Form von Schiller’s pathetischen Jambendramen geschrieben war, war das von den meisten Theaterdirectionen als Tendenzstück ursprünglich zurückgewiesene „Nur eine Seele“ in flotter, lebendiger Prosa abgefaßt und seinem Inhalte nach wohl geeignet, das liberale Bürgerthum der damaligen Zeit in aufregende und begeisterte Stimmung zu versetzen. Freilich technisch geschickt, wahrhaft und natürlich in Handlung und Charakteren ist nur der erste Act; die beiden folgenden fallen immer mehr ab, alles wird bei fortwährendem Scenenwechsel überstürzt und endet schließlich mit unglaubhaften und unnatürlichen romantischen Schwärmereien.

In den Jahren 1857–61 schrieb W. auch eine Anzahl scharfsinniger kritischer Aufsätze, die in der wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung unter dem Titel „Kulturbriefe“ erschienen, hielt dann in Königsberg und Petersburg wieder Vorträge und gründete 1862 die Zeitschrift „Russische Revue“, die 1864 zu einer „Nordischen Revue“ erweitert wurde und den Deutschen die Kenntniß der russischen Litteratur vermitteln sollte; hierzu trugen vornehmlich auch seine obenerwähnten Uebersetzungen aus dem Russischen bei, die in glatter und fließender Sprache geschrieben, sich ganz wie eigene Werke des Uebersetzers lesen. Ein weitere Sammlung „Russische Geschichten“, die W. übertragen hatte, gab 1884 sein Sohn heraus, nachdem der Vater bereits am 13. August 1865 in Dresden gestorben war.

Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter u. Prosaisten (4. Aufl.) Bd. 4. – Hübsche persönliche Mittheilungen spendet Th. Fontane i. d. 50. Sonntagsbeilage z. Vossischen Ztg., 12. Dec. 1897.