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ADB:Wunderling

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Artikel „Wunderling“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 568–569, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wunderling&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 14:26 Uhr UTC)
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Wunderling *): angesehene Lehrer- und Theologenfamilie der Brüdergemeine, aus der die folgenden drei Häupter dreier Generationen besonders hervorragen:

Johann Christian W., Elementarlehrer, zuletzt an der Domschule zu Magdeburg, geboren am 10. April 1750, † am Charfreitage 1825, war der erste aus der Familie, der sich der Brüdergemeine anschloß. Sein Vater war Cantor und Lehrer, zur Zeit der Geburt seines Sohnes in Gersdorf, später in Bornstedt bei Magdeburg: ein körperlich robuster und geistig begabter Mann, in dem nachwirkender Einfluß pietistischer Erziehung bis ins hohe Alter mit bäurischer Rohheit kämpfte. Der Sohn bekennt dankbar, dem Vater die ersten Antriebe ernsterer Frömmigkeit zu danken, hatte aber noch als Mann unter den Ausbrüchen seiner Heftigkeit und seiner Neigung zum Trunke zu leiden. – Joh. Christ. W. durchlief das Domgymnasium zu Halberstadt und empfing nachhaltige Eindrücke von dessen damaligem berühmten Leiter Christian Gottfried Struensee (1717–1782). Zu arm, seine Studien auf der Universität fortzusetzen, nahm er 1772 die Unterlehrerstelle an der St. Johannisschule zu Halberstadt an und heirathete auf Rath von Gönnern und Freunden die sechs Jahre ältere Dorothea Winter, geb. Hügel, Wittwe eines Cantors, die ihm zwei Kinder erster Ehe mitbrachte. Bei manchen trefflichen Eigenschaften fehlte dieser Frau das volle Verständniß für die religiöse Eigenart des Gatten, die sich schon damals im Verkehre mit Struensee und bald auch der Brüdergemeine zu Barby auszuprägen begann. 1782, kurz vor seinem Tode, empfahl Struensee den jungen W. an seinen Freund den Consistorialrath G. B. Funk zu Magdeburg, als Lehrer der dortigen Domschule. Dort erwarb er bald den Ruf eines ausgezeichneten Lehrers, dem besonders gern auswärtige Schüler als Kostgänger von Funk zugewiesen und von ernstgesinnten Eltern anvertraut wurden. Im J. 1794 erlebte W. eine neue „Erweckung“, infolge deren er sich sammt seinem kaum erwachsenen Sohne Christian Ferdinand der Brüdergemeine anschloß. Mehr und mehr ward er in der Folgezeit zum Mittelpunkt eines Kreises sog. Stiller im Lande. Er vertrat für Magdeburg und Umgegend die von ihm hochgeschätzte Urlsperger’sche oder Baseler Christenthumsgesellschaft und hatte die Freude zwischen ihr und der Brüdergemeine freundliches Einvernehmen herzustellen. Mit einer Reihe bedeutender Vertreter des supranaturalistischen und pietistischen Standpunktes trat W. allmählich in persönlichen oder brieflichen Verkehr; u. a. wechselte er Briefe mit Jung-Stilling, dessen apokalyptische Grübeleien er jedoch entschieden verwarf und bekämpfte. Unter dem jüngeren Geschlechte, das sich mit Verehrung um den Vater W. schaarte, standen ihm vor andern nahe die Brüder Uhle aus Gerbstädt, Joh. Gottlieb (1781–1835) und Joh. August (1788–1813), Gründer des Christlichen Vereines im nördlichen Deutschland, sowie der Bonner und später Göttinger Theolog Friedrich Lücke (1791–1855), der „dem frommen Hüter und Führer seiner Jugend“, in dessen Hause er als Schüler des Magdeburger Domgymnasiums gelebt, 1820 den ersten Band seines Commentares zum Johannesevangelium widmete. Nachdem das fünfzigjährige Amtsjubiläum am 23. November 1822 J. Chr. W. noch reiche Ehren gebracht, trat er Ostern 1823 in den Ruhestand, den er zwei Jahre dankbar genießen durfte.

Sein Sohn und Biograph Christian Ferdinand W., praktischer Theolog der Brüdergemeine, geboren am 1. Mai 1777 in Halberstadt, † am 3. Mai 1850 in Gnadenfrei, wurde auf der Domschule zu Magdeburg vorgebildet und 1794 während eines Besuches zu Barby im Sinne der Brüdergemeine „erweckt“. Er studirte 1795 bis 1797 in Halle, besonders unter Knapp, [569] dessen Hausgenoß er zuletzt als Lehrer seines Sohnes war, Theologie und war 1797 bis 1801 Lehrer an einem Erziehungsinstitute zu Uhyst (Oberlausitz). Während dieser Zeit trat er (1797) förmlich der Brüdergemeine in Kleinwelke bei und 1801 als Lehrer am Pädagogium, seit 1804 am theologischen Seminare zu Barby in den Dienst der Unität. Von dort ward er 1807 als Inspector der Knabenanstalt nach Christiansfeld (Nordschleswig) berufen, wohin er nach kurzem Gemeindedienst in Herrnhut (1809) und nach mehrjährigem Predigtamt in Stockholm 1814 als Prediger zurückkehrte. In gleicher Eigenschaft siedelte er 1818 nach Gnadau und 1825 nach Gnadenfrei über, wo er 1846 in Ruhestand trat. Chr. F. W. war zwei Mal vermählt. Aus der zweiten Ehe mit Anna Sophia Christoph stammte sein Sohn:

Theobald W., Bischof und angesehener Kanzelredner der Brüderkirche, geboren am 6. September 1826 in Gnadenfrei, † am 27. Februar 1893 in Niesky (Oberlausitz). Nach wechselvollem Lehrdienst an verschiedenen Orten und Anstalten kehrte er 1855 an seinen Geburtsort zurück und diente der dortigen Gemeinde als Hülfsprediger und (seit 1866) Hauptprediger bis 1878, wo er als erster Prediger nach Niesky (Oberlausitz) versetzt ward. Dies Amt versah er, bis Anfang 1892 Krankheit ihn zum Rücktritte nöthigte. Im J. 1879 ward er zum Bischofe geweiht. W. galt als ausgezeichneter Homilet, namentlich Festredner, weit über die Grenzen seiner engeren Religionsgemeinschaft und genoß in der Brüderkirche als Organisator und Leiter des Gemeindelebens wie als Freund und Förderer äußerer und innerer Mission hohes Ansehen. Er gab drei Bände Predigten über alttestamentliche Texte („Uraltes und Ewigneues“), einen Band über neutestamentliche („Immanuel“), tägliche Betrachtungen („Sonnenblicke der Ewigkeit“) und andere, kleinere Arbeiten heraus.

Vgl. J. Ch. Wunderling’s Lebens-Beschreibung. Verfaßt von seinem Sohne C. F. Wunderling. Bunzlau ohne Jahr. – Lebenslauf des Bruders Christian Ferdinand Wunderling (Nachrichten aus der Brüdergemeine, 1851. IV. Heft, S. 606–632. Gnadau). – Der Bischof der Brüderkirche Theobald Wunderling (Brüderkalender 1894, S. 73–75. Niesky; mit Bildnis).

[568] *) Zu S. 315.