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ADB:Wydler, Heinrich

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Artikel „Wydler, Heinrich“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 392–393, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wydler,_Heinrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 22:33 Uhr UTC)
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Wydler: Heinrich W., Botaniker, geboren zu Zürich am 24. April 1800, † zu Gernsbach am 6. December 1883. Unter dürftigen Verhältnissen aufgewachsen und auf der Stadtschule seiner Vaterstadt nur mangelhaft vorgebildet, trat W. im dreizehnten Lebensjahre in eine Musikalienhandlung in die Lehre. Den lernbegierigen Knaben aber, welcher schon frühzeitig dem Bücherstudium oblag und zu dem Zwecke diejenigen Werke, die er sich selber nicht anschaffen konnte, ganz abschrieb, litt es nicht lange in dieser kaufmännischen Stellung. Nachdem er auch eine zweite Stelle in einem Bankhause aufgegeben hatte, ging er im 18. Jahre zum Studium der Medicin über an dem damaligen medicinischen Institut in Zürich und hörte Anatomie bei Fries, Physiologie bei Schinz und pharmaceutische Chemie bei Irminger. Er wechselte dann seinen Studienort und ging nach Göttingen, vorzugsweise, um hier die naturhistortsche, anatomische und physiologische Litteratur kennen zu lernen. Von Vorlesungen hörte er nur die Blumenbach’s über allgemeine Naturgeschichte und genoß auch dessen persönlichen Verkehr. Pecuniäre Gründe zwangen W. nach nur halbjährigem Aufenthalte Göttingen wieder zu verlassen und nach Zürich zurückzukehren. Durch Ertheilung von Privatunterricht erwarb er sich nothdürftig die Mittel, um seine Studien, welche besonders auf Botanik gerichtet waren, wieder aufzunehmen, bis es ihm gelang, eine Stelle als Lehrer der Naturgeschichte an einer Privatschule in Lenzburg zu erhalten. Hier blieb er einige Jahre und suchte dann 1825 oder 1826 zur Förderung seiner botanischen Kenntnisse Decandolle in Genf auf. Nach einer im August 1826 mit Empfehlungsschreiben dieses Gelehrten unternommenen Reise nach Paris, kehrte er, wiederum mittellos, nach Zürich zurück. Durch Decandolle’s Vermittlung trat W. im Frühjahre 1827 eine Reise nach Südamerika an, deren Kosten eine Gesellschaft bestritt, welche ihm die Aufgabe stellte, für sie Pflanzen zu sammeln. Nach kurzem Aufenthalte in St. Thomas begab sich W. nach Portorico, dessen Urwälder er unter vielen Mühseligkeiten durchstreifte. Schließlich wurde er vom gelben Fieber ergriffen und mußte, noch vollständig erschöpft, nach Europa zurückkehren. Die botanische Ausbeute der Reise war hinter den Erwartungen zurückgeblieben, da Feuchtigkeit und Insecten seine Sammlungen zerstört hatten. Er suchte nun von neuem in Genf durch Privatstunden sein Leben zu fristen. Da verschaffte ihm 1828 Seringe, damals Custos der Decandolle’schen Sammlungen, die Stelle eines Adjuncten des Directors des botanischen Gartens in Petersburg. Aber das dortige Klima sagte seinem Körper nicht zu, und so mußte er 1830 nach Genf zurückkehren. Auf der Heimreise machte W. in Karlsruhe die Bekanntschaft von Alexander Braun, der gerade damals mit seinen berühmt gewordenen Forschungen über die Blattstellungsverhältnisse beschäftigt, auf ihn einen fördernden Einfluß übte. W. verdankt es diesem Gelehrten, daß er sich der botanischen Morphologie zuwandte, auf welchem Gebiete seine bedeutendsten litterarischen Leistungen der späteren Jahre sich bewegten. In Genf erhielt er die infolge von Seringe’s Berufung nach Lyon frei gewordene Stelle des Conservators der Decandolle’schen [393] Sammlungen, welche er bis 1834 inne hatte. Um diese Zeit wurde er von der Baseler Universität zum Dr. med. hon. c. ernannt. Nach einer erfolglosen Bewerbung um eine Lehrerstelle an dem neu errichteten Gymnasium in Zürich, gelang es ihm eine solche an der Realschule in Bern zu erhalten. Hier war er ein Jahr hindurch thätig und trat darauf an der zur Universität erhobenen Akademie die Professur für Botanik an und zugleich die Stelle eines Lehrers am Kantonsgymnasium. Seine 1840 erfolgte Verheirathung brachte ihn endlich in eine sorgenfreiere Lage, die es ihm ermöglichte, nach Aufgabe seiner Stellung in Bern nach Straßburg überzusiedeln, dem Geburtsorte seiner Frau, um sich ganz seinen Studien zu widmen. Späterhin wechselte er seinen Aufenthaltsort wiederholt zwischen Straßburg und Bern und ließ sich vom Jahre 1875 an in Gernsbach nieder. Hier verbrachte er den Rest seines Lebens, durch Krankheit fast stetig an das Zimmer gefesselt, und verschied im Alter von 83 Jahren.

W. begann seine wissenschaftliche Thätigkeit in der Botanik mit der Veröffentlichung einer Monographie der Scrophulariaceen, welche, zuerst in den Genfer Mémoires de la société de Physique 1828 publicirt, dann auch als selbständiges Werk unter dem Titel: „Essai monographique sur le genre Scrophularia“ herauskam. In der Folge aber wandten sich seine Arbeiten auf die schon erwähnte Anregung A. Braun’s hin, ausschließlich den rein morphologischen Fragen der Verzweigung, Inflorescenz, den Zahl- und Stellungsverhältnissen von Laub- und Blütenblättern der verschiedensten Pflanzenarten zu. A. Braun, Thilo Irmisch (s. A. D. B. XIV, 585) und W. waren unter den deutschen Botanikern diejenigen, welche im zweiten Drittel unseres Jahrhunderts die im Anschluß an die Metamorphosenlehre sich entwickelnde Spiraltheorie im Pflanzenreiche durch ihre Arbeiten am meisten stützten und förderten. Ihre Pflanzenbeschreibungen gewannen im Sinne dieser Lehre geradezu die Bedeutung einer Kunst. Den trocknen Diagnosen der Systematiker gegenüber gaben ihre Darstellungen, welche auch die genetische Entwicklung und die biologischen Verhältnisse der Pflanzenorgane mit heranzogen, dem Leser ein greifbares, oft fesselndes Bild. Die zahlreichen Einzelarbeiten Wydler’s sind meist in den Jahrgängen der Flora von 1844–1876, einzelne auch in der Botanischen Zeitung, der Zeitschrift Linnäa, in den Mittheilungen der Berner naturforschenden Gesellschaft (1850, 1855 u. 60), den Denkschriften der Regensburger Botanischen Gesellschaft (Band IV) und Pringsheim’s Jahrbüchern (Band XI) erschienen. Als Sonderabdrücke kamen in den Buchhandel zwei Schriften: „Ueber dichotome Verzweigung der Blüthenaxen dicotyledonischer Gewächse“ 1843 mit 2 Tafeln und „Ueber systematische Verzweigungsweise dichotomer Inflorescenzen“ 1851. Sämmtliche Arbeiten Wydler’s behandeln nur phanerogame Gewächse.

Bot. Zeitung 1884. – Sachs, Gesch. d. Bot. – Pritzel, Thes. lit. bot.