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ADB:Zeitblom, Bartholomäus

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Artikel „Zeitblom, Bartholomäus“ von Max Bach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 8–11, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zeitblom,_Bartholom%C3%A4us&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:54 Uhr UTC)
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Zeitblom: Bartholomäus Z., das Haupt der Ulmer Malerschule. Seine Familie scheint aus Augsburg zu stammen; dort erscheint der Name öfter in den Steuerbüchern am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts. In Ulm selbst finden wir vor 1484 den Namen nicht, in diesem Jahr erscheint er nach den Angaben Weyermann’s im Steuerbuch. Ueber seine Familienverhältnisse, seinen Studiengang u. dgl. ist nichts sicheres bekannt; man weiß nur, daß er eine Tochter des Malers Hans Schüchlin (vgl. A. D. B. XXXII, 641 ff.) geheirathet hat, was aus einem Eintrag vom Jahr 1499 in den Zinsbüchern der Frauenpflege (d. h. Pfarrkirchenbaupflege) zu ersehen ist. Dort erscheint Z. gemeinschaftlich mit Schüchlin, „seinem Tochtermann“, als Besitzer eines Kirchenstuhles, wofür sie zwei Ort (gewöhnlich ¼ Gulden, ein Ortsgulden = 14 Kreuzer) bezahlen. In demselben Jahr ist Z. genannt als einer der beiden Schatzmeister der Malerzunft S. Lucae zu den Wengen; 1508–12 ist er Alleininhaber des genannten Kirchenstuhls, 1516 und 1517 tritt er wiederholt als Bürge für andere ihm befreundete Bürger auf. Zum letzten Mal wird der Meister genannt in einer Hüttenrechnung von 1518 unter den Ausgaben für den Oelberg, welcher nach einem schon im Jahr 1474 von Math. Böblinger gezeichneten Entwurf auf dem Münsterplatz errichtet wurde. Dort heißt es: „Bartlme Zeytblom und Martin Schaffner von dem Getter rot anzestreichen, von den Knöpfen zu vergulden und von den Gilgen und Blumen zu malen 28 Pfd. 27 Sch. 6 Hl.“

Das ist leider die einzige urkundliche Nachricht, welche man über Ausführung einer Arbeit von ihm hat. Sein Todesjahr ist nicht bekannt, doch scheint er noch 1520 gelebt zu haben, denn erst im J. 1521 tritt an seine Stelle bei einer im J. 1517 übernommenen Bürgschaft, ein gewisser Notar May ein. Ein Sohn des Meisters ist offenbar jener „Barthleme Zeitblom“, welcher im Bürgerbuch von 1532 genannt ist. Ein Hans Zeitblom war Hofmaler Kaiser Karl V. In einem am 18. Januar 1550 ausgestellten Privilegium wird derselbe genannt „unser Trabant und des Reichs lieber getreuer Meister Hans Zeitbluem“. Er machte eine Zeichnung von dem Streit Karl’s V. mit dem Herzog Johann Friedrich von Sachsen im J. 1547. Die Zeichnung sollte auf besonderen Wunsch des Kaisers in Kupfer gestochen werden; ein Abdruck davon hat sich aber bis jetzt nicht gefunden. Noch 1575 lebt ein Hans Zeitblum als Weinzieher in Ulm.

Aus den dargebotenen dürftigen Notizen eine Biographie Zeitblom’s zusammenschreiben zu wollen ist unmöglich, alle dahin abzielenden Versuche sind kläglich gescheitert. Selbst das so lange hartnäckig verfolgte Schulverhältniß zu seinem Schwiegervater Schüchlin ist durchaus nicht nachweisbar, denn das einzige uns von Schüchlin erhaltene Werk, der Hochaltar zu Tiefenbronn, lehnt sich mehr an die Wohlgemuth’sche Schule an, wie denn auch neuerdings nachgewiesen ist, daß Schüchlin mit seinem Schwager, dem Maler Albrecht Rebmann in Nürnberg einen Altar für die St. Martinskirche in Rothenburg a. N. ausgeführt hat. Z. geht seinen eigenen Weg; man kennt ihn sofort, sobald man sich mit seinen Eigenthümlichkeiten vertraut gemacht hat. Seine Gestalten sind großartig aufgefaßt, vortrefflich ist der Stil der Gewandung, die Bewegungen natürlich, das Colorit warm und leuchtend; namentlich wußte er durch ein tiefes Violett neben entgegengesetzten leuchtenden Farben wie grün, braun oder gelb einen eigenthümlichen Reiz zu erzielen. Die Fleischtöne sind warm und gehen in den Schatten tief ins bräunliche. Köpfe und Hände sind besser als seine [9] Füße und das etwas magere Nackte gezeichnet. Die Gesichtsbildung ist länglich und besonders charakteristisch ist die Zeichnung der Nase. Die Haare seiner Madonnen sind goldgelb und fallen in langen Striemen über die Schultern herab. Maiblumen und Ackeley schmücken gewöhnlich den Vordergrund seiner Gemälde und bei dem oft gemalten Bilde der Verkündigung fehlt nie der Topf mit den Lilienstengeln, dem Symbole der Unschuld.

Es ist schwer unter den zahlreichen uns erhaltenen Werken diejenigen herauszufinden, welche etwa als Jugendwerke gelten können. Man hat lange Zeit einen Altar, der in Mickhausen (nicht Münster und nicht Mückenhausen) bei Augsburg sich befand, infolge einer gefälschten Inschrift als ein Werk bezeichnet, welches Z. und Schüchlin gemeinschaftlich angefertigt haben. Das in der Landesgalerie zu Pest befindliche ansprechende Werk besteht aus vier Tafeln, wovon jetzt zwei vereinigt sind; es sind die einstigen Flügel des Altars und stellen auf den Innenseiten die Heiligen Florian, Johannes d. T., Sebastian, den Papst Gregor, Johannes d. Ev. und Augustinus dar, während auf den Innenseiten der Tod der Maria dargestellt ist. Die feierlich würdigen Gestalten mit ausdrucksvollen Gesichtern und einfach und groß gelegten Gewändern sind für Z. so charakteristisch, daß an Schüchlin als Mitarbeiter gar nicht zu denken ist. Immerhin möchten wir das Werk in die frühere Zeit des Meisters setzen, da besonders die Art und Weise der Drapirung noch etwas alterthümlich eckiges hat. Bei den meisten Autoren gelten die sog. Kilchberger Tafeln in der Stuttgarter Staatsgalerie als frühe Werke des Meisters; sie sind jedoch entschieden spät, was sowol das Colorit als auch die Haltung und Drapirung der Figuren mit Bestimmtheit erkennen läßt. Nur der Umstand, daß sie fast immer mit einem datirten Altarschrein an demselben Ort verwechselt worden sind, hat dazu beigetragen, ihre Entstehung weit früher anzusetzen, als sie ihrer stilistischen Erscheinung nach angenommen werden können. Der flügellose Altarschrein in der Kirche zu Kilchberg bei Tübingen trägt auf der Predella die Jahreszahl 1478, der andere Schrein in der Schloßcapelle daselbst, zu dem die Stuttgarter Flügel gehören, den vollen Namen des Künstlers mit der leider am Schluß beschädigten Jahrzahl. Der eine noch erhaltene Flügel des Altars in der Dorfkirche zeigt die knieende Figur des Stifters, eines Herrn v. Ehingen; ob diese Ritterfigur auch Z. zuzuschreiben ist, ist zweifelhaft, doch immerhin möglich. Im bejahenden Falle, hätten wir hier das früheste uns erhaltene Werk des Meisters. Ein mit der Zahl 1488 bezeichneter Altarschrein aus der Kirche zu Hausen (bair. Schwaben) stammend, jetzt in der Staatssammlung vaterl. Kunst- u. Alterthums-Denkmale in Stuttgart wird in allen kunstgeschichtlichen Handbüchern für ein Werk Zeitblom’s ausgegeben, doch wol mit Unrecht, denn die äußern Flügel sind nach Kupferstichen Schongauer’s gemalt und die Heiligenfiguren sind des Meisters nicht würdig.

Ein Hauptwerk des Meisters ist der ehemalige Altar zu Eschach OA. Gaildorf, eine Stiftung der Grafen v. Rechberg, vollendet 1496, in der Stuttgarter Galerie. Die großen Flügel mit den Darstellungen der beiden Johannes, der Heimsuchung und Verkündigung sind leider übermalt; die Predella in Berlin dagegen vortrefflich erhalten. Gleichfalls aus Rechberg’schem Besitz stammen die beiden schönen Flügel in der Pinakothek zu München mit der h. Margaretha und Barbara, zu denen vielleicht noch die h. Brigitta ebendort zu zählen ist, ferner die kleinen Tafeln mit dem h. Georg und h. Antonius in Stuttgart; ähnlich zwei andere Tafeln mit dem h. Georg und h. Valentin aus dem Kloster Urspring bei Blaubeuren. Diese beiden Ritter St. Georg erinnern unwillkürlich an die beiden analogen Figuren des Kilchberger Altars; doch ist der Urspringer Georg entschieden alterthümlicher. Gleichzeitig mit dem Eschacher Altar entstand [10] der große Hochaltar in der Klosterkirche zu Blaubeuren, an welchem aber Z. zweifellos nur durch zwei Bilder aus der Johanneslegende (linker äußerer Flügel unten) betheiligt ist. Mit der Jahrzahl 1497 und seinem vollen Namen hat der Meister ein weiteres hervorragendes Werk bezeichnet: den Altar auf dem Heerberg bei Gaildorf, jetzt in Stuttgart (Samml. vaterl. K.- u. A.-Denkmale), eine Schenkung des Grafen Albert v. Limburg und seiner Gemahlin Elisabeth Gräfin v. Oettingen. Auf den Flügeln ist die Verkündigung, Anbetung der Hirten und Darstellung im Tempel gemalt. Auf der Rückseite des Schreins inmitten reicher Ornamentik hat sich der Meister selbst verewigt.

Zu den besten Werken des Meisters gehören ferner acht kleinere Gemälde von einem Altarwerk aus Pfullendorf stammend, jetzt im Museum zu Sigmaringen, und vier größere Tafeln, einst zusammengehörend, in der Kirche zu Bingen bei Sigmaringen. Weiter befinden sich in der Augsburger Galerie zwei jetzt zersägte Altarflügel, welche aus dem dortigen Katharinenkloster stammen; sie stellen Vorgänge aus dem Leben des h. Valentin vor, die mit dramatischer Wahrheit geschildert sind. Zwei schmale Flügel in derselben Galerie mit der Zahl 1504 und zwei andere analoge in der Pinakothek zu München mit großen Heiligengestalten, stammen wahrscheinlich von dem großen Altarwerk des Wengenklosters in Ulm, von welchem sich auch ein größeres Bild im Germanischen Museum zu Nürnberg befindet, das lange Zeit für einen Martin Schön gegolten hat. In Ulm selbst, sowie in der Stuttgarter, Karlsruher und Donaueschinger Galerie finden sich ebenfalls noch Reste von Altären, die sich einst in Ulmer Kirchen und besonders im Wengenkloster befunden haben sollen; doch ist ihre Zusammengehörigkeit noch nicht genau untersucht worden, da es allenthalben an Photographien fehlt. (Erst in neuester Zeit sind durch Höfle in Augsburg die wichtigsten Gemälde Zeitblom’s aufgenommen worden.)

Zu den späteren Werken Zeitblom’s, welche eine Datirung tragen, oder zu datiren sind, gehören die Altäre zu Süßen im ehem. Ulmischen Gebiet, vor 1507 leider verbrannt, und im Kloster Adelberg OA. Schorndorf, von 1511, jetzt theilweise restaurirt, mit der Geburt Christi und Anbetung der Könige, Verkündigung und Krönung Mariä. In der Stadtkirche zu Blaubeuren werden die Flügel eines Altärchens, welches einst der Ulmer Patricier Martin Neubronner 1605 dahin gestiftet hat, dem Künstler zugeschrieben; doch kann es sich hier nur um ein Werk aus seiner Schule handeln. Neuerdings ist auch ein Altar im bairischen Nationalmuseum, aus Oberbaiern stammend, dem Meister zugewiesen worden, mit wie viel Recht lassen wir dahingestellt. Die seither Holbein d. Ae. zugeschriebenen Bilder im Augsburger Dom sind, wie ich am angeführten Orte nachgewiesen habe, ebenfalls Werke Zeitblom’s. Bach, Ein Altarwerk aus Weingarten (Archiv f. christl. Kunst 1898, Nr. 6).

Rastlos war die Thätigkeit des Meisters am Ende des 15. Jahrhunderts, große Aufträge sowol von Kirchen und Klöstern, als auch von Fürsten und Herren kamen ihm zu; der Meister verschmähte aber auch die geringste Arbeit nicht, wie wir schon gesehen haben. Er ist so recht das Kind seiner Zeit, ein Handwerksmeister von echtem Schrot und Korn; fromm und bescheiden ist er durchs Leben geschritten und kein Denkstein, keine Chroniknachricht zeugt von dem Wirken des Mannes, selbst sein Name war zu Anfang unseres Jahrhunderts gänzlich vergessen und erst einer unserer großen Dichter, Justinus Kerner, hat im Morgenblatt von 1816 sein Andenken erneuert.

Vgl. Weyermann, Nachrichten v. Ulmer Gelehrten u. Künstlern, 1829. – Mauch u. Grüneisen, Ulms Kunstleben im Mittelalter, 1840. – Haßler, Ulms Kunstgeschichte im Mittelalter, 1864. – Haßler, Sendschreiben an Ed. Mauch, 1855. – Dahlke, Barth. Zeitblom (im Repertorium f. Kunstwissenschaft IV.) [11] – Pressel, Ulm u. sein Münster, 1877. – Pressel, Münsterblätter III. IV. – Bach, Studien z. Gesch. d. Ulmer Malerschule (Zeitschr. f. bild. Kunst, N. F. IV u. V).