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ADB:Zeitfuchs, Johann Arnold

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Artikel „Zeitfuchs, Johann Arnold“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 11–13, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zeitfuchs,_Johann_Arnold&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:42 Uhr UTC)
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Zeitfuchs: Johann Arnold Z., Chronist und geistlicher Schriftsteller, geboren am 26. Februar 1671 zu Rosperwende, † zu Stolberg am 21. Mai 1742. Er stammte aus einer alten Pastorenfamilie. Schon sein 1546 zu Einbeck geborener Aeltervater Arnold Z., Schwager von Mich. Neander und Martin Kemnitz, starb 1616 als Archidiakonus zu Stolberg. Des Chronisten Vater Georg Arn. Z., Pastor zu Rosperwende, der des Kindes gute Anlagen und Liebe zu den Büchern bald beobachtete, unterrichtete dasselbe bis 1684 selbst. Dann besuchte Z. drei Jahre die Schule zu Frankenhausen. Als der Vater im März 1686 starb, waren die Mittel für seine weitere Vorbereitung ganz unzulänglich. Nachdem er ein Jahr auf dem Gymnasium zu Nordhausen gewesen war, sah er sich genöthigt, das unter dem Rector Sam. Schmid und Conrector M. Kegel blühende in Quedlinburg aufzusuchen, weil dort ein wohlwollender Verwandter, der Hofrath Joh. Wilh. Harprecht wohnte. Nach vier Jahren war seine Vorbereitung für die Universität abgeschlossen, aber diese zu besuchen fehlten ihm umso mehr die Mittel, als mittlerweile auch die Susanne Regine, Tochter des kursächs. Capitänlieutenants Hirschberger aus Kelbra, das Zeitliche gesegnet hatte. Da nahm Harprecht sich des Verwaisten väterlich an und schoß ihm das nöthige Geld vor, auch nahmen sich Landsleute seiner an. Z. begab sich im Sommer 1693 nach Jena, wo er die Professoren Bechmann, Hebenstreit, Danz, Sagittarius und Schmidt hörte. Zehn Jahre lang mußte er durch Unterrichten von Kindern vornehmer Leute mühsam seinen nothdürftigen Unterhalt verdienen. Eine erste vorübergehende geistliche Thätigkeit verwaltete er seit 1701, da er für den Mag. Albr. Böttcher in Stolberg 1¼ Jahr lang die Frühpredigt zu Hof, in der Stadt und am Hospital übernahm. Einmüthig von der Gemeinde gewählt wurde er dann am 3. Ostertag 1702 als Pastor zu Hainrode im Amt Questenberg eingeführt und trat am 29. Januar 1703 mit Anna Clara, Tochter des P. Nagler zu Alkersleben bei Arnstadt in die Ehe. Am 3. Sonntag n. Trinit. 1707 als Diakonus zu S. Martini eingeführt, gehörte er dann bis an sein Ende dieser Gemeinde und der Stadt Stolberg an. Im J. 1717 übertrug ihm der Graf die Aufsicht über das neue Waisenhaus, zwei Jahre darnach folgte seine Ernennung zum Consistorialassessor und Inspector der Stadtschule; endlich machten ihn die Grafen Christoph Friedrich und Just Christian zum geistlichen Inspector und Consistorialassessor der Aemter Heringen und Kelbra. Auf gräfliche Verordnung mit Einwilligung des Raths übernahm er als Archidiakonus die Nachmittagspredigt in der Stadtkirche. Was er als Kind versprochen hatte, erfüllte er als Mann und ward bis an sein Ende ein eifriger Pfleger der Wissenschaft, womit die Anlegung einer recht ansehnlichen Büchersammlung im Zusammenhang stand. Seinem nächsten Berufe gemäß waren die meisten von ihm verfaßten Bücher geistlichen Inhalts, von dem 1709 zu Stolberg gedruckten Gebetbuch „Der andächtige Bet- und Himmelsschlüssel“ an bis zu dem „Spruchbuch nach Ordnung des Heils“ (Frankfurt 1735), womit er den Kreis seiner litterarischen Veröffentlichungen beschloß. Von tiefer Einsicht in die heilige Schrift zeugt seine „Theologia exegetica Einleitung zum rechten Verstand und Gebrauch der heil. Schrift“ (Frankf. 1722). Joh. Franz Buddeus versah diesen Wegweiser mit einer Vorrede. Dagegen leuchten seine Gelehrsamkeit und sein unermüdlicher Fleiß aus seinem 1732 ebendaselbst gedruckten „Theolog. Real-Lexicon“ hervor, zu dem Joh. Georg Walch eine Vorrede schrieb.

Mit Uebergehung seiner übrigen längst vergessenen geistlich-theologischen [12] Schriften gedenken wir einer zwiefachen eifrigen Thätigkeit, die ihn bis ans Ende sehr in Anspruch nahm. Die eine besteht in der ausgedehnten Mitarbeit an der von der Gräfin Sophie Eleonore zu Stolberg (s. A. D. B. XXXVI, 372 f.) angelegten großen Leichpredigtensammlung. Ihm fiel der Löwenantheil der Mühen zu, denn er zunächst hatte den behufs der Vermehrung erforderlichen Briefwechsel zu führen und den Katalog zu fertigen und zum Druck zu befördern. Vermuthlich ist sein Tod ein Grund, daß der Druck der zweiten Auflage unvollendet blieb. Ein anderes Unternehmen, an dem er sich mit Hingebung betheiligte und das er noch kurz vor seinem Ende zum Abschluß gelangen sah, war das Stolbergische Gesangbuch. – So achtungswerth seine schriftstellerische und praktische Thätigkeit auf religiös-kirchlichem Gebiete sein mag, ein dauernderes Gedächtniß hat er sich doch für die A. D. B. als Chronist durch seine „Stolbergische Kirchen- und Stadt-Historie“ gestiftet. Uns liegt ein Druck mit der Jahreszahl 1716 vor, die Hauptauflage trägt aber das Druckjahr Frankfurt und Leipzig 1717 und zehn Jahre darnach folgte noch ein „adjoustirter Zusatz“ dazu. Bei Beurtheilung dieser achtungswerthen Leistung ist durchaus die Zeit zu berücksichtigen, in der sie ans Licht trat. Es begannen damals die ersten Ansätze zu einer kritischen, urkundlichen, allgemeineren sowol als Ortsgeschichte in Deutschland, bei denen es galt, sich von einem Wust unkritischer Ueberlieferungen und Fabeleien loszureißen. Bei flüchtiger Betrachtung gewahrt man schon den überaus großen Fleiß, aber wenig von dem kritischen Sinn des Verfassers, der die Familienlegende des Hauses Stolberg und dessen Anfänge ins 6. Jahrhundert und weiter zurück verfolgt, und selbst Rüxner’s Turnierbuch, das nicht ganz übergangen ist, berücksichtigt. Sehen wir aber näher zu, so finden wir, daß der Verf. nicht ohne gewissenhafte Prüfung verfährt. Er unterscheidet die Zeit, wo mit dem Auftreten urkundlicher Ueberlieferungen fester geschichtlicher Boden betreten wird, von den unsichern dieser Begründung entbehrenden Erzählungen, traut einem Rüxner wenig; Hieron. Hennings sucht ihm die Ursprünge zu weit zurück: er will ihn nur „wegen des nexus der Hochgräfl. Abstammung nicht gar mit Stillschweigen übergehen, bis es die, welche Urkunden in Händen haben, besser ausmachen, denn ohne solche Urkunden kann man nichts reelles und rechtschaffenes præstiren noch die hohe genealogie auf feste Füße setzen“. „Urkunden sind das rechte Auge für die Genealogen“. Als er bis gegen 1330 vorgerückt ist, sagt er S. 23: „Biß hieher ist ein confusum chaos und viele Unrichtigkeiten bey den Genealogisten deren verschiedene gehoben, und der Mangel ersetzet, andere aber noch mit unverdrossenem Fleiße vorzunehmen wären“. Wol sammelt er nach Möglichkeit Drucksachen, aber mit besonderer Vorliebe Urkunden, Correspondenzen und authentische Berichte. Bei tüchtigen gleichzeitigen Historikern, einem Prof. Struve in Jena, Schmidt in Helmstedt, dem verständigen Specialisten Leuckfeld u. A. fragte er fleißig nach, bittet auch durch Mittheilung der Capitel seines in Arbeit begriffenen Werks (in den Unschuld. Nachrichten 1714, S. 852), ihn mit Beiträgen und Belehrungen zu unterstützen. Trotz des zu Gunsten seiner Arbeiten erlassenen gräflichen Rescripts fand er nicht die gehoffte Unterstützung. Er klagt darüber, daß etliche aus Eigennutz und unnöthigen Sorgen Quellen der heimischen Geschichte der Benutzung entzögen. Hinsichtlich der Geschlechtsfolge des Hauses Stolberg ist ja durch neuere Arbeiten Zeitfuchs’ Chronik überholt, doch ist sie nicht nur für die Geschichte dieser chronistischen Studien sondern auch wegen zahlreicher Nachrichten, die sie vom 16. Jahrhundert ab darbietet, noch heute von Interesse. – Z. verband Gelehrsamkeit mit aufrichtiger lebendiger Frömmigkeit. Ohne auf der Hochschule zu den Füßen eines namhaften Vertreters dieser Gestalt kirchlichen Lebens gesessen zu haben, wandte er sich früh dem Pietismus zu. Wir erkennen [13] dies schon aus der ersten von ihm bekannt gewordenen meist übersehenen Schrift, dem 1709 veröffentlichten „Andächt. Bet- und Himmelsschlüssel“. In der Vorrede unterscheidet er zwischen gewohnheitsmäßigem und dem lebendigen Herzenschristenthum, zwischen Wiedergeborenen und nicht Wiedergeborenen und weist auf Männer wie Joh. Arnd und Scriver hin. Wegen dieser Ueberzeugung hatte er auch durch die Anfeindungen der die Rechtgläubigkeit für sich in Anspruch nehmenden Widersacher zu leiden. Als nämlich am 5. Sonntag nach Epiphan. 1718 der frühere Substitut des Inspectors zu Neustadt u. H., Pastor zu Windehausen, Friedr. Gottfr. Weger aus Stolberg in der dortigen Pfarrkirche eine Vertretungspredigt für den erkrankten Superintendenten Wiedemann zu halten hatte, griff er darin die Pietisten und sonderlich den Aufseher über das Stolberger Waisenhaus J. A. Zeitfuchs heftig und mit vielerlei Schimpfnamen an. Allgemeines Aufsehen erregte dieser Angriff, als er seine Predigt in Nordhausen drucken ließ, und zwar mit einem ihm beipflichtenden Bedenken der theologischen Facultät zu Wittenberg (Das pietistische Unkraut unter dem Weizen der recht Gläubigen und Frommen). Hiergegen vertheidigte sich nicht nur Z. selbst in einer „Abgenöthigten Unschulds-Rettung des Stolb. Waysenhauses wieder Herrn F. G. Weger“, sondern es traten ihm bei diesem unwürdigen Angriff, der zugleich ein Racheact gewesen zu sein scheint, auch verschiedene Amtsbrüder in besonderen Schriften zur Seite. Sehr deutlich setzte aber die von Z. um ihr Urtheil angegangene theologische Facultät in Leipzig in ihrem Bescheide vom 4. Juni 1719 den Weger zurecht, indem sie sagt, daß er einen neuen ärgerlichen Unfug angefangen, daß er mit seiner antipietistischen Predigt sich gröblich versündigt, indem er eine solche Predigt, in welcher er die Wahrheit gelästert und nichts als ungereimte beleidigende Dinge darin vorgebracht, dem dreieinigen Gott zu widmen sich unterstanden. So wie ihm in dieser Angelegenheit alle Wohlgesinnten zur Seite traten, so hatte der durch ungefärbten Glauben und rechtschaffenen würdigen Wandel sich auszeichnende Mann auch reichen Erfolg in der Seelsorge, und auch die ungemein zahlreiche Betheiligung bei der Leichenbestattung zeugte von der Liebe und Verehrung, die er sich erworben hatte.

Außer den eigenen Schriften ist die Hauptquelle für Z.’s Leben die von dem Stolb. Superintendenten Mag. Winckler auf ihn gehaltene Leichpredigt, m. d. Beilgn. 64 S. Folio; vgl. Walch, Einleitg. i. d. Relig.-Streitigk. d. ev.-luth. Kirche V, 318–320. Die Univ.-Bibl. Jena bewahrt im Walch’schen Briefwechsel auch 10 zwischen 1731 u. 1737 von Z. an W. geschrieb. Briefe.