Zum Inhalt springen

ADB:Zeschau, Heinrich Anton von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zeschau, Heinrich Anton von“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 105–108, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zeschau,_Heinrich_Anton_von&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 19:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Zeschau, Heinrich von
Nächster>>>
Zesen, Philipp von
Band 45 (1900), S. 105–108 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Anton von Zeschau in der Wikipedia
Heinrich Anton von Zeschau in Wikidata
GND-Nummer 138514488
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|105|108|Zeschau, Heinrich Anton von|Heinrich Theodor Flathe|ADB:Zeschau, Heinrich Anton von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138514488}}    

Zeschau: Heinrich Anton von Z., sächsischer Staatsmann, geboren am 4. Februar 1789 in Jessen bei Sorau in der damals sächsischen Niederlausitz und ein Vetter des sächsischen Generallieutenants Aemil v. Zeschau, entstammte einer ehedem in Sachsen reich begüterten, aber in ihren Vermögensverhältnissen zurückgegangenen Familie. Sein Vater Balthasar Heinrich Erdmann v. Z. auf Jessen etc., † am 17. Januar 1810, bekleidete das Amt eines kurfürstlich sächsischen und königlich polnischen Hofraths, seine Mutter Friederike Johanna Christiane, geb. Meyer zu Knonow aus dem Hause Schnellfürthel unweit Halbau in der Oberlausitz war aus einer ursprünglich schweizerischen Familie gebürtig. Ostern 1805 bezog Z. die Universität Leipzig um Jura zu studiren, vertauschte diese aber Michaelis 1806 mit Wittenberg, wurde im August 1808 nach bestandener Abgangsprüfung beim Wittenberger Hofgericht als Auditor „admittirt“ und erhielt zugleich den Acceß beim dortigen Kreisamte verwilligt, wodurch er Gelegenheit bekam sich mit praktischen Arbeiten bekannt zu machen. Noch nicht 21 Jahre alt wurde er 1809 zum Rath beim Hofgericht zu Wittenberg ernannt, „eine Funktion, bei der es allerdings nur wenig Geschäfte gab“, daher er sich daneben den Acceß bei der Kreishauptmannschaft des Wittenberger Kreises ertheilen ließ. Denn schon damals hatte er sich für die Verwaltung als Berufsfach entschieden. Demgemäß wurde er 1811 zum Supernumerar-Amtshauptmann daselbst ernannt. In dieser Stellung erhielt er alsbald Gelegenheit, seine Fähigkeiten auf einem Gebiete zu erproben, auf dem sein Wirken später bahnbrechend werden sollte, dem Steuerwesen, da die augenblickliche politische Ruhe die sächsische Regierung veranlaßte, die seit Jahren geplante umfassende Grundsteuerregulirung in Anspruch zu nehmen, bis der russische Krieg sie zum Stillstand brachte. Die inmittelst wieder eingetretenen Kriegsnöthe beriefen ihn im Juni 1813 auf ein nicht minder schwieriges Feld, indem die von König Friedrich August eingesetzte Regierungscommission ihm das Amt eines Etappencommissars in Herzberg übertrug, welcher Bezirk einen Theil des Kriegsschauplatzes bildete. [106] Daneben mußte er die Leitung der Landwehrorganisation im Wittenberger Kreise rechts der Elbe, desgleichen die Arbeiten zur Abhilfe des Nothstandes übernehmen, worauf ihn das russische Gouvernement unter Belassung in seinen bisherigen Functionen zum Generalgouvernementscommissar im ganzen Wittenberger Kreise ernannte und ihm nach dem Falle der Festung die Direction der Wittenberger Kreisdeputation übertrug, so daß er thatsächlich die gesammte Verwaltung des Kreises in seiner Person vereinigte. Im Juni 1815 wurde er zum wirklichen Amtshauptmann ernannt, und da durch die Theilung Sachsens der Wittenberger Kreis und die Niederlausitz, sein Geburts- und Stammland, an Preußen abgetreten worden waren, so trat auch er in gleicher Eigenschaft in den Dienst des neuen Herrn über, wurde 1817 Landrath des Schweidnitzer Kreises, 1819 aber auf eigenen Wunsch Regierungsrath in Potsdam. Für seine Rückberufung in den kgl. sächsischen Staatsdienst als Geh. Finanzrath im J. 1822 waren wol Familienverhältnisse mitbestimmend, nachdem er sich 1817 mit Henriette v. Watzdorf aus dem Hause Wiesenburg vermählt hatte (nach deren Tode Josefine Clitie Galle 1830 seine Gattin wurde). Aus dieser Zeit schreibt sich die enge persönliche Freundschaft Zeschau’s mit dem damals ebenfalls im Geh. Finanzcollegium thätigen Prinzen, nachherigen König Johann. 1829 erfolgte seine Ernennung zum Bundestagsgesandten, aber schon im folgenden Jahre zog ihn der nunmehrige Minister v. Lindenau nach den mittlerweile eingetretenen Ereignissen von diesem seinen Thätigkeitsdrang wenig befriedigenden Posten wieder nach Dresden auf den eines Wirklichen Geheimraths und Oberconsistorialpräsidenten, um Zeschau’s Begabung für die Neugestaltung der innern Verhältnisse Sachsens nutzbar zu machen. Die Bedenken gegen Zeschau’s Versetzung in einen ihm bisher ganz fremden Wirkungskreis schlug der Mitregent Prinz Friedrich August mit den Worten nieder: „Zeschau ist zu allem gut brauchbar“. Derselbe bezeichnet später Lindenau als den Idealisten, den er gern höre, Z. als den praktischen Realisten, nach dessen Ansichten er gern handle. Diesem blieb jedoch keine Zeit, sich in dem neuen Amte einzurichten, denn kaum aus Frankfurt zurückgekehrt, erhielt er den Auftrag, sich in Gemeinschaft mit v. Wietersheim und Generalmajor v. Watzdorff nach Berlin zu begeben, um dort die Verhandlungen wegen Sachsens Anschluß an den preußischen Zollverein zu führen. Auch nach seiner schon im März 1831 erfolgten Ernennung zum Präsidenten des Geheimen Finanzcollegiums sowie im December desselben Jahres, nach Vollendung der Verfassung, zum Finanzminister (wozu er 1835 auch das Ministerium des Auswärtigen übernahm) ruhten diese mehrmals unterbrochenen und bei der in Berlin gegen Sachsen herrschenden „sehr gereizten, überaus mißtrauischen“ Stimmung schwierigen Verhandlungen in seiner Hand. Es gebührt Z. das Verdienst, die Zwangslage Sachsens, wie sie sich aus dem unmittelbar bevorstehenden Abschluß zwischen Preußen und Baiern ergab, erkannt und das unter diesen Verhältnissen einzig Richtige mit so viel Geschick durchgeführt zu haben, daß er manche wichtige Zugeständnisse von seiten Preußens erreichte. Am 30. März 1833 unterzeichnete er in Berlin den Vertrag, der die drei bisher bestandenen Zollvereine, den preußisch-hessischen, den sächsisch-thüringischen und den bairisch-württembergischen zum deutschen Zollvereine verschmolz. Anerkannt wurde dieses Verdienst durch Verleihung des Großkreuzes des sächsischen Civilverdienstordens, desgleichen eines bairischen und des preußischen Rothen Adlerordens, welchen letzteren er allein unter den Ministern der Vereinsstaaten erhielt.

Mit seiner Berufung an die Spitze der sächsischen Finanzverwaltung war Z. in den seiner Individualität vorzugsweise zusagenden Wirkungskreis gelangt. Er hat es seine Hauptaufgabe sein lassen, die gerade in diesem Fache durch die [107] Verfassung sowie durch den Beitritt zum Zollverein nothwendig gewordenen Neu- und Umgestaltungen mit möglichster Schonung erworbener Rechte zum Vollzug zu bringen. Vor allem galt es, da in vielen Verwaltungszweigen vollständige Specialetats und übersichtliche, für die neuen Verhältnisse brauchbare Voranschläge der Einnahmen und Ausgaben ganz fehlten, die Aufstellung eines vollständigen und klaren Budgets. Das dabei von Z. angenommene System der Beschränkung des Erfordernisses auf das unbedingt Nothwendige hat sich in solchem Maaße bewährt, daß es in seinen Hauptgrundzügen bis in die neueste Zeit die Grundlage der sächsischen Budgetaufstellung geblieben ist. Sein Werk vornehmlich war die Reform des gesammten völlig unzeitgemäßen Abgabenwesens, der indirecten Steuern, der Grundsteuer, die bei der gänzlichen Befreiung der Rittergüter und ursprünglich geistlichen Besitzungen von derselben geradezu unerträglich geworden war, ferner die Verbesserung des Geldwesens durch Tarifirung der infolge des Zollvereins neueingeführten fünf Steuern nach dem preußischen Münzfuße und die Annahme dieser Steuern in preußischem Gelde, die verbesserte Gebahrung mit dem Domanialvermögen des Staats, besonders den Forsten, die Organisation der Finanzbehörden mittelst Aufhebung des Obersteuercollegiums, dessen Geschäfte in der Hauptsache dem Finanzministerium überwiesen wurden. Im Verein mit Lindenau führte er die Verhandlungen wegen Beseitigung des abgesonderten Beitragsverhältnisses der Oberlausitz sowie die mit dem Gesammthause Schönburg, nachdem die Bestimmungen des Recesses von 1740 mit der neuen Verfassung und dem Zollverein unvereinbar geworden waren. Anregend und fördernd wirkte er auch in allen anderen Bereichen seines Departements; dem Projecte eines Eisenbahnbaus von Leipzig nach Dresden stand er anfangs zurückhaltend gegenüber, verschloß sich aber dann nicht dem sich damit vorbereitenden Umschwunge in den Verkehrsverhältnissen, sobald die wirthschaftlichen Resultate des Bahnbaues in[WS 1] deutlicheren Umrissen vorlagen.

Trotz dieser unleugbaren Verdienste erfreute sich Z. keiner Popularität, er galt vielmehr als die Seele des als reactionär mißliebigen Ministeriums Könneritz. Doch war gerade er es, der inbezug auf das Verfahren gegenüber dem Deutschkatholicismus zur größten Vorsicht und Unparteilichkeit rieth, um nicht durch Strenge die Theilnahme für denselben zu steigern, niemand ahnte auch, daß gerade Z. noch vor Ausbruch der Bewegung von 1848 aus eigenem Antriebe bereits den Rath ertheilt hatte, Zugeständnisse zu gewähren, da dies das sicherste Mittel sei, um die Führung der Ereignisse in der Hand zu behalten. Der Sturz des Ministeriums Könneritz bedingte auch Zeschau’s Rücktritt. Eine zweimalige, von Friedrich Wilhelm IV. persönlich unterstützte Aufforderung zur Uebernahme des preußischen Finanzministeriums im Cabinett Brandenburg-Manteuffel lehnte er ab, hauptsächlich aus Pietät gegen König Friedrich August, denn auch nach seinem Austritt aus dem Staatsdienste blieb er, namentlich in den verhängnißvollen Tagen vor dem Maiaufstande von 1849, zu diesem in nahen persönlichen Beziehungen. So kam es auch, daß der König ihn zum Vertreter Sachsens in dem durch das Dreikönigsbündniß vom 26. Mai 1849 errichteten Verwaltungsrath ersah; eine Mission, die ihm jedoch rasch verleidet wurde. Durchdrungen von der inneren Nothwendigkeit eines Zusammengehens Sachsens mit Preußen in politischen Fragen, und doch außer Stand, dem Radowitz’schen Unionsplan beizupflichten, immer an dem Grundsatz festhaltend, daß man vorerst mit Oesterreich ins Reine kommen müsse, und doch die Utopie von Schwarzenberg’s Siebzigmillionenreich ebenso wie die der Trias sehr wohl durchschauend und durch das Verhalten Oesterreichs zu der Warnung nach Dresden getrieben, „daß sich schon oft und besonders in den Jahren 1813–15 [108] das sächsische Vertrauen auf Oesterreich nicht bewährt habe“, unfähig den Schlangenwegen der Beust’schen Politik zu folgen, und darum betroffen über die ihm zugehenden Instructionen, die einer Vereitelung der Bundesverfassung gleichkamen, empfand er lebhaften Verdruß, „daß er in diese Angelegenheit hineingerathen“, zumal nachdem er mit seinem „Entwurf einer den deutschen Bundesstaat und Oesterreich vereinigenden Bundesverfassung“ weder in Dresden noch in Berlin Anklang gefunden hatte. Nicht ohne Schmerz schied er gleich dem Vertreter Hannovers nach Ueberreichung des Protestes gegen die Ausschreibung der Wahlen zum Erfurter Reichstage von Berlin und damit zugleich von seiner politischen Thätigkeit. Im November 1851 wurde ihm neben der schon seit 1849 bekleideten Stellung als Ordenskanzler das Ministerium des königlichen Hauses nebst der Aufsicht über das königliche Privatvermögen, seit 1853 auch die Direction der zum königlichen Hausfideicommiß gehörigen Sammlungen übertragen. Er starb 82jährig am 17. März 1870. – Verfaßt hat Z. die Schrift „Das Wirken der Staatsregierung und Stände des Königreichs Sachsen, nachgewiesen aus den Ergebnissen des ersten constitutionellen Landtags nach dem Eintritt der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831. Von Z. A. H.“ (Leipzig 1834).

v. Witzleben, Heinrich Anton von Zeschau. Leipzig 1874.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: iu