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ADB:Zeuner, Karl Ludwig

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Artikel „Zeuner, Karl Ludwig“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 129–131, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zeuner,_Karl_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:37 Uhr UTC)
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Zeuner: Karl Ludwig Z., Hauptmann, Colonialbeamter und Forschungsreisender, ist am 19. Juni 1852 als Sohn des Diakonus Heinrich Z. zu Emmendingen in Baden geboren. Den ersten Unterricht empfing er im elterlichen Hause. Als sein Vater die Pfarrstelle in Reichartshausen bei Heidelberg erhalten hatte, besuchte der Knabe seit 1859 die Elementatschule dieses Ortes. Er zeichnete sich vor allen seinen Mitschülern durch rasche und sichere Auffassungsgabe, gutes Gedächtniß und große Lebhaftigkeit aus. Sein Wunsch, sich eine höhere Schulbildung anzueignen, ging erst 1868 in Erfüllung, als der Vater zum Stadtpfarrer in Rastatt befördert wurde und den Sohn in das dortige Gymnasium eintreten ließ. Hier machte er infolge seiner ungewöhnlichen Begabung gute Fortschritte und zeichnete sich besonders in den Naturwissenschaften aus, doch bereitete er auch den Eltern durch seine Abenteuerlust und seinen Trieb in die Ferne manche Sorgen. Als 1870 der Krieg gegen Frankreich ausbrach, litt es ihn nicht mehr zu Hause und in der Schule. Ohne sich durch die abmahnenden Vorstellungen seines Vaters abhalten zu lassen, trat er als Freiwilliger in das 4. Badische Infanterieregiment Nr. 112 ein, lag mit diesem lange Zeit vor dem belagerten Straßburg und betheiligte sich an verschiedenen Gefechten. In der Schlacht von Montbeliard hatte er das Unglück, als er einem verwundeten Officier zu Hülfe eilen wollte, von den Feinden umzingelt und gefangen zu werden. Er wurde nach Besançon abgeführt und hier bis zur Auswechslung zurückgehalten. Dieses Mißgeschick vermochte indessen keineswegs seine Liebe zum Soldatenberufe abzukühlen. Vielmehr trat er wenige Wochen nach dem Friedensschlusse in die Kriegsschule zu Schloß Engers ein und wurde bereits am 15. August 1871 zum Portepeefähnrich, im folgenden Jahre zum Secondlieutenant und 1881 zum Premierlieutenant bei seinem früheren Regimente befördert, doch blieb während dieser Dienstjahre seine Sehnsucht, fremde Länder und Völker zu sehen, ungestillt.

Als 1884 die eben aufgenommene Colonialpolitik des deutschen Reiches ihre ersten Früchte zeitigte, begrüßte er sie mit aufrichtiger Freude und mit frohen Hoffnungen für die Größe des Vaterlandes und für seine eigene Zukunft. Er stellte sich dem Auswärtigen Amte zur Verwendung im Colonialdienste zur Verfügung, erhielt einen günstigen Bescheid und bemühte sich nun eifrig, seinen Gesundheitszustand zu verbessern und seine dienstliche Brauchbarkeit [130] durch das Studium der englischen Sprache und der Naturwissenschaften zu erhöhen. 1887 erhielt er die Aufforderung, sich an einer von Dr. Zintgraff geplanten Forschungsreise nach dem Hinterlande von Kamerun zu betheiligen. Er folgte freudig dem Antrage und fuhr am 1. October desselben Jahres mit Zintgraff von Hamburg ab. Beide langten glücklich in Kamerun an, warben Träger und Dolmetscher und beschlossen dann, auf verschiedenen Wegen nach dem Innern vorzudringen und sich am Elefantensee wieder zu treffen. Während Zintgraff zunächst den Rio del Rey, den Grenzfluß des deutschen und englischen Schutzgebietes, hinauffuhr und dann nach Osten zu durch den Buschwald zog, drang Z. zu Schiffe auf dem weiter östlich fließenden Mungo bis zum Dorfe Mundame und dann zu Lande in nordwestlicher Richtung nach dem Handelsplatze Kumba vor. Am Weihnachtstage 1887 traf er mit Zintgraff an dem in der Nähe dieses Ortes gelegenen Elefantensee zusammen. Nachdem sie mit den Eingeborenen Freundschaft geschlossen hatten, durchforschten sie die Umgegend des Ses und erbauten mit Hülfe ihrer schwarzen Träger in der Nähe des Südwestufers ein dauerhaftes Stationsgebäude, das sie nach einem unweit gelegenen Dorfe Barombi nannten. Während Zintgraf nun von hier aus zahlreiche Expeditionen in die nähere und weitere Umgebung unternahm, wurde Z. mit der Verwaltung der neugegründeten Station betraut. Er legte eine Reispflanzung an, begann Culturversuche mit allerhand europäischen und einheimischen Nutzgewächsen, beschäftigte sich mit Thierzucht, unterrichtete die Schwarzen in allerhand landwirthschaftlichen und technischen Fertigkeiten, brachte reiche naturwissenschaftliche Sammlungen zusammen und beobachtete mit Hülfe mitgebrachter meteorologischer Instrumente gewissenhaft die Witterungsvorgänge. Nachdem sich die Station unter seiner Obhut einige Monate hindurch vortrefflich entwickelt hatte und die Reisernte eingebracht war, unterstellte er sie der Aufsicht einiger zuverlässiger Neger und unternahm im Juli und August 1888 gemeinschaftlich mit Zintgraff einen Vorstoß nach Norden in die bisher unbekannten Landschaften Mabum und Banyang, sah sich aber infolge der Feindseligkeit der Eingebornen zur Rückkehr veranlaßt. Nachdem ihn die Verwaltung der Station wieder einige Monate beschäftigt hatte, übergab er sie dem unterdessen eingetroffenen Botaniker Dr. Preuß und brach am 26. Novbr. 1888 abermals auf, um eine Strecke weit in die unbekannten Gegenden im Osten vorzudringen. Er begab sich zunächst nach dem östlich vom Elefantensee gelegenen Dorfe Mambande, zog dann am Abhange der Dikukuembeberge hin, überschritt den Mungofluß und erreichte nach beschwerlichem Marsche den Ort Njansosso am Fuße des Bafaramigebirges, dessen höchste Erhebung, den Kuppé, er wegen ungünstiger Witterung nicht besteigen konnte. Nach Vervollständigung seiner naturwissenschaftlichen Sammlungen kehrte er hier wieder um und traf bereits am 2. December wieder in der Barombistation ein. Nach einer Pause von einigen Wochen brach er am 8. Januar 1889 abermals auf, um die Gegenden westlich vom Elefantensee kennen zu lernen. Er zog meist in nordwestlicher Richtung am Ostufer des Flusses Aksat bis zu dem wichtigen Handelsplatze Mujanke und erreichte von hier aus das große Dorf Bioko in der Nähe der Stromschnellen des Dokeri. Hier mußte er umkehren, da ein pfadloser undurchdringlicher Buschwald den Weitermarsch versperrte. Er begab sich zunächst auf demselben Wege wie vorher wieder nach Mujanke, schlug von hier aus einen nördlicher gelegenen Buschpfad ein und langte am 21. Januar glücklich wieder in der Station an. In den nächsten Monaten war er theils durch landwirthschaftliche Arbeiten, theils durch schwere Fieberanfälle verhindert, größere Excursionen zu unternehmen. Erst am 10. April 1889 brach er wieder mit einer Schar schwarzer Träger nach Osten zu auf, begab sich zunächst auf dem schon [131] im November des Vorjahres eingeschlagenen Wege nach Njansosso und zog dann immer am rechten Ufer des Dibombeflusses nach Süden zu bis Budiman am Flusse Wuri. Auf diesem fuhr er hinab bis Kamerun, stattete hier den Vertretern der Regierung persönlich Bericht über seine bisherigen Unternehmungen und Erfolge ab, versah sich mit neuen Vorräthen und kehrte dann den Mungofluß aufwärts nach seiner Station zurück. Hier begann ein schleichendes Fieber seine Gesundheit zu untergraben. Er sah sich deshalb genöthigt, wieder nach der Küste zu gehen und hier den Regierungsarzt zu consultiren. Dieser sandte ihn zur Erholung nach Deutschland, wo er sich bald völlig wiederhergestellt fühlte, so daß er bereits im Herbst 1889 von Hamburg aus die Rückreise nach Afrika antreten konnte. In Kamerun traf er unerwarteter Weise mit seinem Freunde Zintgraff zusammen, der eben, nachdem er lange Zeit für verschollen gehalten worden war, von seiner großen Forschungsreise nach Adamaua zurückkehrte und sich nun zur Erholung nach Deutschland begeben wollte. Mit frohen Hoffnungen und erfüllt von allerlei Plänen für neue gemeinsame Arbeit schieden sie am 29. Januar 1890 von einander.

Leider zeigte sich bald, daß die Genesung Zeuner’s nur eine scheinbare gewesen war. Kaum war er wieder auf seinem Arbeitsfelde eingetroffen, so erfaßte ihn das Fieber im verstärkten Maße. Auf dringenden Rath des Arztes sah er sich genöthigt, abermals die Rückreise nach Europa anzutreten. Aber sein geschwächter Körper vermochte der verzehrenden Krankheit nicht mehr lange zu widerstehen. Bereits am 23. April 1890 starb er auf der Rhede von Lagos. Die Colonialverwaltung verlor in ihm einen pflichttreuen Beamten von seltenen Fähigkeiten, die deutsche Afrikaforschung einen ihrer eifrigsten Pioniere.

Ein zusammenfassendes beschreibendes Werk über seine Expeditionen in das Hinterland von Kamerun hat er nicht hinterlassen, doch hat er ihren Verlauf in mehreren Aufsätzen geschildert, die in den „Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzgebieten“ (1, 1888, S. 38 bis 41; 2, 1889, S. 5–15, 38–44, 176–179) gedruckt sind. Ebendort finden sich auch einige von ihm theilweise in Gemeinschaft mit anderen Colonialbeamten entworfene Kartenskizzen (1, S. 199; 2, S. 7, 202), ferner sein Bild (1, S. 31; ein anderes steht auf Seite 130 des Zintgraff’schen Werkes über Nordkamerun, Berlin 1895) und anläßlich seines Todes ein warm empfundener Nachruf, verfaßt von seinem Freunde Zintgraff (3, 1890, S. 106–108). Seine meteorologischen Beobachtungen wurden theils in der eben erwähnten Zeitschrift (2, S. 133), theils im 3. Hefte der von der Direction der deutschen Seewarte in Hamburg herausgegebenen „Deutschen überseeischen meteorologischen Beobachtungen“ veröffentlicht. Am 4. Juni 1891 fand in Kamerun die feierliche Enthüllung eines Denkmales für die im Schutzgebiete in Ausübung ihres Berufes verstorbenen Beamten, Officiere und Gelehrten statt, auf dem auch Zeuner’s Name enthalten ist.