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ADB:Zimmermann, Reinhard Sebastian

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Artikel „Zimmermann, Reinhard Sebastian“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 291–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zimmermann,_Reinhard_Sebastian&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:25 Uhr UTC)
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Zimmermann: Reinhard Sebastian Z., Genremaler, geboren am 9. Januar 1815 zu Hagnau am Bodensee, als der Sohn eines Posamentiers, der nebenbei einen kleinen Spezereiladen und etwas Landwirthschaft betrieb, dessen Geschäft aber infolge der Kriege, bei Mißwachs und theueren Zeiten von [292] Jahr zu Jahr mit der zunehmenden Familie rückwärts ging. Trotzdem verlebte der kleine Reinhard eine fröhliche Jugendzeit am herrlichen See, in Feld und Wald, bis er zwölfjährig zu einem Vetter nach Meersburg in die Lehre kam und obwol gut behandelt, wenig lernte. Von da trat Z. 1835 in ein größeres Handlungshaus zu Remiremont (einst Reimersberg) in den Vogesen und dann zu Freiburg i/B., wo der schon längst geübte Trieb zu Zeichnen und Malen zum Durchbruch kam. Er lieferte als Autodidact viele Bildnisse, malte Miniaturen auf Elfenbein u. dgl., so daß er, trotz der Bedenklichkeiten seines Principals, den Entschluß durchsetzte, mit seinen kleinen Ersparnissen nach München zu gehen und sich dort ganz der Kunst zu widmen (1840). Trotz der geringen Förderung, die ihm an der Akademie zu Theil wurde, strengte er doch alle Kraft an, um nicht als Commis hinter den Ladentisch rückkehren zu müssen. Ganz auf sich selbst angewiesen, förderte ihn nur die Freundschaft des durch ähnliche Erfahrungen gestählten Thiermalers Robert Eberle. Der instinctive Wunsch sich als Maler anderswo weiter zu fördern, führte ihn nach der Schweiz, wo er durch Porträts genug erübrigte, um 1845 eine Reise nach Paris zu wagen. Obwol auch hier ohne eigentlichen Lehrer fand er doch so viel Anregung, um sich als Porträtmaler nicht allein anderthalb Jahre hindurch zu halten, sondern gewann auch die Mittel zu einer mehrmonatlichen Reise nach London. Den Rückweg wählte Z. über Belgien nach Constanz und München, wo er im Frühjahr 1847 selbständig als Genremaler zu schaffen begann und bald durch seinen feinen Sinn für Charakteristik, Zeichnung und Colorit, insbesondere aber auch durch den liebenswürdigen Humor seiner Bilder die verdiente Theilnahme der Kunstfreunde gewann und 1851 einen eigenen Hausstand begründete. Z. wählte seine Stoffe aus dem umgebenden Leben seiner Heimath, Fischer, Bauern, arme „Savoyardenknaben mit einem Affen“ (1848), eine heitere Scene aus dem badischen Freischaarenzug (1849), die „Vorbereitungen zu einem Feste“ (1850), eine „Gratulation“, „Tanzmusik im Gebirg“ (1851) und andere, meist humoristisch angehauchte harmlose Scenen und Sittenbilder, die bald den erwünschten Beifall fanden. Dergleichen paßte durchaus zu seinem bürgerlich soliden, jeder Extravaganz abgeneigten Charakter. Dazu gehörten die Vorbereitungen der durch Hagnauer Buben dargestellten „Heiligen drei Könige“ (1852), Erinnerungen an das Fischerleben am Bodensee, die sich durch Eindrücke vom Starnberger- und Wörthsee ergänzten. Auch holte er sich, ebenso wie der Landschaftsmaler Eduard Schleich, lange bevor es eine eigene „Dachauer Schule“ gab, schöne Stoffe von diesem hochgelegenen eigenartigen Markte oder aus dem Schleißheimer Schlosse, wo ihm das Staunen der in die dortige Galerie verirrten Landleute reichlichen Vorwurf zu einem heiteren, öfter variirten Bilde (1858) bot. Auch die „theuere Zeche“ (1854) in einer Bahnhofrestauration, die zur Abfahrt verspäteten Landleute, noch mehr die sonntägliche „Orchester-Scene“ auf dem Orgelchor der Meersburger Kirche (1854), wo in den dort Musicirenden lauter heimische, junge und alte Dilettanten in ehrlicher Treuherzigkeit agirten, erfreuten sich großen Beifalls. Man war der romantischen Ritter, der immer wiederkehrenden „Leonoren“ und „Goldschmiedstöchterlein“ satt, die Zeit der Dorfgeschichten stand in ihrem litterarischen Zenith und Z. war einer der Ersten, welcher selbe zur künstlerischen Ansicht brachte. Das ergreifende Sittenbild der „Musikanten“ (1856 gestochen von A. Schultheiß) fand gleiche Theilnahme; auch eine „Impfstube“ (1856), „Weinkneipe“ (1858), die ihren ersten Liebesbrief lesenden „Landmädchen“ und „Feiertagsschülerinnen“ (1859), „Wandernde Gaukler“ (1860), „Zeitungsleser“, der „Maler auf dem Lande“ (1862), „Italienische Musikanten“, „Politiker“ u. s. w. Um frisch zu bleiben weilte Z. nirgends zu lange, sondern liebte das Wandern, und lenkte seine Sommerfahrten ebenso nach [293] dem Schwarzwald wie in das bergfrische Allgäu. Besonders gelangen ihm auch die Kinderbilder, so eine große „Schusterwerkstätte“ im Waisenhaus zu Ottobeuern und eine „Kloster-Schneiderei“ aus Andechs. Nur einige Male verstieg er sich, durch die Interieurs des Würzburger oder Schleißheimer Schlosses zu Darstellungen von Concerten oder Tänzen aus der Rococozeit, zu einem ganz à la Flüggen mit Bittstellern aller Art staffirten „Vorzimmer eines Fürsten“ (1873), auch die Einquartierung modernen Militärs in ähnlichen Räumen reizte vorübergehend die heitere Laune des Malers, welcher jedoch gleich wieder zur Darstellung eines altbairischen „Schrannentags“, einer ländlichen „Stickschule“, einer „Gemeinderath-Sitzung“ oder einem „Kindtaufschmaus zurückgriff. Unbegreiflicherweise dauerte es sehr lange, bis Z. durch die vervielfältigenden Künste für weitere Kreise populär gemacht wurde. Bei seinem ersten Auftreten war die Photographie noch ziemlich unbehülflich; sie bemächtigte sich erst seiner späteren Erzeugnisse. Aber auch der Kupferstich und der echt volksthümliche Holzschnitt gingen lange ahnungslos an seinen Schöpfungen vorüber, während viele andere minderwerthigen Leistungen unverdiente Verbreitung fanden. Seine Arbeiten im Porträtfache hatten ihm als Zeichner großen Vorschub geleistet und sein Aufenthalt in Frankreich und Belgien den Farbensinn gezeitigt; er blieb aber immer mehr „Schilderer“ als Maler im heutigen Sinne, wie er denn auch alle Eleganz und Süßigkeit haßte und lieber bei seiner oft etwas eckigen Trockenheit und Ehrbarkeit verharrte. Dafür bahnte er seinen beiden Söhnen Alfred und Ernst Z. den Weg und freute sich, daß sie als Maler neue Erfolge erreichten. Z. setzte indessen seine Thätigkeit ununterbrochen fort und erhielt vielfache Ehren und Auszeichnungen, wurde zum badischen Hofmaler und Ritter des Zähringer Löwenordens ernannt. Z. machte mit seiner zweiten Gattin eine genußreiche Reise durch ganz Italien und brachte in sehr anmuthender, schlicht erzählender Weise seine „Erinnerungen“ in Schrift und Druck (München 1884). Sicherlich wurden die von ihm bearbeiteten und dargestellten Stoffe seither durch pikanter gemachte und genialer aufgefaßte Bilder vielfach überboten und übertroffen, man wird aber auch sie in ihrer treuherzigen und fast pedantischen Ehrlichkeit noch lange hochschätzen. Nichts lag ihm ferner, als sich irgendwie durch Reclame bemerkbar zu machen und seine Person hervorzudrängen. Z. war, wie Fr. Pecht zutreffend sagt „ein guter Patriot, solider und hochachtbarer Bürger, unverbrüchlich treuer Gatte und Vater; kurz, einer von denen, deren ein Staat nie zu viele, aber leider nur zu oft allzu wenige zählen kann. Mit der heutigen Auffassung des Künstlerberufs und ihrem raffinirten Virtuosenthum hatte seine anscheinend nüchterne und schwunglose, aber unendlich gemüth- und liebevolle, gewissenhafte Natur absolut nichts gemein. Dafür war sie deutsch durch und durch“. Z. starb nach kurzem Unwohlsein am 16. November 1893 zu München.

Vgl. Nagler 1852. XXII, 295. – Regnet, Münchener Künstler II, 303. – Pecht, Gesch. d. Münchener Kunst im XIX. Jh. 1888, S. 246. – Nr. 340 d. Allg. Ztg. v. 8. Dec. 1893. – Bericht d. Münchener Kunstver. f. 1893, S. 76 ff.