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ADB:Zwehl, Theodor von

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Artikel „Zwehl, Theodor von“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 518–520, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zwehl,_Theodor_von&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 04:25 Uhr UTC)
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Zwehl: Theodor von Z., bairischer Staatsmann, wurde geboren am 7. Februar 1800 zu Vallendar bei Koblenz als Sohn des kurfürstl. mainzischen Hof- und Regierungsraths und Oberarchivars Karl v. Z. Nachdem er 1818 das Gymnasium in Würzburg absolvirt hatte, bezog er die dortige Hochschule, um sich dem juristischen Studium zu widmen. Wegen Theilnahme an der verbotenen Burschenschaft 1824 in Untersuchung gezogen, weigerte er sich, seine Genossen namhaft zu machen. „Würde ich den Namen Mensch verdienen“, schrieb er in seinem Begnadigungsgesuch vom 23. August 1824, „wenn mein Herz nicht erbebt hätte bey dem Gedanken, daß ich das Werkzeug zum Unglück meiner Jugendfreunde werden solle?“ Er wurde zur Strafe aus Würzburg ausgewiesen und von allen bairischen Hochschulen ausgeschlossen, doch schon im nächsten Jahre begnadigt. 1826 bestand er die juristische Prüfung, 1831 erhielt er die erste Anstellung als Hülfsarbeiter im Ministerium des Innern. Dank seinem Talent für Verwaltung, hervorragender Arbeitskraft und einer ihn besonders auszeichnenden vornehmen Urbanität stieg er in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Stufen des Staatsdienstes empor. 1847 wurde ihm an Braunmühl’s Stelle das wichtige Amt eines Ministerialcommissärs an der Universität München, 1848 das Präsidium der Regierung von Oberbaiern übertragen, am 9. Juni 1849, also in schwierigen Zeitläuften, übernahm er das Ministerium des Innern. „Also doch Minister, Gott sei mit Dir“, schrieb damals an ihn sein Freund v. Thon-Dittmer, „möglich, daß es Deiner edlen und aufrichtigen deutschen Haltung gelingt, wie ein Spartaner zwischen blinkenden Schwertern zu tanzen und die Reizungen der Hofatmosphäre ebensowohl als die Gelüste nach Volksgunst gleichmäßig zu überwinden!“ Durch sein zugleich mildes und mannhaftes Auftreten erwarb Z. in der That das Vertrauen und die Zuneigung aller Volkskreise; er war Aristokrat, ohne die Camarilla zu begünstigen, Katholik, ohne zu den Ultras zu gehören, immer ruhig und in sicherer Ueberlegenheit, wenn auch mehr empfänglich und zu Anerkennung fremder Verdienste bereit, als von selbständiger schöpferischer Kraft. In noch verantwortlichere Stellung trat er ein, als ihm am 30. Novbr. 1852 die Leitung des Ministeriums des Innern für Kirchen- [519] und Schulangelegenheiten übertragen wurde. Ohne Zweifel liegt die eigentliche Bedeutung der Regierung König Maximilian’s II. in seinem Einfluß auf die geistige Entwicklung Baierns, und auch Z. hat rühmlichen Antheil an diesem Aufschwung zu beanspruchen. Mit dem sicheren Tact ausgestattet, den nur eigene Reinheit und Selbstlosigkeit verleiht, trotz bitterer Erfahrungen nicht wankend im Glauben an den Adel menschlicher Natur und deshalb, nicht aus Schwäche, ein Freund des vermittelnden Standpunktes in politischen und kirchlichen Fragen, war er vorzugsweise dazu geeignet, in einer Uebergangsperiode, wie es die Regierungszeit Maximilian’s II. für Baiern war, eine leitende Stellung einzunehmen. Braunwart richtet in einem im allgemeinen mit warmer Liebe geschriebenen Nekrolog gegen die ministerielle Thätigkeit Zwehl’s den Vorwurf, er habe zu wenig Energie und zu viel Sorglosigkeit inbezug auf das Staatsinteresse an den Tag gelegt. Auch sonst wol ist an ihm getadelt worden, daß er durch zuviel Rücksichtnahme und Duldung die clerikale Begehrlichkeit großgezogen und damit die späteren schweren Conflicte zwischen Staatsgewalt und Kirchenthum heraufbeschworen habe. Doch die Ueberhebung ultramontaner Mächte war nicht eine auf Baiern beschränkte Erscheinung, sondern erwuchs überall aus der reactionären Politik der Cabinette in den fünfziger Jahren. Auch war Z. an den Willen des Monarchen gebunden, der trotz Bluntschli und Doenniges den engen Bund zwischen Thron und Altar keineswegs aufgeben wollte. Aus Zwehl’s Verwaltungsperiode stammt das in der Geschichte des bairischen Unterrichtswesens epochemachende Schulgesetz vom 10. November 1861, wodurch vor allem das Verhältniß zwischen Lehrern und Gemeinden zum ersten Mal fest geregelt wurde. Den Anstoß gab ein Handbillet vom 4. Juni 1855, worin der König dem Minister die Frage vorlegte, ob nicht die Schüler mit zu viel Wissenskram, insbesondere zu viel Memorirstoff beladen seien. Die Folge war, daß durch einen neuen Schulplan das ganze Lehrgebäude auf einfacheren Grundsätzen aufgebaut wurde. Auch den Gymnasien wurde regerer Eifer zugewendet; die glänzendsten Erfolge aber wurden auf dem Gebiete des Hochschulwesens erzielt; insbesondere die Universität München erfuhr eine Neubelebung und Neugestaltung von glücklichster Bedeutung. Ohne auf politisches und kirchliches Bekenntniß der Lehrer zu achten, wurden damals Liebig, Siebold, Sybel, Cornelius, Pfeufer, Brinz, Bischoff, Jolly, Riehl, Giesebrecht, Windscheid und andere hervorragende Gelehrte ersten Ranges nach München berufen. Allerdings ist der Gewinn so vieler hervorragender Lehrkräfte nicht in erster Reihe das Verdienst des Ministers; immerhin unterstützte Z., der selbst für alle wissenschaftlichen und litterarischen Erscheinungen reges Interesse zeigte, den königlichen Mäcen mit Verständniß und redlichem Bemühen – es sei nur an die nach Riehl’s Berufung zwischen König Max, Riehl und Z. gepflogenen eifrigen Verhandlungen über Organisirung der staatswissenschaftlichen Studien in Baiern erinnert. Auch an der Gründung der historischen Commission hatte Z. bedeutsamen Antheil, und was ihm das Nationalmuseum zu danken hatte, wurde von Aretin und Hefner-Alteneck rühmend anerkannt. Wie ihm die öffentliche Meinung manches in die Schuhe schob, woran er keine Schuld trug, so wurden von Andern manche Ehren eingeheimst, die den gewissenhaften, gründlichen Vorbereitungen und Vorarbeiten des Ministers gebührt hätten. Vor allem trachtete er nach Erhaltung des confessionellen Friedens im Lande; nur dadurch, daß diese Bemühungen trotz der Massenberufung von norddeutschen Protestanten zu den wichtigsten und angesehensten Stellen überraschend lange Zeit erfolgreich blieben, war die ruhig fortschreitende Entwicklung Baierns auf allen geistigen Gebieten ermöglicht. Als sich die politischen und kirchlichen Gegensätze schärfer zuzuspitzen begannen, war ein Minister, der sich von activer Theilnahme an [520] solchen Fragen so viel wie möglich fernhielt, der sich nur als Fachminister und als Vollstrecker der Befehle seines Herrn betrachtete, der in der Kammer nicht als Redner glänzte, die Benützung der Presse ablehnte und auf Angriffe grundsätzlich nicht reagirte, nicht mehr am Platze. Dies fühlte Z. selbst am besten. Als er deshalb bald nach dem Regierungsantritt Ludwig’s II. – aus Anlaß einer ultramontanen Kabale – seine Entlassung nahm und ein liberales Organ dazu bemerkte, der Abschied werde von keiner Partei bedauert, war er selbst mit diesem Urtheil ganz zufrieden: „Es enthält für mich nur ein Lob, denn ich habe eben zu keiner Partei gehören und keiner Partei dienen wollen!“ Am 29. Juli 1864 wurde er der Leitung des Cultusministeriums enthoben, am 10. August zum Präsidenten der Regierung von Oberfranken ernannt. Die Besetzung des Districtes durch preußische Truppen im Sommer 1866 bot dem leitenden Verwaltungsbeamten Gelegenheit, Proben seiner bekannten weltmännischen Erfahrenheit und einer Viele überraschenden Entschlossenheit abzulegen; er war eben nur scheu und zurückhaltend, wenn es sich um politisches oder bureaukratisches Gezänk handelte, dagegen willensstark in Fällen außerordentlicher Natur, wo die Persönlichkeit mehr bedeutete als die wohlconditionirte Amtsgewalt. 1868 wurde Z. als Regierungspräsident nach Augsburg, 1870 in gleicher Eigenschaft nach München versetzt. Bis in das höchste Alter blieb er der warmblütige Gemüthsmensch, der die Pflichten seines Berufs ebenso mit dem Herzen, wie mit dem Kopfe zu erfüllen trachtete, ein loyaler Staatsbürger, ein treuer Freund, der zärtlichste Gatte und Vater. Dreißig Jahre lang verbrachte Z. mit seiner zahlreichen Familie in jedem Herbste ein paar Wochen in dem freundlichen Flecken Miesbach, für Bürger und Landmann ein immer willkommener Gast. Im Herbst 1875 zog er sich durch eine für den Hochbetagten allzu anstrengende Bergbesteigung eine Krankheit zu, von welcher er sich nicht mehr erholen sollte. Wenige Tage vor seinem Tode richtete er an den in München versammelten Landrath rührende Abschiedsworte; die Mitglieder gaben in einer Adresse den Gefühlen treuer Ergebenheit und Verehrung Ausdruck; dieser Dank war die letzte Freude, die dem edlen Manne zu Theil wurde; am 17. December 1875 verschied er.

(Ludwig von Braunwart) Nekrolog in der Beilage zur Allg. Zeitung, Jahrg. 1876, Nr. 41. – Bayr. Kurier, Jahrg. 1876, Nr. 55–56. – Briefe aus dem Nachlaß Th. v. Zwehl’s und Mittheilungen der Familie.