Zum Inhalt springen

ADB:Zöllner, Johann Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zöllner, Johann Friedrich“ von Friedrich Wienecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 423–425, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Z%C3%B6llner,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 08:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 55 (1910), S. 423–425 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Friedrich Zöllner in der Wikipedia
Johann Friedrich Zöllner in Wikidata
GND-Nummer 104197102
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|423|425|Zöllner, Johann Friedrich|Friedrich Wienecke|ADB:Zöllner, Johann Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=104197102}}    

Zöllner: Johann Friedrich Z., preußischer Oberconsistorialrath und Propst an der St. Nikolaikirche zu Berlin, wurde am 24. April 1753 zu Neudamm in der Neumark als Sohn eines königlichen Försters geboren. Waren auch die häuslichen Verhältnisse schlicht und einfach, so machte es der Vater doch möglich, ihm einen Informator zu halten. Die Wahl war keine glückliche; die pietistische Denkungsart und die mechanische Lehrweise waren dem munteren und aufgeweckten Knaben zuwider. In dem Rector der Stadtschule, dem späteren Inspector Gossow, erhielt er einen besseren und würdigeren Lehrer, der nicht nur sein Wissen bereicherte, sondern auch sein Denken und Wollen national beeinflußte und ihn in dem Enthusiasmus für Friedrich den Großen, den sein Vater in ihm entfacht hatte, bestärkte. Z. besuchte zur weiteren Vorbildung noch die Oberschule in Frankfurt a. O. und bezog wohl vorbereitet 1770 die Universität daselbst, um Theologie und Philosophie zu [424] studiren. Der Professor Töllner, der stets den aufstrebenden Geistern ein wahrer Freund und Berather war, förderte auch sein Studium. Aus dem geliebten Lehrer wurde bald ein väterlicher Freund, und Z. hat ihm die empfangenen Wohlthaten durch Fürsorge für seinen kranken und schwächlichen Sohn redlich vergolten. Nach vollendetem Studium leitete er die Ausbildung der Barone v. Kottwitz, machte mit ihnen Reisen durch Deutschland und dachte daran, selbst die akademische Lehrthätigkeit aufzunehmen. Der Drang, sich weiter auszubilden, führte ihn nach Berlin und bewog ihn, von dem Plan Abstand zu nehmen. Durch den Minister v. Zedlitz erhielt er die Stelle eines Predigers an der Charité und bald darauf das Diakonat an der Marienkirche. 1788 ernannte ihn der König zum Propst an der St. Nikolaikirche und zum Oberconsistorialrath. War er auch so von dem ursprünglichen Vorsatz, sich dem Lehrfach zu widmen, abgekommen, so boten ihm doch seine neuen Aemter reichlich Gelegenheit, auf dem Gebiet des Schulwesens thätig zu sein. 1786 beauftragte ihn Friedrich Wilhelm II., ihm über das in Westdeutschland blühende Industrieschulwesen Bericht zu erstatten, und 1793 veranlaßte er ihn, zu dem gleichen Zweck eine Reise nach Hamburg zu unternehmen. Der Auftrag hing mit der geplanten Reform des Garnisonschulwesens zusammen; das Ergebniß der Reisen ist nicht bekannt geworden. Im Verein mit den Oberconsistorialräthen Spalding, Teller, Büsching, Sack und Gedike bekämpfte er die Maßnahmen des Ministers v. Wöllner und bewies in seinen Berichten an das geistliche Departement, wie diese zur Verdummung und Heuchelei führen müßten. Der Haß des allmächtigen Ministers war wirkungslos, da der König Z. hoch schätzte und bei jeder Gelegenheit auszeichnete. Der Minister v. Massow berief ihn an Stelle Meierotto’s 1800 in das Oberschulcollegium. Hier bearbeitete er das Schulwesen in den östlichen Provinzen und begleitete 1802 den Minister auf seinen Informationsreisen nach Ost-, West- und Neuostpreußen. Nach dem Tode Gedike’s wurde Z. der geistige Leiter dieser Behörde. Doch die Arbeitslast brach die Arbeitskraft; der Tod setzte am 12. September 1804 seinem reich gesegneten Leben das Ziel.

Obgleich Z. als Prediger beliebt, als Seelsorger gesucht und als Theologe geschätzt war, liegt doch seine Bedeutung nicht auf diesem Gebiet, sondern auf dem der Schule und der Volksbildung, für die er durch Wort und Schrift, durch Amt und Beruf bis an sein Lebenssende höchst segensreich gewirkt hat. In seinem „Lesebuch für alle Stände“, Berlin 1782–1804, 10 Bände, bietet er populäre Aufsätze aus allen Wissensgebieten. Besonders anziehend sind seine Schilderungen über Helgoland, auf das ihn sein junger Freund Alexander v. Humboldt aufmerksam gemacht, und das er gelegentlich seines Aufenthalts in Hamburg 1793 besuchte. Im Jahre 1784 erschienen seine „Wöchentlichen Unterhaltungen des Wissens über die Erde und ihre Bewohner“. Es sind Abhandlungen aus den Gebieten der Naturbeschreibung, Physik, Chemie und der mathematischen Geographie, die in gemeinverständlicher Form den Lesern geboten werden, und Aufsätze über das Seelenleben des Menschen, wie Gedächtniß, Phantasie, Vernunft, Charakter u. s. w., auch durch sie trat er in den Dienst der allgemeinen Volksbildung. Sein Werk über „Spekulative Philosophie“ will der Verbreitung der „Kant’schen Sätze und Ideen“ dienen. Von culturhistorischem Werth sind seine Werke „Reise nach Pommern und Rügen“ und „Reise nach Schlesien, Glatz, Galizien und Polen“. Das bedeutendste Werk Zöllner’s ist das „Ueber Nationalerziehung“, Berlin 1804. Das Werk sollte zwei Theile umfassen, doch ist nur der erste, der theoretische, erschienen; an der Herausgabe des zweiten, des praktischen, hat ihn sein Tod gehindert. Er gibt zunächst den Begriff der Erziehung: „Erziehung ist fortgesetzte, [425] absichtliche Mitwirkung, den Menschen im jugendlichen Alter vorzubereiten, daß er das werde, was er in seinen reiferen Jahren sein soll“ – ihre Mittel: „Belehrung, Beispiel und Uebung“ – und ihr Ziel: „vernünftige, sittliche und glückliche Menschen zu bilden“ – und weist die Bedeutung der einzelnen Unterrichtsfächer für sie nach. Bemerkenswerth ist, daß er in diesen Ausführungen Stellung zu den Pädagogen Olivier und Pestalozzi nimmt. Er theilt nicht die Begeisterung, die man für sie allgemein hegt. Die Methode des ersteren hält er für „unzweckmäßig“ und die Lehrart des letzteren nicht für geeignet, „die Jugend so zu bilden, wie sie nach richtigen Erziehungsgrundsätzen gebildet werden muß.“ Die spezielle Nationalerziehung kann nur durch Pflege der Muttersprache, durch Erzeugung richtiger Grundsätze und Ideen und durch Erweckung der Vaterlandsliebe geschehen. Daher sind methodisch gebildete Lehrer anzustellen und die Glieder der Schulgemeinde zur Mitarbeit (Schulcommissionen) heranzuziehen. Allen Unterrichtsveranstaltungen muß die Volksschule als Grundlage dienen, in der Reiche und Arme, Beamte, Kaufleute und Gelehrte ihre erste Bildung empfangen. Von ihr zweigen sich die Fachschulen für Handwerker, Beamte, Officiere u. s. w. ab; für Kinder mit organischen Fehlern, Taubstumme, Blinde, müssen individuelle Schulen errichtet werden. Nur durch einen solchen organischen Zusammenhang des Schulwesens kann der Staat das erreichen, was zu seiner Existenz unbedingt nothwendig ist: „seine Bewohner national zu erziehen“.

Charakteristik einiger jetzt lebender Preußischen Geistlichen. Germanien 1796. – Biester, Gedächtnißrede auf Zöllner. Vorgelesen am 24. Januar 1805 in der Akademie der Wissenschaften. – Acten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin „Die Landgnadenschulen in der Churmark und in Pommern“.