Ae Schreck’nstog aus alter Zeit

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Autor: Louis Kühnhold
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Titel: Ae Schreck’nstog aus alter Zeit
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aus: Erzählungen vom Oberharz in Oberharzer Mundart. Heft 1.
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[13]
Ae Schreck’nstog aus alter Zeit.


     Aenst hatte ä berihmter Gelehrter prowezeit,
De Walt blieb nett me lang vor de Leit,
Dänn alle Anzäng schpreng d’rfir,
Dasses balle verbei wär mit Mänsch un Thier, —

5
Ein grußer Komet, dar wär in Sicht
[14]

Un brechte mit’s jüngste Gericht,
Pletzlich fiel’r of der Ard dänn runter,
Sie greg än Ruck, husch, ging se unter!

     Gena beschrieb ’r nu a de Zeit,

10
Domit gena Beschäd wußt’n de Leit

Un noch kunt’n laam in Fräd un Lust
Bis zu dann Tog d’n 12. August.

     Kaum war dis Alles nu bekannt,
Do kam Jeder außer Rand und Band

15
Un guckte aus diss’n Waltgetimm’l

Mit frumme Aang nu zum Himmel.
Un dachte, ach, wie wärsch ower schien
Kännte ich in Gnad’n untergieh’n.

     Die Reing[1] saat’n zum Arme Brieder,

20
Aes sog Käner me mit Huchmuth nieder;

Iwerhaupt broch äne Zeit jetzt aan,
Wie se unner Gott schtets will haan.

     A bei uns hie in unnern Ort
War aller Neid un Huchmuth fort,

25
Dänn Jeder war sich salwer bewußt,

Das Gleichhät war d’n 12. August.

     So hatte sich kaum d’r arschte Schreck gelegt,
Du wur nu all vielfach angefregt,
Oeb nett äne Versammling mol schtattfänd,

30
Wu beschproch’n wir dos schreckliche Aend.


     ’s dauerte nu a nett lang
Un äne Beschpraching war in Gang;
Hie kunnte m’r här’n viel schiene Red’n,
Dänn anhärn thate m’r a Jed’n.

[15]
35
Jeder sollte seine Mäning saan,

Wosse dann Tog nu finge aan.

     Jetzt gings dänn ower a schmalich luß,
Schpetak’l wur riesig gruß,
Bis dasses huß of äner Schteet:

40
„Pst, Stille, d’r Harr Borgemäster hellt ’ne Red!“


     Un schtille wursch wie in d’r Karrig,
Kä Laut war zu här’n in Annerschbarrig.

     Gewichtig un mit fest’n Schritt
Trot es Ewerhaupt in d’r Barger[2] Mitt’,

45
Un schproch mit kräftig haller Schtimm:

„Mitbarriger, disse Zeit ward schlimm,
Uns All’n is gewiß schlacht zu Muth,
Drim gläb ich, mir thun Alle gut
Wänn Jeder noch thutt seine Flicht,

50
Domit bei d’n jingsten Gericht

D’r Petrus uns zur Fräd muß saan:
De best’n Mänsch’n kame aus Annerschbarrig aan!“

     Kaum hatt’r disse Worte geschproch’n,
Do wur es Schtilleschweing unterbroch’n.

55
Dänn jetzt gings luß mit Schluchz’n un Heiln[3],

Un Viele song m’r zum Redner eiln
Un drickt ’ne warm bäde Händ
Vor dar schiene Red noch korz vorn Aend;
’s seifzt’n de Junge un es seifzt’n de Alt’n:

60
„Ach, kännt m’r blus dann Mann behalt’n!“


     Trotz Trauer kam doch mit Fräd’nszeit
Hauptsachlich vor Bark- un Hitt’nleit,
Dänn gleich huß es: „Die in Puchrich[4] un Wesch,
Verdiene von jetzt aan taglich finnef Gresch.“

[16]
65
     Wie frät’n sich de Junges iwer diss’n Gald,

Wärsch blus nett su nahnt vorn Aend d’r Walt.

     Jetzt bei d’r Obnahm[5] in tief’n Schacht
Wur Alles zu Arbt’rsch Vorthäl gemacht;
Wänns fahlte, wur Stuff[6] verännert oder zugelegt

70
Ohne daß d’r Heier[7][WS 1] hette angeregt,

Un begänte m’r sich in Hauf
Erklang schtets freindlich d’r Gruß „Glick auf!“
Dänn Viele fihlt’ns in d’r Brust:
Aes sog schlacht aus d’n 12. August.

75
     Salwer of d’r Hitt mußte Jeder saan:

„Aene anre Zeit bricht vor uns aan!“
Dänn Alle, sugar in d’n best’n Jahr’n,
Sollt’n ju käne schwär’n Karrn me fahr’n,
Jeder sollte schune seine Brust,

80
Domit Käner wos markte d’n 12. August;

Uewerhaupt wur Alles su eingericht,
Daß Jeder zeigte ä freindlich Gesicht.

     Un nu wur gar hie de Karrich[8],
Of änmol zu klän vor Annerschbarrig,

85
Dann Alle die sind von Karrich nischt gewußt,

Die trieb jetzt de Angst vorn 12. August.

     Su war nu d’r Summer reingebroch’n —
Vorn 12. warns blus noch zwä Woch’n, —
M’r sog nett me ä frädig Gesicht,

90
Jedes war betribt zum Himm’l gericht.

Veränsamt log hie Fald un Flur,
Von Faldarb’t zu sahn käne Schpur,
Dänn Jeder hatte sich gedacht,
Aene Arnd ward doch nett eingebracht.

[17]

95
     Gemithlich verging de Zeit nu nog un nog

Bis dasser anbroch dar ensetzliche Tog;
Familienweis wur sich gruppirt,
Von Ass’n[9] nischt mee angerihrt,
Feierliche Schtille of Schtroßen un in Haus,

100
Sugar d’r Hart’[10] trieb nett me aus,

Mit Angst wur d’r Uhr geguckt,
Dänn d’r Zeiger war gans nahnt geruckt.

     Un jetzt, — jetzt that ’s d’n arscht’n Schlok,
Nu broch’r aan dar schreckliche Tog! —

105
     Hall glänste d’r Komet an nachtling Himmel,

Un Grobschtille, wu sinst Mänsch’ngetimm’l;
Fest hul’n sich Elt’rn un Kinner imschlunge,
Bleischwär war’n de Mänsch’nzunge,
Nett Aener kunnte ä Wort raussaan,

110
Dänn Jeder hul d’n Od’n aan

Un lauerte un lauerte of Posauneton,
Of dann Zäng zu kumme vor Gottesthron. —

     In disser Schtimmung v’rging de Nacht,
De Sunne ging auf in ih’rer Pracht,

155
Doch schtille bliebs in jeden Haus,

Mitunter broch blus ä Seifzer aus.

     Su wursch dänn nu all Mittogszeit,
Ae Jeder war nu of’s Schlimmste bereit, —
Un ach, jetzt pletzlich, von d’n Schtroßen

160
Erschallt dänn jetzt Posaune blosen

Un graßlich erteent es Geschrei:
„Ach liewer Gott, schtieh uns bei!“

[18]

Ja v’rbei warsch mit ’n Untergang,
Dänn m’r hur bei’n Posauneklang

165
A mannige bekannte Melodie

Wie: „Freud Euch des Lebens“ un „So wie noch nie!“
Un schlacht wur geschpielt iwer alle Moßen,
Su kunt’n doch käne Eng’ls blosen.

     Un richtig, har warsch, dannse drauß’n fand’n

170
Nämlich d’n Kornzettel — so hußen vier Musikant’n —

Von dann wur friher alle vier Woch’n
In Ann’rschbarrig imm’r viergeschproch’n
Un immer kame se zu äner Zeit
Wu d’r Zettel[11] war bei Bark-[WS 2] un Hitt’nleit;

175
Un weil nu de Zeit war wieder vergange,

Su kame se ohne Forricht[12] un Bange
Un hatt’n, wänn sinst driwer jutizirt,
Dismol Alles zum Guten gefihrt;
Dänn gans gut verging d’r 12. August

180
An fruh schlug ’s wieder in jeder Brust.

  1. Reing = Reichen.
  2. Barger = Bürger.
  3. Heiln = Weinen.
  4. Puchrich = Pochwerk.
  5. Obnahm = Abnahme der gelieferten Arbeiten.
  6. Stuff = Stufe: Meßzeichen bei Gedingheuern.
  7. Heier = Hauer.
  8. Karrich = Kirche.
  9. Ass’n = Essen.
  10. Hart’ = Hirte.
  11. Kornzettel = fester Preis des Kornes für die Berg- und Hüttenleute.
  12. Forricht = Furcht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage Heuer, vermutlich aber Hauer für Bergmann.
  2. Fehlender Bindestrich eingefügt