Alles schon dagewesen!

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Autor: unbekannt
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Titel: Alles schon dagewesen!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 825-827
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Alles schon dagewesen!

Obgleich wir unserer Zeit durch das Sprüchwort: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ ein zu starkes Armuthszeugniß ausstellen, ist es doch richtig, daß die meisten unserer stolzen Erfindungen, Entdeckungen und Fortschritte nur aufgewärmte alte Geschichten, ja sogar Abschwächungen alter Originale sind. Mit unsern kühnsten Fortschritten in der „Freiheit“ erreichen wir noch lange nicht das älteste, deutsche, freie Gau- und Gemeindeleben, dessen sich unsere Bärenhäuter von Vorfahren erfreuten, ehe Christus geboren und die Hermann-Schlacht gewonnen ward. Unsere glorreichsten Erfindungen, Schießpulver, Buchdruckerkunst, Dampf als Pferdekraft etc. sind zum Theil schon vor Jahrtausenden gemacht worden. Hero von Alexandrien spielte schon vor 2 Jahrtausenden mit Dampf als einer bewegenden Kraft, die Chinesen schossen mit Pulver wohl 800 Jahre früher, als es in Deutschland einen Berthold Schwarz gab, und sie druckten Bücher, als die abendländische Welt weder Papier noch Tinte und Feder kannte. Sie curirten Krankheiten durch Brennen (moxa) und Stechen der Haut schon vor Christi Geburt, eben so wie die Japanesen, Indier und Libyer. Diese Brenn- und Stech-Praxis kam in Europa erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts als etwas ganz Neues zum Vorschein, und erst vor Kurzem ließ sich ein deutscher Arzt ein Instrument, das aus Nadeln und einer Sprungfeder besteht und womit man rheumatische und gichtische Haut „zu neuem Leben erweckt“, – patentiren.

Künstliche Unempfindlichkeit bei Leidenden und Kranken wußten schon die alten Egypter, Griechen und Römer zu erzeugen, wenn auch nicht durch Chloroform, wohl aber durch den Saft der Mandragora, die jetzt in der Liste officineller Apothekerkräuter gestrichen ist. Der berühmte Paracelsus sprach schon das Princip der Homöopathie aus, da er an einer Stelle wörtlich rieth, man solle Gleiches durch Gleiches vertreiben, und der alte Arzt Avicenna prakticirte schon 500 Jahre vor Hahnemann als Homöopath, da er hauptsächlich die tödtlichsten Gifte in unendlich kleinen Dosen als Arznei gab. Der berühmte Philosoph Cartesius tödtete sich durch Anwendung des homöopathischen Princips in großen Dosen: er wollte sich ein Fieber durch wiederholtes Einnehmen großer Quantitäten Alkohol curiren und starb daran.

Der Kaiser Augustus, unter dessen Regierung Christus geboren ward, ließ sich von Prießnitz, dem großen Wasserdoctor, curiren, wenigstens von dem ersten Hydropathen Musa Antonius. Der Kaiser ließ ihm dafür eine bronzene Statue setzen. Freilich den Neffen des Kaisers, Marcellus, tödtete er durch seine kalten Douchen.

Macadamisirung der Straßen und öffentlichen Wege, in Europa erst während dieses Jahrhunderts als etwas ganz Neues auftretend, [826] war bei den alten Römern schon Jahrhunderte vor Christi Geburt etwas Altes und Gewöhnliches. Sind aber Heiraths-Bureaux nichts Neues? Vielleicht in der Praxis, aber die Idee dazu gab schon der alte griechische Philosoph Plato in allem Ernste und in der Absicht, Ehen zu erleichtern und die Wahl auf vorhergegangene Prüfung und genauere Bekanntschaft zu gründen.

Selbst was nur als eine Blüthe des ganz modernen Handelns und Schacherns, Anpreisens und „Puffens“ erscheint, das marktschreierische Anzeige-Unwesen, ist bei den Chinesen nicht nur sehr ausgebildet, sondern auch schon alt. Die chinesischen Doctoren der Medicin und Heilkunst haben ungeheure Schilder vor ihren Thüren mit großen goldenen und buntgemalten Buchstaben und innerhalb ihre „Bjans“ d. h. Verzeichnisse von Tausenden, die durch sie und ihre Mittel vom Tode gerettet wurden. Aehnliche Pufferei ist unter andern concurrirenden Professionen und Händlern in den verschiedensten, schreienden Formen ganz an der Tagesordnung. Vor mehr als tausend Jahren waren die Wände Roms mit ungeheuren Placaten geschmückt, farbigen, gemalten Theaterzetteln, Einladungen zu Gladiator-, Wett- und Gaukelspielen aller Art, wenn auch nicht von Papier, aber doch von Holz, das man oft in größter Ausdehnung anwendete und schwarz und roth bemalte, um gehörig zu „puffen“. Gedruckt wurde noch nicht, insofern es sich um Anzeigen und Bücher handelte, aber die Druck- und Setzerkunst war nicht nur bekannt, sondern auch im Gebrauch. Die Töpfer und sonstige keramische Künstler pflegten bei den alten Römern schon lange vor Christi Geburt mit Hülfe beweglicher Lettern und Zeichen ihre Namen und Devisen auf Geschirre und Vasen zu drucken.

Wir könnten dieses Thema noch weiter und in größern Einzelheiten verfolgen, wollen uns aber hier damit begnügen, das hohe Alter und die große Verbreitung des während der letzten zehn Jahre als ganz neu und unerhört auftretenden Tischdrehens und Geisterklopfens nachzuweisen. Unter den egyptischen Priestern wurde die geisterhafte Tischdreherei schon Jahrtausende vor Christi Geburt betrieben. Von ihnen ging das Geschäft auf griechische und römische Geistliche und Betrüger über. Bei den Römern war schon vorher die Sieb-Dreherei Mode gewesen. Später kamen die Dreifüße und Tische an die Reihe. Marcellinus, der unter dem Kaiser Diocletian wegen der Verfolgung vom Christenthume wieder zum Heidenthume überging, verfolgte und denuncirte die damaligen Christen besonders wegen ihrer Praxis mit „mensae divinatoriae“, göttlichen, weissagenden, redenden Tischen. Schon Tertullian eiferte gegen die Sieb- und Tischdreherei und alle Personen, „die an Engel und Dämonen glauben und sich von Ziegen und Tischen wahrsagen lassen.“

Aus den Zeiten des Kaisers Valens ist noch ein Actenstück übrig, in welchem eine mysteriöse Tischdreherei für Offenbarungszwecke genauer beschrieben ist. Unzufriedene hatten sich gegen das Leben des Kaisers verschworen und waren entdeckt worden. Im Verhör gestanden sie, daß sie einen „prophetischen Tisch“ um Rath gefragt hätten, um die rechte Art und Weise der Ermordung zu hören. Eine Stelle ihrer Aussagen lautet: „Erhabene Richter, wir haben einen kleinen Tisch nach Muster des Dreifußes, auf welchem das Orakel zu Delphi weissagte, gebaut und ihn mit feierlichen Sprüchen und Zweigen des heiligen Lorbeer geschmückt. Nach Vorschrift alter Gebräuche haben wir ihn mit verschiedenen Zierden umgeben und ihn mit Zauberformeln, mystischen Versen und Talismans geheiligt. Nachdem dies geschehen, ließen wir ihn sich bewegen.“ Nach einem weiteren Berichte über ihr Verfahren beschreiben sie die Art, wie sie das Zimmer und das Haus, worin der Tisch seine Weisheit leuchten lassen sollte, reinigten und läuterten, und wie die metallische Grundlage, auf welcher er stand, beschaffen war. Am Rande dieser Grundlage ringsum waren die 24 Buchstaben des Alphabets eingegraben und zwar in gleichen Entfernungen von einander. Mit Hülfe dieser Buchstaben gab der drehende und tanzende Tisch dem Fragen stellenden Priester seine weisen Antworten, die wenigstens für weiser gehalten wurden, als alle Gedanken und Vernunftgründe der „mit Geist begabten“ Menschen. Der Priester war ganz weiß gekleidet und hatte einen Zweig Eisenkraut in der Hand. Vom tanzenden Tische hingen Ringe herab, von denen manchmal einer einen Buchstaben unten berührte. Der Priester schrieb jedesmal einen solchen Buchstaben auf und stoppelte endlich so eine Antwort auf seine Frage zusammen. Für Erzeugung der geheimnißvollen Kraft, welche dem Tische Bewegung gab, galten, wie auch beim modernen Spiritualismus, die aufgelegten Hände von Frauen, Mädchen und Kindern für die wirksamsten. Die Verschwörer unter Valens hatten sich freilich wegen der Heimlichkeit unter sich und ohne weibliche und Kinderhände behelfen müssen. Ihr tanzender Tisch schlug mit seinen klimpernden Ringen zuerst hintereinander die Buchstaben Th und E, als er Antwort auf die Frage geben sollte, wer der rechte Nachfolger des Valens sei. Nach allgemeiner Ansicht war es Theodorus. Dies glaubten auch die Verschwornen, so daß ihr Priester den Tisch nicht weiter bemühte; die beiden Anfangsbuchstaben galten für hinreichend. Kaiser Valens hatte inzwischen auch auf eine höchst feierlich übernatürliche Weise erfahren, wer sein Nachfolger sei. Er hatte zu diesem Zweck zu der schwarzen Kunst der Alectryomantie Zuflucht genommen. Dies war eine sehr naive und einfache Art, die Geheimnisse und den Willen der alten Diplomaten von römischen und griechischen Priestern zu erfahren. Hier ist nämlich blos ein Henning, ein König des Hühnerhofes, ein gemeiner Kikeriki nöthig. Man wirft die Buchstaben des Alphabets auf die Erde, bestreut sie mit Getreidekörnern und läßt den Hahn nach Herzenslust aufpicken. Der Buchstabe, den er zuerst rein frißt, ist der erste der Antwort und so fort. Nun begab es sich, daß der alectryomantirende Hahn des Kaisers Valens nach einander die Buchstaben Th – E – O – D rein pickte; also kein Zweifel: auch er, Freund Henning von Kikeriki, war der Ansicht, daß Theodorus als Kaiser folgen müsse. Valens aber haßte den Theodorus und ließ ihn, um dem göttlichen Hahne einen Streich zu spielen, todt machen. Aber Hahn blieb Hahn im Korbe, und auch der Tisch der Verschwornen behauptete sein Recht: dem Kaiser Valens folgte nämlich ein Held, der sich „The“ und „Theod“ anfing, nämlich Theodosius, so daß Hahnenfraß und Tischtanz zugleich einen Triumph über menschliche Diplomatie und Macht feierten. – Und solche Triumphe sind nicht einmal etwas Wunderbares, da in einem gut gearbeiteten Tische allerdings oft viel mehr Verstand steckt, als in den weisesten und schlauesten Plänen der Diplomatie, so daß auch ein gemeiner Misthof-Absolutist mit seinem Bischen Gehirn leicht zum Haupt-Hahne unter den Leuten werden kann, die Weisheit und Offenbarung krähen.

Tischdreherei und noch ganz andere Locomotiv-Zauberkünste sind bekannt in Indien, Cochin-China, Tibet und andern orientalisch-asiatischen Ländern. Die cochin-chinesischen Zauberer drehen nicht nur Tische, sondern ziehen auch Kähne und Boote vom Ufer aus durch geheimnißvolle Kräfte auf dem Wasser hin. Wenigstens las ich etwas der Art in einem Reisebuche über Cochin-China. Von Jesuiten-Missionären, denen es gelang, bis in das Innere des absolutesten, verschlossensten Priesterstaates, Tibet, zu dringen, haben wir vernommen, daß die Lamas oder Priester nicht nur Tische tanzen lassen, wie sie pfeifen, sondern auch, wie Home, sie in der Luft schwebend erhalten. Ein Russe berichtet aus eigener Erfahrung, daß diese Tische dazu abgerichtet sind, unter Leitung der Priester als Denuncianten und Entdecker von Verbrechen zu dienen. Ist ein Mord begangen worden und der Mörder unbekannt, so wird ein Lama zu Rathe gezogen, welcher sich an einen Tisch wendet, der ihn erleuchten soll. Er setzt sich vor dem Tische auf den Boden, legt eine Hand auf den Tisch und lies’t schreckliche Beschwörungsformeln aus einem dicken heiligen Buche. Etwa nach einer halben Stunde steht er auf und legt den ganzen Arm über den Tisch, der nun anfängt, Beine zu kriegen oder vielmehr Flügel; denn er erhebt sich und fliegt nach einer Richtung fort, welcher der Priester mit aufgelegtem Arme folgt, was oft sehr schwer wird, da der Tisch sich nicht nur sehr schnell dreht, sondern auch in einer Richtung vorwärts fliegt. Doch bald wird er müde, legt sich auf eine Seite und verpustet sich, der geistervolle Tisch. In der Richtung, die er nahm, muß man nach dem Verbrecher suchen. Bei einer solchen Gelegenheit hatte der betreffende Lama schon erklärt, daß ihn der Tisch irre geleitet habe, da in der von ihm angedeuteten Richtung der unbekannte Urheber eines Diebstahls nicht entdeckt werden konnte. Der Lama versuchte es ein zweites und drittes Mal, aber vergebens, der Tisch schien sich in der Richtung total geirrt zu haben. Doch nach dem dritten Laufe des Tisches – stets in derselben Richtung – hing sich ein Mann, der in dieser Richtung wohnte, auf. Man untersuchte dessen Wohnung und fand das gestohlene Gut. Natürlich, wie hätte sich auch so ein gottbegabter Tisch irren können? – Der Russe, der diesen Fall als Augenzeuge erzählte, fügte hinzu, daß eine genaue Untersuchung [827] des Tisches durchaus keine Spur von geheimer Maschinerie oder Humbug gezeigt habe.

Der alte Gottesgelahrte Kirchner schrieb vor 200 Jahren schon über den thierischen Magnetismus und behauptete, daß Körper mit natürlichem oder künstlich mitgetheiltem thierischen Magnetismus – frei gesetzt oder gestellt – sich entweder vorwärts bewegen oder drehen würden. Die Drehungen von Flüssigkeiten auf den Polen künstlicher Magnete sind bekannt. Der alte Professor Schweigger in Halle bewies zu meiner Zeit auf der Universität, daß die alten Zwillingsfiguren Griechenlands, Castor und Pollux, Versinnlichungen dieser magnetisch erzeugten Drehungen seien. Die wissenschaftlichen Spiritualisten unserer Tage haben gefunden, daß Tische und andere künstlich in Bewegung gesetzte Körper fast immer nach Norden sich bewegen, wenn die zu starke Drehung um ihre eigene Achse diese Richtung nicht überwindet. Aber die Tische drehen sich nicht blos, die Geister bedienen sich ihrer auch zu einer, allerdings sehr unbeholfenen und unsichern, Zeichensprache. Auch davon finden sich Spuren im fernsten Alterthume. Mit animalischem Magnetismus wirthschafteten egyptische Priester schon vor den Zeiten des Moses. Ihre Kunst ging bald zu den Griechen über, welche die professionellen Magnetiseurs Oneiropoletä nannten, d. h. Traumhändler. Personen, die Rath von den Göttern, Mittel gegen körperliche und geistige Leiden begehrten, wandten sich an solche Oneiropoleten, welche sich nun im Tempel durch magnetische Operation in Schlaf versenkten, für ihre Patienten schliefen und träumten und daraus Rath und Mittel für dieselben entnahmen. Den magnetischen Schlaf erzeugten sie ebenso, wie es heut zu Tage häufig gemacht wird, durch Reibungen und Bestreichungen oder bloße Bewegungen mit der Hand vor dem Gesichte, durch festen Blick auf einen von oben herabhängenden Gegenstand oder auf einen Spiegel, der auf einer Wasserfläche schwamm.

Der heilige Augustin, Vater des Ausspruches: „Credo quia absurdum“ (Ich glaube, weil es Unsinn ist), berichtete von einem Geistlichen der christlichen Kirche, daß er sich ganz nach Belieben in einen ganz todähnlichen Zustand versetzen konnte, so daß er weder Stiche, noch Schläge und Verwundungen fühlte. Nach einem andern Berichterstatter über diesen Priester brachte er sich ganz nach Art der griechischen Oneiropoleten in magnetischen Schlaf, in welchem er, wie die modernen mesmerirten Schläfer, unbewußt aber mit göttlicher Allwissenheit auf an ihn gerichtete Fragen antwortete, auch zuweilen in den Zustand eines hellsehenden Somnambulismus gerieth. Beispiele magnetischen Hellsehens werden von alten Schriftstellern des Heidenthums erwähnt, und wir haben Ursache anzunehmen, daß das Orakel zu Delphi und die weissagende Pythia auf dem Dreifuß unter dem Einflusse eines künstlich gereizten thierischen Magnetismus im Schlafe sprachen. Die „Eleusinischen Mysterien“ der alten Griechen beruhten auf unvollkommen verstandener Naturwissenschaft, auf elektrischen und magnetischen Erscheinungen. Auch die alten Sibyllen Roms waren magnetisch Schlafende oder in den Zustand des Hellsehens Magnetisirte, wofür wir in alten und neueren Schriftstellern viele Belege finden.

Wir sehen also, daß Tischdreherei, Geisterklopferei, Weissagekunst, Hellseherei, Mesmerismus und sonstige moderne schwarze Künste vielleicht älter sind, als die Sphinxe und Pyramiden Egyptens, und daß sich Spuren davon in allen Zeiten und Zonen finden. Nichts Neues also. Aber mit dem Troste, daß diese Dinge in das Gebiet des Aberglaubens, des Wahns gehören, schwächen wir deren ungeheuere Macht und Hartlebigkeit nicht. „Das Schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.“ Der Wahn ist oft eine größere Macht, als ein ganzes Xerxes-Heer. Ein Gedanke, eine Idee – und sei’s für spätere Zeiten die verrückteste – reißt oft Millionen Menschen in Tod und Verderben, gegen Kanonenmündungen, in’s Unmögliche, Unbegreifliche. Wahn, Einbildungen, Täuschungen – materiell weniger als homöopathische Dosen – können Berge versetzen, was 10,000 Arbeiter mit Hacken und Spitzäxten nicht vermögen. Man lerne Respect haben vor diesen immateriellen Gespenstern des Wahns und der Täuschung. Die ganze preußische Armee auf dem Kriegsfuße kann zum Schatten, zur Spreu im Winde werden vor einer Idee.

Steckt auch kein Atom reeller, wägbarer Wahrheit hinter allen diesen Täuschungen und Mysterien, die Wissenschaft darf alle diese Dinge doch nicht vornehm ignoriren, damit es nicht von den gelehrten Herren heiße, was der Teufel im Faust ihnen vorwirft:

„Daran erkenn’ ich die gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar;
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr;
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, glaubt ihr, gelte nicht.“