Am Einsprung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ferdinand Lindner
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Am Einsprung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 384–387
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[384]

Am Einsprung.

Ein Bild aus dem Thierleben des Waldes.
Von F. Lindner.

Eine tief in der volksthümlichen Anschauung wurzelnde, theils aus dem Zusammenleben mit den Hausthieren, theils aus der Beobachtung des Thierlebens überhaupt hervorgehende Neigung des Menschen ist die, den Regungen der Thierseele menschliche Beweggründe und menschliche Strebungen unterzulegen – eine Neigung, welche ja in unseren Märchen und namentlich in unserer Thiersage einen poetisch verklärten Ausdruck gefunden hat. Doch brauchen wir nicht in das Gebiet der Poesie hinüberzugreifen, sondern einfach nur das wirkliche Leben der Thiere zu belauschen, um dieselben oft in Situationen anzutreffen, welche in der That mit menschlichen eine frappante Aehnlichkeit haben.

Ich will dem Leser heute eine solche, die ich selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, vorführen, und zwar eine, welche nicht nur in ihrem unmittelbaren Eindruck von vollendeter dramatischer Wirkung war, sondern auch in ihrem Abschluß der Tragik nicht entbehrte.

Es war an dem Spätnachmittage eines prächtigen Septembertages – ein tiefblauer Himmel spannte sich über den gewölbten Bergrücken des Teutoburger Waldes aus; bis weithin zum Wesergebirge lag die liebliche Landschaft in leuchtendem Farbenschmucke und vor uns öffnete sich das tief beschattete Haidenthal, in das wir, ein wegkundiger Forstmann und ich, jetzt eintraten, um über das Gebirg zu steigen und jenseits, an einer alten Kampfstätte, die Hirsche kämpfen zu sehen, vorausgesetzt, daß uns das Glück hold war, dem sich der Waidmann jederzeit anvertrauen muß.

Das Laub der herrlichen Buchen im Haidentale, welche zu den schönsten des Gebirges gehören, hatte jene warme Färbung angenommen, welche dem Grün eine malerische Abwechslung gewährt und den nahenden Herbst verkündet. Links und rechts über uns stiegen die von geheimnißvollen Seitenthälern durchschnittenen Berge empor, und endlich mündete der Weg zwischen riesenhaften Lärchbäumen in eine finstere, steil aufstrebende Schlucht ein, zwischen deren zerrissenen Wänden wir auf ein grünes, mit hellen Wiesen bedecktes Plateau und damit auf die Höhe des Gebirges gelangten, von der wir jenseits zwischen Buchen und Eichen sogleich wieder den Abstieg begannen.

Weit hinein blickte man in den dämmerigen Forst; mannshohe Farren, da, wo sie von verlorenen Sonnenstrahlen getroffen wurden, hell schimmernd, füllten in dichten Massen den Raum zwischen den grauen Stämmen, und der moosige Boden athmete den halb kräftigen, halb moderigen Waldesduft aus, der aus den feuchten Blätterlagen des gefallenen Laubes hervorquillt.

Ab und zu hemmten wir unsere Schritte und lauschten – ob nicht vielleicht, wenn auch von fern her, das Tönen eines Hirsches zu uns herüber dränge – aber vergebens, das Klopfen eines Spechtes, der Schrei eines Raubvogels, welcher hoch über uns seine Kreise zog – das war Alles, sonst lag tiefe Stille über dem Gebirge.

Allmählich begann sich die Scenerie zu ändern, je tiefer wir hinabstiegen; würziger Geruch von Coniferen strich uns entgegen, das Haidekraut beherrschte den Boden mehr und mehr, und Sandstürze schimmerten unter den Abhängen hervor. Als wir in der „breiten Naht“, einem flachen Einschnitte des Gebirges, anlangten, befanden wir uns schon auf braunem Haideboden und von hohen Fichten und Kiefern umgeben – nur mitten in der freien Fläche erhoben sich melancholisch drei alte verwetterte Eichen, gewiß die Ueberreste eines alten Eichenwaldes, der von den Nadelbäumen, den begünstigten Freunden der Haide, verdrängt wurde.

Und nun nahten wir dieser selbst, von fern her schimmerte es schon licht durch die Bäume – noch wenige Schritte, und frei schweiften unsere Blicke über die scheinbar unbegrenzte Fläche. Es ist eine der charakteristischesten und apartesten Schönheiten des Teutoburger Waldes, daß seine grünen Berge unvermittelt in

[385]

Am Einsprung.
Originalzeichnung von Ferdinand Lindner.

[386] eine der malerischesten Haiden Norddeutschlands, die Senne, hinabsteigen, und wenn man aus den dunklen Waldschluchten kommend plötzlich die mächtige Haide bis zum Horizonte ausgebreitet zu seinen Füßen liegen sieht, so hat man genau dasselbe Gefühl, als gewänne man, zwischen hochgewölbten Dünen hervortretend, den Blick auf das weite Meer.

Und hier, an der Grenze zwischen Wald und Haide, war auch unser Ziel, der gesuchte Kampfplatz, gelegen, denn hier schneidet das Wildgatter weit in die Haide hinaus und kehrt erst in weitem Bogen zum Walde zurück, hier treten mit hereinbrechender Nacht die Hirsche heraus und kämpfen ihre gegenseitigen Fehden aus.

Im sinnenden Hinausschauen, zu welchem der Anblick der Haide den Menschen anzuregen pflegt, wurde ich plötzlich durch meinen Begleiter unterbrochen, der mich schnell um meinen Feldstecher bat, ihn eine Zeit lang in die Haide hinausrichtete und dann sagte:

„Sehen Sie dort den wunderlich gekrümmten Wachholderbusch über dem langgezogenen Sandstreifen – dicht dahinter streicht jetzt ein Hirsch außerhalb am Gatter entlang.“

In der That bemerkte ich, was das geübte Auge des Forstmanns auch ohne Glas schon wahrgenommen, ein Stück Wild, welches langsam, dann und wann stehen bleibend, am Gatter hinzog.

Jetzt schien meinem Begleiter ein besonders einleuchtender Gedanke zu kommen.

„Wenn wir Glück haben, sollen Sie was Interessantes zu sehen bekommen – wie steht’s mit dem Winde?“

Von Wind war nun freilich nicht die Rede, die Sonne stand nicht mehr hoch und den reinen Aether begann leichtes, dünnes Gewölk zu umspinnen – eine Luftstimmung, welche mit großer Stille in der Natur verbunden zu sein pflegt.

Mein Forstmann befeuchtete mit der Zunge den Rücken und die innere Fläche der Hand und hielt sie dann in die Höhe – die Prüfung schien nach Wunsch auszufallen, eine leichte Bewegung der Luft stand von der Haide nach uns herüber und verhinderte also den Hirsch, bei größerer Annäherung Witterung von uns zu erhalten.

„Und nun kommen Sie schnell zum Einsprung!“

Mit diesen Worten schritt mein Begleiter weit aus, quer durch die Büsche, bis wir wieder an der Grenze zwischen Wald und Haide mit dem Wildgatter zusammen stießen, dem wir folgten. Unterwegs wurde mir nun auch Aufklärung über das, was mein Begleiter beabsichtigte, und vor Allem, was „Einsprung“ sei. Dann und wann nämlich tritt Wild aus, das heißt es gelingt ihm, sei es durch ein aus Nachlässigkeit offen gebliebenes Wildthor oder sonst auf irgend welche Weise, außerhalb des Gatters zu gelangen; ja man hat sogar beobachtet, daß es sich platt zur Erde legt und seitwärts unter der untersten Sparre oder dem Drahte hindurchzwängt. Da es sich aber in der offenen Haide nicht hält, versucht es, in seine alten Gründe zurückzuwechseln – gelingt ihm dies nicht, so ist es natürlich für den Wildstand des betreffenden Reviers verloren.

Um ihm nun den Eintritt zu erleichtern, ohne zugleich andererseits auch dem innen befindlichen Wild den Austritt zu ermöglichen, errichtet man an verschiedenen Stellen einen sogenannten Einsprung, welcher dann auch ab und zu einmal von anderen aus fremden Revieren herüberwechselnden Thieren benutzt wird. Das begleitende Bild giebt die Construction eines solchen: ein Haidehügel ist quer durchschnitten; die Durchschnittsfläche ist von einer Höhe, daß es einem innen befindlichen Wild unmöglich ist hinaufzuspringen, während ein oben stehendes leicht hinabzuspringen vermag – links und rechts zieht sich das Wildgatter heran und macht den Abschluß vollständig.

Mein Begleiter rechnete nun darauf, daß das vorhin von uns in der Haide draußen beobachtete Wild, da es sich in der entsprechenden Richtung fortbewegte, schließlich zum Einsprung gelangen müsse, und wir vielleicht Gelegenheit hätten, einen solchen Eintritt zu beobachten.

Rüstig fortschreitend gelangten wir endlich zu dem Einsprung, dessen altersgraues Gebälk zum Theil durch die Last der nachdrängenden Sandmasse gesprengt war, während das Haidekraut, das in dichten Büschen seinen Rücken bedeckte, sich durch die Sprünge und Risse gedrängt hatte. Das Ganze machte dergestalt mit der umgebenden Scenerie einen höchst malerischen Eindruck.

Zwischen Kiefern und Brombeerbüschen suchten wir uns eine gedeckte Stellung und sahen nun der Ankunft des Erwarteten entgegen. Es war inzwischen lebendig geworden im Gebirge. Hier und dort, bald aus weiter bald aus geringerer Ferne erhob sich das Tönen der Hirsche, das Echo der Schluchten und Thäler weckend. Unter „Tönen“ versteht man in diesen Gegenden das Gebrüll des Hirsches, welches man anderwärts mit „Röhren“ bezeichnet. Aber Viertelstunde um Viertelstunde verrann – der Erwartete erschien nicht, und selbst wenn wir uns an’s Gatter schlichen, vermochten wir, soweit unser Auslug reichte, nichts Lebendes in der Haide draußen zu erblicken.

Die Sonne stand über dem Horizont und neigte sich zum Untergang, wir gaben die Hoffnung auf und waren eben daran, unser Versteck zu verlassen, als hinter uns im Walde und näher als bisher ein Hirsch seine Stimme erhob, der kaum eine halbe Minute darauf ein dröhnendes Gebrüll und zwar so dicht bei uns antwortete, daß wir fast erschreckt zusammenfuhren. Der wilde Hirsch greift den Menschen nie an, wenn er nicht verwundet wird – eine Gefahr und demgemäß eine Furcht vor demselben ist also ausgeschlossen – aber das Gebrüll des Hirsches hat eine außerordentlich große Aehnlichkeit mit demjenigen des Tigers und übt denselben Einfluß auf unsere Nerven, den das letztere selbst hinter den Gittern des Käfigs hervorbringt. Hier aber hatte es für uns noch die weitere Bedeutung, daß es den längst Erwarteten ankündigte.

Und da war er – durch die Büsche, zwischen den Stämmen hindurch, konnten wir seine Umrisse erkennen, wie er langsam am Gatter entlang schritt – jetzt erschien er am Hügel, welchen der Einsprung durchschnitt – er blieb stehen, ziemlich lange, dann aber machte er – zu unserer großen Enttäuschung – Kehrt und ging auf seiner Fährte zurück. Hatte er von uns Witterung bekommen?

Jetzt wandte er sich der Haide und von Neuem dem Hügel zu – derselbe entzog uns seinen Anblick, aber es dauerte nicht lange und wir sahen ihn an der andern Seite zum Vorschein kommen – wogenden Hauptes, stolz und bedächtig.

Wir streckten uns platt in die Büsche, denn er hätte uns von dort wohl bemerken können, um so mehr, als er eine Zeit lang nach dem Wald zu äugte.

Darauf begann er zu sichern und verschwand wieder hinter dem Hügel des Einsprunges. Und nun bot sich uns jenes Bild, von dem ich oben sagte, daß es von geradezu dramatischer Wirkung war und dessen Eindruck trotz der Einfachheit des ganzen Vorganges mir immer lebendig geblieben ist.

Vor Allem schon die Scene, auf welcher der Acteur wie auf einer Bühne sogleich erscheinen sollte: die letzten Strahlen der untergehenden Sonne strichen über die erglühende Haide, hell auf den schimmernden Sandstrecken, in welche die vorliegenden Hügel langgestreckte lichtblaue Schatten zeichneten, purpurfarben oder violett dagegen auf dem braunen Haidekraut, und während die Haide nach Westen hin in der Lichtfluth des versinkenden Tagesgestirns gleichsam aufzugehen schien, verschwand sie nach Osten hin in der tiefblauen Dämmerung der dort schon von der Haide Besitz ergreifenden Nacht.

Und mitten in dieser Scenerie erschien nun, langsam und gemessen emporsteigend, der Hirsch, ein Sechsender, dessen prachtvolle Gestalt sich wie eine Silhouette am dämmernden Abendhimmel dunkel abhob.

Da stand er, hochaufgerichtet, den Kopf langsam und in getragener Bewegung bald nach links, bald nach rechts richtend, bald hierher, bald dorthin schreitend, um nach kurzer Bewegung wiederum dicht über dem Einsprung zu stehen und rollenden Auges in den dunkeln Wald zu blicken – ein wahrer Hercules am Scheidewege. Denn unwillkürlich drängte sich hier dem Beschauer gegenüber dem zaudernden Thier die Aehnlichkeit mit dem vor einen Entschluß gestellten Menschen auf.

Hinter ihm die Freiheit der Steppe, vor ihm das lauschige Waldesdunkel mit seinen Schlupfwinkeln und Weideplätzen, aber auch die Gefangenschaft im Wildgatter – frei oder nicht frei – das bewegte vielleicht ahnungsvoll die Thierseele des ritterlichen Waldgesellen vor uns, der jetzt den Kopf emporreckte und weit hinein in’s Gebirge ein zorniges Gebrüll entsandte, als wolle er dem, was sein Inneres bewegte, gewaltig Luft machen.

So schön und edel die Bewegungen des Hirsches sind, zu [397] den schönsten und deshalb von der Kunst am häufigsten dargestellten gehört diejenige des brüllenden Hirsches; wenn auch die Gründe für das Emporrecken des Halses und Kopfes physiologischer Natur sind, für den Beschauer, der nur mit Auge und Herz dabei ist, hat diese Bewegung eine ganz andere Bedeutung, sie erregt das Gefühl, daß der trotzige, herausfordernde Ruf hinausgesandt wird, weit hinaus, bestimmt, um über Berg und Thal zu dringen und einen Gegner aus seinem Schlupfwinkel aufzuscheuchen.

Und diese Wirkung schien jener Ruf hier sofort zu erzeugen; denn kaum war das Gebrüll aus der Kehle unseres Hirsches da droben verhallt, als auch aus den Tiefen des Waldes heraus von nah und fern die dröhnende Antwort erfolgte.

Aufhorchend begann jetzt das Thier in nervöser Unruhe zu stampfen und zu scharren, daß das Haidekraut rings umherstäubte, dann ein Vorstrecken des Halses, ein Ducken des Kopfes, ein Emporrecken, nochmals ein kurzes zorniges Gebrüll, dessen metallische Töne wie aus eherner Brust zu kommen schienen, und nun ein wunderbar elastischer Sprung in weitem Bogen hinab in die Tiefe.

Einen Augenblick noch hielt er an, dann trabte er, das Geweih hochtragend, langsam in den dunkelnden Wald hinein und, wie ich gleich hinzufügen will, seinem Verhängniß und blutigen Ende entgegen.

Wir wandten uns zur Heimkehr, indem wir die Absicht, den Hirschkampf zu beobachten, aufgegeben, da die Luftströmung für unseren Zweck sehr ungünstig war und unsere Anwesenheit dem austretenden Wilde sicher verrathen hätte.

Es war inzwischen dunkel geworden – der Mond war über den Bäumen emporgestiegen und wir wanderten durch eine Naturscenerie voll großartiger Poesie. Das Gebirg gab die während des ungewöhnlich heißen Tages eingesogenen Wärmestrahlen als lauen Duft zurück, der sich da, wo Nadelholz stand, bis zum betäubenden aromatischen Wohlgeruch steigerte – das Laub regte sich nicht, und nur von Zeit zu Zeit, wenn ein leichter Luftzug von der Haide herüber strich, war es, als athmete der Wald tief auf.

In fast schauerlichem Contrast hierzu wurde diese Ruhe in kurzen Pausen durch das Tönen der Hirsche unterbrochen, welches mit der hereinbrechenden Nacht immer lauter und drohender aus den Schluchten und von den Höhen ringsum herüberschallte, und es gehörte keine allzu große Anstrengung der Phantasie dazu, sich im tropischen von Tigern erfüllten Walde zu glauben.

Zwischendurch erklang das unheimliche, mit einem langgezogenen Hohnlaut endende Gekicher der Eulen, und neben unserem Wege einherflatternd riefen die Käuzchen ihr „Komm mit“.

Es war Mitternacht lange vorüber, ehe wir daheim wieder anlangten.

Einige Tage später theilte mir der Forstmann, welcher mein Begleiter gewesen war, mit, an der Grotenburg, dem Berge, welcher das Hermanns-Denkmal trägt, stehe seit einigen Tagen in dichtem Gestrüpp ein Hirsch, dessen Tönen die ganze Nacht hindurch über das Haidenthal schalle und in dem er beim Heranschleichen unseren alten Bekannten, den Sechsender vom Einsprung, wiedererkannt habe.

Ich beschloß, diesem gelegentlich bald einmal auch meinen Besuch abzustatten, kam aber in der nächsten Woche nicht dazu.

Da traf mich eines Tages ein Bote jenes Forstmannes, welcher mir sagen ließ, wenn ich unseren Hirsch noch einmal sehen wolle, so möge ich bei ihm vorsprechen. Als ich, neugierig gemacht, eintraf, fand ich den stattlichen Kämpen lang hingestreckt, und wie war er zugerichtet! Ein von einem Geweih mit furchtbarer Gewalt geführter Stoß war ihm tief bis in die Eingeweide gedrungen, ein anderer saß zwischen Brust und Schulter und selbst auf dem Rücken waren Verletzungen wahrzunehmen, welche aussahen, als hätten Mutterthiere mit den Vorderläuften auf ihn eingeschlagen.

Offenbar war er damals, ein Fremdling, aus anderem Reviere eingesprungen, durch’s Gebirg bis zur Grotenburg gezogen und schließlich, seine einsame Stellung an derselben verlassend, zum „Schafnacken“ (einer gegenüber liegenden Höhe, wo man ihn sterbend fand) hinübergewechselt, in ein fremdes Rudel gerathen und von diesem getödtet worden.

Unwillkürlich trat mir das Bild des von der sonnigen Haide im Drange der Leidenschaft zum dunklen Wald Einspringenden vor die Augen – jetzt lag er starr zu meinen Füßen, von seinem Verhängniß ereilt – ein Bild, das von Neuem die Parallele mit dem Geschick des Menschen herausforderte.