An Marcello Malaspina
[212] An Marcello Malaspina (1309).
Denn als ich von der Schwelle des sofort von mir vermißten Fürstenhofes mich getrennt hatte (wo, wie Ihr oft mit Verwunderung sahet, freien Beschäftigungen zu folgen mir vergönnt war) und sorgenlos und sonder Ahnung kaum die Ufer des Arno betrat, da plötzlich, ach, erschien mir ein Weib, wie ein Blitz herabfahrend – ich weiß nicht wie, meinen Vorbedeutungen von allen Seiten her an Sitte und Gestalt angemessen. O wie betäubt war ich bei ihrer Erscheinung. Aber die Betäubung wich dem Schrecken eines nachfolgenden Donners. Denn gleichwie den täglichen Wetterleuchtungen sofort Donner nachfolgen, so faßte mich bei dem Anblick der Flamme dieser Schönheit die furchtbare und gebieterische Minne. Und diese Wilde – gleichwie ein aus dem Vaterlande vertriebener Besitzer, wenn er nach langer Verbannung zur Heimat kehrt – vernichtete, verjagte, fesselte alles in meinem Innern, was ihr widerwärtig gewesen war. Sie vernichtete, sage ich, jenen löblichen Entschluß, vermöge dessen ich den Frauen und ihrer Besingung entsagte, und verbannte frevelhaft die unablässigen Betrachtungen, mit denen ich Himmlisches [213] und Irdisches beschaute, als ob sie Verdacht erregten, und fesselte endlich, damit die Seele nicht ferner sich gegen sie empöre, meinen freien Willen, so daß ich, nicht wohin ich, sondern wohin sie will, mich wenden muß. So herrscht denn Minne in mir; und auf welche Weise sie mich beherrscht, mögt Ihr aus dem, was unten steht außerhalb dem Bezirk der gegenwärtigen Zeilen, ersehen. |