An einen florentinischen Freund
Aus Eurem mit schuldiger Ehrfurcht und Zuneigung empfangenen Briefe habe ich dankbar und mit fleißiger Überlegung ersehen, wie sehr Euch meine Wiedereinbürgerung in der Vaterstadt am Herzen liegt, und Ihr verpflichtet mich dadurch um so mehr, je seltener es Verbannten widerfährt, Freunde zu finden. Indem ich nun auf den Inhalt Antwort gebe, bitte ich inständig, daß, falls sie nicht so ausfiele, wie die Kleinmütigkeit gewisser Leute es wünscht, Ihr sie auf die Wagschale Eurer Weisheit legen möget, bevor Ihr sie richtet.
[233] Das ist es also, was mir in den Briefen Eures und meines Neffen sowie anderer Freunde hinsichtlich der vor kurzem in Florenz angeordneten Verzeihung der Verbannten mitgeteilt wird, daß, wenn ich eine gewisse Geldsumme zahlen und den Schimpf der Darstellung leiden wolle, ich Verzeihung erlangen und sofort zurückkehren könnte! – In diesem Vorschlag, mein Vater, sind jedoch zwei Dinge lächerlich und übelgeraten. Ich sage übelgeraten von jenen, welche sie geschrieben haben; denn Euer Brief, der verständiger und bedächtiger verfaßt ist, enthält nichts von solcherlei Dingen.
Ist das der Ruhm, mit welchem man Dante Alighieri in das Vaterland zurückruft, nachdem er fast drei Lustra die Verbannung ertragen hat? Auf solche Weise belohnt man seine Unschuld, die niemand mehr verkennt? Auf solche Weise den Schweiß und die Arbeit, welche er auf Gelehrsamkeit verwandt hat? Fern sei von einem mit der Philosophie vertrauten Manne die unbesonnene Demütigung eines irdisch gesinnten Herzens, daß er nach Art eines Cioli und anderer Ehrlosen, gleichsam in Banden, es ertrüge, sich zu stellen! Fern sei es von einem Manne, der die Gerechtigkeit predigt, daß er, der Beleidigte, seinen Beleidigern, als wären es seine Wohltäter, Geld zahle!
Das ist nicht der Weg, mein Vater, ins Vaterland zurückzukehren. Aber wenn von Euch oder von andern ein anderer Weg aufgefunden wird, der dem Rufe Dantes, der seiner Ehre nicht nachteilig ist, so werde ich nicht säumen, ihn zu betreten. Wenn man nicht auf einem ehrenvollen Weg in Florenz eingehen kann, so werde ich nie wieder in Florenz eingehen. Und warum nicht? Werde ich nicht die Spiegel der Sonne und der Gestirne überall erblicken? Werde ich nicht überall unter dem Himmel den edelsten Wahrheiten nachforschen können, ohne daß ich mich ehrlos und sogar schmachbeladen wieder darbiete dem Volke und der Stadt von Florenz? – Und auch Brot, hoffe ich, wird mir nicht fehlen.