Anfang und Ende einer Dichterehe

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Titel: Anfang und Ende einer Dichterehe
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 722
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[722] Anfang und Ende einer Dichterehe. Wir können nicht umhin, unsere Leser noch einmal zu dem an der Spitze der Nr. 40 unseres Blattes genannten Heydrich’schen Werke über „Otto Ludwig’s literarischen Nachlaß“ zurückzuführen; namentlich möchten wir noch bemerken, daß der Inhalt desselben besonders reich an dramatischen Skizzen, Fragmenten und Studien ist, deren wahrhaft hoher Werth den frühen Untergang einer solchen Dichtergröße uns erst recht schmerzlich empfinden läßt. Wie reich und rein sein Seelenleben war, das mögen nur wenige Sätze aus der biographischen Einleitung darthun, welche u. A. auch viele briefliche Mittheilungen über Otto Ludwig, theils aus seiner eigenen, theils aus der Feder seiner Jugendfreunde enthält. Dort heißt es: Otto Ludwig lebte in den Jahren 1844 bis 1850 in Garsebach bei Meißen. Die Waldluft, die ländliche Einsamkeit thaten ihm wohl und kräftigten seine Gesundheit. Er dichtete viele Lieder, Novellen und Dramen. Lessing’s Dramaturgie studirte er damals eifrig.

„Ich schreibe Dir,“ so berichtet er seinem Eisfelder Jugendfreunde L. Ambrunn im Jahre 1844, „aus Garsebach, einem reizenden Erdwinkelchen, just wild genug, um mir zu gefallen, und zahm genug, da wohnen zu können, wozu ich mich denn mit Gott entschlossen habe. – Viele treffliche Menschen hab’ ich gefunden. Die Gegend ist wundervoll, und nur eine Stunde weit – durch Eisenbahn und Dampfschiff so nahe – bin ich mit den Persönlichkeiten der herrlichsten Künstlernaturen im Verkehr; mit Raphael, Correggio, Tizian und Holbein habe ich schon vertraute Freundschaft geschlossen, und selbst das klassische Alterthum weht uns wenigstens an in den Gypsabgüssen des Mengs’schen Museums.“ – „Ich möchte,“ so schreibt er in einem Skizzenhefte, „das Beste machen können, aber es dürfte Niemand darum wissen. Es ist wohl eine krankhafte Erscheinung, aber ich habe als Kind schon das Sprechen mit unendlicher Genugthuung Nachts im einsamen Bette, von Niemand belauscht, am liebsten geübt und konnte wenigstens ein Jahr vorher lesen, ehe es meine Eltern zufällig erfuhren. Das Ziel all meiner Wünsche wird immer mehr ein Winkelchen Erde, wo ich unbeachtet und unbekannt mich zu Tode dichten könnte. Ich fühle mich einmal als ein Sohn der Einsamkeit. Mir ist von Kindheit an Sammlung die liebste Zerstreuung gewesen. Selbst einen Freund sieht man in der Nähe oft vor ihm selber nicht, höchstens immer nur ein Stück von ihm.“

Bald berichtet er seinem Freund Schaller in Eisfeld in lieblichen Liedern, deren Abdruck wohl noch zu erwarten ist, das Erwachen seines Liebesfrühlings:

     Am 20. Juli 1844.

Jetzo hab’ ich dich, Natur,
Die mit heiligem Erbarmen
Oft dem wilderregten Sohn
Deine milde Götterruhe
Um die glüh’nde Stirn gegossen –
Jetzo hab’ ich dich gesehen,
Blauend aus zwei tiefen Himmeln
Unter einer Mädchenstirne,
Schön von blondem Haar umzogen.
Jetzo hab’ ich dich gesehen,
Ganz in deiner süßen Milde
Um zwei ros’ge Schwestern spielend,
Um zwei weiche Mädchenlippen,
Alle deine süßen Zauber
Um die reinste Form geschlungen.
Aber ach! die süße Ruhe
Hast du nicht, wie sonst, dem Sohne
Freundlich in das Herz gegossen:
Unruh’ nur und tausend Wünsche
Und der Sehnsucht süßes Bitter,
Die nur du kannst wieder heilen,
Wenn du mit dem gleichen Finger
Ihr das liebe Herz berührtest. –

Es kam, wie er’s wünschte. Was er suchte, er fand’s. Er lernte Emilie Winkler in Meißen kennen, die ihm bald eine treue Lebensgefährtin wurde.

Und in seinem letzten Lebensjahre schrieb Otto Ludwig demselben Jugendfreunde Schaller die wahrhaft herzerhebenden Worte: „Tausend Grüße von meiner Frau, die, in Gesundheit unverändert, an Seelengüte und allen häuslichen Tugenden fortwährend wächst und mir trotz Sorge und körperlicher Schmerzen, die nicht klein, das Wort ermöglicht, daß ich nicht glaube, es könne Jemand glücklicher sein als ich.“