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Anhalts Schlösser

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Textdaten
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Autor: Franz Büttner Pfänner zu Thal
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Titel: Anhalts Schlösser
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 348–351
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Anhalts Schlösser.

Von Professor Dr. Büttner Pfänner zu Thal.0 Mit Illustrationen von O. Günther-Naumburg.


Schloß zu Ballenstedt.

Den Garten Deutschlands hat man das wald- und wiesenreiche Anhaltland genannt, und in der That, von den Höhen des Harzes bis zu den schattigen Ufern der Elbe wechseln Feld und Wald so wohlthuend und verleihen der weiten großen Ebene einen so hohen landschaftlichen Reiz, daß wohl auf wenig Gegenden des deutschen Vaterlandes besser als auf diese die Worte des Dichters angewandt werden können:

Das Korn wächst dort in langen schönen Auen
Und wie ein Garten ist das Land zu schauen!

Ja, jede Stadt, jeder Marktflecken und fast jedes Dorf bietet so mannigfaltige Naturschönheiten, daß es sich lohnte, dort ein Schloß oder ein „fürstlich Lusthaus“ anzulegen, und nur daher kann man es sich erklären, daß die Zahl der im Herzogtum Anhalt sich erhebenden Burgen und Schlösser die Hundert weit übersteigt. Es ist nun aber auch gerade dieses Land seit altersher ein Mittelpunkt der Kultur gewesen, und schon die vielen Hünengräber bei Bernburg und Köthen sowie die zahlreichen Urnenfelder bei Dessau und Zerbst geben Zeugnis von der hohen Bedeutung desselben zur Zeit der Uranfänge deutscher Geschichte. Später, nach der Völkerwanderung, wurde es der Zankapfel zwischen Sachsen und Schwaben und der mit dem Schwerte der Karolinger eingeführte Glaube an den Erlöser faßte gerade hier festen Fuß, um unter dem Kreuzeszeichen eine weithin wirkende segensreiche Thätigkeit für Wissenschaft und Bildung zu entfalten. Schon im Jahre 806 war Bernburg und besonders das ihm an der Saale gegenüberliegende Waldau so bedeutend, daß Karl der Große dorthin eine große Fürstenversammlung – den ersten deutschen Reichstag – einberief, und ein Jahrhundert später blühten unter dem mächtigen Scepter des Markgrafen Gero und seiner Nachfolger, besonders in der Harzgegend, reiche Klöster wie Frose, Gernrode und Thankmarsfeld empor.

Mit dem Aussterben der alten Markgrafen der Ostmark im Jahre 1034 erscheint der Stammvater des Askanischen Fürstengeschlechtes, Graf Esico. Er war ein Verwandter des großen Gero und seine Herrschaft erstreckte sich vom Harz bis zur Mulde. Neben seiner Stammburg in Aschersleben, von der sein Geschlecht den Namen Ascanier führt, hielt er es für geboten, noch zwei andere feste Plätze, die Burgen Anhalt und Ballenstedt, im Harz zur Sicherung seiner Grafschaft anzulegen. Während er die letztere zu seinem Hauptsitz machte, galt ihm die tiefer im Harz auf einem steilen Bergkegel gelegene Burg Anhalt mehr als Festung, auf die er sich im Kriegsfalle zurückziehen konnte. Erst sein Neffe Otto der Reiche baute dieselbe weiter aus und verlegte seinen Wohnsitz hierher, nachdem er Ballenstedt in ein Benediktinerkloster verwandelt hatte.

Das Schloß in Dessau.

Nur wenige Zeugen sind hier noch aus jener Zeit vorhanden. In dem alten festen dreigiebeligen Turme befindet sich die Gruft des anhaltischen Fürsten Adelbert, der durch die meuchlerische Hand Eginos von Konradsburg auf der Jagd erschlagen wurde. Noch heute soll, wie die Volkssage berichtet, in des Jahres letzter Stunde der Mörder erscheinen, um am Grabe seines Opfers im Gebet Ruhe zu finden. Aber die Stunde der Erlösung ist noch nicht gekommen: alle Fenster und Thüren sind verschlossen und er muß unverrichteter Sache wieder abziehen. In demselben Turme ruht auch jener gewaltige Kriegsheld, der einst in der Mark Brandenburg den Grund legte zu jenem herrlichen Bau, den die Hohenzollern weiter geführt und mit der deutschen Kaiserkrone gekrönt haben. Es ist Albrecht der Bär, der hier mit seiner Gemahlin Sophie beigesetzt ist. Je ein großer Stein, in welchen Höhlungen für Körper und Kopf eingehauen sind, und der mit einer Steinplatte geschlossen ist, bildet den Sarg.

Außer dem großen Turm haben nur noch einige wenige Reste der Krypta sowie das alte Refektorium der Mönche dem Sturme der Zeiten getrotzt. Der Bauernkrieg bereitete wie allen Burgen und Klöstern im Harz so auch dem Ballenstedter ein jähes Ende, und die prächtige Kirche, welche, den Resten nach zu schließen, wohl der gewaltigste Bau der romanischen Zeit in dieser Gegend [349] gewesen ist, wurde 1748 von Fürst Viktor Friedrich von Anhalt-Bernburg, der seine Residenz hierher verlegte, niedergerissen. Auf ihren Grundmauern sind Wohnräume und eine kleine Schloßkapelle aufgebaut, und an Stelle der alten Klosterräume traten im 17. und 18. Jahrhundert große schmucklose Gebäude mit Portalen im Zopfstil. Das Schloß war bis zum Aussterben der Linie Bernburg, 1863, Residenz derselben und wird nun wegen seiner herrlichen Lage am Abhange des Harzes und besonders der wundervollen Umgebung halber vom jetzt regierenden Herzog Friedrich von Anhalt im Frühjahr und Herbst bewohnt.

Wenden wir uns ostwärts von Ballenstedt dem Mittelpunkt des Landes zu, so tritt uns an den Ufern der Saale auf steil zu dieser abfallenden Anhöhe der imposante Bau des Bernburger Schlosses entgegen. Einen geradezu märchenhaften Eindruck macht dies Schloß auf den Beschauer vom gegenüberliegenden Ufer aus. Tritt man aus den dichten Laubwäldern an den Fluß heran ins Freie, so erhebt es sich wie hingezaubert schroff über den bewaldeten und mit Zinnen gekrönten Terrassen in stolzer Majestät mit seinen vielen Giebeln, Türmen und Erkern. Der alte Burgweg zog sich dicht an der Saale entlang in starker Befestigung bis zur Zugbrücke steil empor. Links von dieser ist der Bärenzwinger, in dem heute noch, an den Namen der „Bärenburg“ erinnernd und zum Wahrzeichen, eine Bärenfamilie erhalten wird. Ueber dem Eingang zur Burg erhebt sich der alte viereckige Thorturm, an den sich der älteste Teil der Burg, noch mit Resten einer romanischen Kapelle, anschließt. Nach der Saale zu tritt dann der 1894 niedergebrannte und in alter Form nun wieder aufgebaute Christiansbau hervor. Gegenüber zieht sich das „lange Gebäude“ mit den vielen Giebeln und Erkern hin. Nach der Stadtseite zu erhebt sich der dicke runde Bergfried, der früher frei im Hofe stand, jetzt aber mit dem Hauptteil durch einen Brettergang verbunden ist. Er heißt im Volksmunde der „Eulenspiegel“ und die Sage weiß zu berichten, daß der lustige Spaßmacher hier eine Zeit lang gehaust hat und Wächter und Turmbläser gewesen ist. Daher soll sich der Name von ihm auf den Turm selbst übertragen haben. Die Anlage dieses mächtigen Kolosses ragt wohl auch in das graue Mittelalter zurück und manche Erinnerung an prunkende Turniere und fröhliche Zechgelage, aber auch an manch harten Kampf und Strauß werden in ihm wach, wenn der Mond, der alte Zaubermeister, nachts heraufsteigt und über die vergangenen Zeiten mit ihm plaudert.

Das Schloß in Bernburg.

 Der Bärenzwinger.

Vor allem der Dreißigjährige Krieg brachte hier gar buntbewegtes Leben zur Entfaltung, da bald Kaiserliche, bald Schweden auf der Burg hausten und die Stadt brandschatzten. Aber auch viel glückliche segensreiche Stunden hat die alte Uhr vom Turme verkündet, besonders zu den Zeiten der Reformation, wo Fürst Wolfgang, der Freund Luthers, mit bewundernswürdigem Freimut von hier aus der neuen Lehre den Weg bahnte. Er hat auch in dem westlichen Teil, den er erbaut und der nach ihm der Wolfgangsbau genannt wird, dem Reformationswerk ein bleibendes Denkmal gesetzt, indem er an der einen der Leuchten die Portraits der Reformationsfürsten und ihres Gegners, Kaiser Karls V., anbringen ließ und auf dem ersten der nach dem Burghof zu stehenden Erker die vier Tugenden der Reformation, fortitudo, fides, spes und caritas, also Tapferkeit, Treue, Hoffnung und Barmherzigkeit zur Darstellung brachte.[1]

Im ersten Stock dieses Gebäudes sind die Zimmer des Herzogs, und wenn man den Blick über die Felder und Wiesen, Wälder und Auen schweifen läßt, die sich in smaragdener Herrlichkeit tief unten ausbreiten, dann glaubt man es dem Chronisten gern, wie der Große Kurfürst, der hier öfter wohnte, sich „dermaßen hierin vergnüget befunden, daß er es vor einen der schönsten Prospecten gehalten, so er jemals angetroffen“. Nach der Stadtseite zu war die Burg einst auch mit tiefen Gräben umzogen, sie sind aber längst zugeworfen. Auf der großen freien Terrasse außerhalb vor dem „langen Gebäude“ ließ Fürst Viktor Amadeus, der durch große [350] Bauten und Anlage vieler segensreichen Verkehrswege dem vom dreißigjährigen Kriege ausgesogenen Lande wieder zu neuer Blüte verhalf, einen Orangeriegarten anlegen und sein Sohn erbaute dalelbst 1732 ein Orangeriehaus mit künstlerisch vollendeter Sandsteinfassade in französischem Stile.

Das Schloß in Coswig i. A.

Von den andern Schlössern der Herrschaft Bernburg ist noch das zu Coswig von Bedeutung. Es gehörte zuerst zum Fürstentum Zerbst und fiel nach Erlöschen der dortigen Linie als Erbteil an Bernburg. Auch seine Schicksale sind mannigfacher Art. 1547 wurde es von den Spaniern eingenommen und zerstört; aber Fürst Wolfgang baute es wieder auf und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in stiller Zurückgezogenheit daselbst. In der späteren Zeit wurde es mehrfach Witwensitz anhaltischer Fürstinnen, welche die prächtige Aussicht auf die Elb-Auen und den Strom dem glänzenden Hofleben vorziehen mochten. Nun ist es, seiner Pracht entkleidet, zur Strafanstalt geworden und im Volksmunde hat es eine eigentümliche Bedeutung, wenn man von jemand sagt: er residiert in Coswig. Den Schlössern in Plötzkau und Nienburg a. d. Saale ist es nicht viel besser ergangen. Das eine wurde zur Domäne geschlagen und das andere in eine Fabrik verwandelt. Die Schlösser zu Zerbst und Dornburg, welche als Stammland der Kaiserin Katharina II. von Rußland eine weite Berühmtheit erlangt haben, gehören ihrer Bauart nach der Rokokozeit an. In ihnen finden wir noch die wunderbarsten Stuckarbeiten eines Simonetti und Knobelsdorff, die mit den besten Erzeugnissen ihrer Zeit auf gleiche Stufe gestellt werden können.

Das alte Schloß in Köthen hat sein Aussehen stark verändern müssen, seit die dortige Fürstenlinie ausgestorben ist und das Gebäude der Regierung zur Benutzung überlassen wurde. Die frühesten Anlagen des fürstlichen Hauses wurden 1547 ein Raub der Flammen, und erst Fürst Johann Georg I. ließ an dieselbe Stelle 1597 bis 1602 durch die Schweizer Baumeister Peter und Franz Niuron aus Genf, welche auch beim Dessauer Schloßbau thätig waren, den größten Teil der jetzt noch stehenden Gebäude aufführen. Einen Anblick, derselben gewährt uns der untere Teil unseres Bildes auf S. 351, während der obere den Neubau zeigt, der unter dein vorletzten Herzog Heinrich, welcher zum Katholicismus übertrat, gebaut wurde. Das ganze Schloß war von einem breiten Graben, über den vier Zugbrücken führten, umgeben und außerhalb dieser Gräben legte Fürst Ludwig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die seiner Zeit weit berühmten Gärten an, welche sich in großer Ausdehnung um das nchloß herum zogen und mit ihren Laubengängen, Bosketten, Tempeln, Lusthäuschen und andern „ergötzlichen“ Anlagen in Deutschland nicht ihresgleichen hatten. Der jetzige Schloßgarten ist nur ein kleiner Rest dieser Herrlichkeiten und in demselben ragt noch eine mächtige Eiche empor, unter welcher einst der für Poesie und Litteratur begeisterte Fürst Ludwig von Anhalt mit den Mitgliedern der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ seine Tafelrunde hielt. Er hatte diesen Orden ins Leben gerufen nach dem Vorbild der berühmten „Accademia della Crusca“ in Florenz, deren Name (crusca heißt Kleie) auf den Zweck hinwies, „die Sprache von Fehlern zu reinigen wie das Mehl von der Kleie“; auch die „Fruchtbringende Gesellschaft“ sollte den Zweck haben, „daß man die Hochdeutsche Sprache in ihrem rechten wesen und stande, ohne einmischung frembder ausländischer Wort, aufs möglichste und thunlichste erhalte etc.“ Als Sinnbild wählte er den Indianischen Palmbaum und die Mitglieder trugen jeder eine goldene Medaille, auf deren einen Seite der Palmbaum mit der Ueberschrift: „Alles zu Nutzen“ und der Unterschrift: „Die Frucht bringende Gesellschaft“ abgebildet war, während auf der anderen sich das Sinnbild mit dem Sinnspruch und der Gesellschaftsname des betreffenden Trägers befand. Fürst Ludwig selbst hatte den Namen „der Nährende“ und als Sinnbild ein Weizenbrot mit dem Wahlspruch: „Nichts Besseres“ angenommen. Der Palmorden fand bald große Verbreitung über ganz Deutschland und neben hohen Herren und Fürsten – selbst der Große Kurfürst hatte sich unter dem Namen „der Untadelige“ eingetragen – bekannten sich die meisten namhaften Gelehrten und Dichter der damaligen Zeit zu dem edlen Panier, das für die Erhaltung der „teutschen Muttersprache“ errichtet war. Im Schlosse zu Köthen aber befand sich der große Sitzungssaal; seine Wände waren mit Teppichen ausgehängt, in welche die Sinnbilder, Namen und Wappen jedes einzelnen Mitgliedes eingewebt waren. Wenn nun auch von all diesen äußeren Dingen nichts mehr im Schlossse zu finden ist, so hat doch der Lauf der Jahrhunderte die Spuren der großen Zeit nicht verwehen können und der Same, den sie ausgestreut in den deutschen Landen, hat reichlich tauseudfältige Frucht gebracht. –

Die Line Anhalt-Köthen war 1847 erloschen und als 1863 der letzte Herzog von Bernburg die Augen schloß, wurde das ganze Land zum Drittenmal seit Bestehen der Askanischen Herrschaft wieder [351] vereinigt, diesmal unter der segensreichen Hand des 1871 verstorbenen Herzogs Leopold Friedrich von Dessau; somit wurde Dessau Residenz des ganzen Landes.

Seit jeher erfreut sich die Stadt des besten Rufes im deutschen Lande. Herrlich ist ihre Lage an der Mulde, unweit der Mündung des Flusses in die Elbe. Rings um sie ziehen sich dichte prachtvolle Wälder, lachen grüne Wiesen und zahlreiche Gärten, Baumalleen und Parkanlagen beschatten die breiten Straßen und die zahlreichen Plätze der Stadt, die von pensionierten Beamten und Ruhebedürftigen aus nah und fern gern zum Wohnsitz gewählt wird. Schon Goethe hat die Naturschönheiten Dessaus gerühmt und glücklich den Fürsten geschätzt, dem die Natur und die Götter es vergönnt haben, einen Sitz von träumerischer Schönheit zu schaffen. Die Stadt ist auch reich an geschichtlichen Erinnerungen; nach ihr wurde der Fürst Leopold von Anhalt-Dessau der „Alte Dessauer“ genannt. Erst vor kurzem hat die „Gartenlaube“ das Grab des eigenartigen Soldatenfürsten, das von zwölf Grenadieren in Zinnguß umgeben ist und in der Schloßkirche zu St. Marien am alten Markt sich befindet, ihren Lesern in Bild und Wort vorgeführt. Früher (vergl. Jahrg. 1880, S. 51) ist in diesem Blatte die geschichtliche Entwicklung der Stadt und namentlich der Aufschwung, den sie unter dem Landesfürsten Franz genommen, ausführlich geschildert worden. Auch die Kunst blüht in ihren Mauern, dank der Freigebigkeit, mit welcher die Herzöge seit langen Jahren das Hoftheater und die berühmte herzogliche Kapelle unterstützen.

  Der alte Teil.   Der Neubau.
Das Schloß in Köthen.

Das Schloß (vgl. die Abbildung S. 348) war anfangs wie das in Köthen anf einem von tiefen Gräben umgebenen Viereck erbaut, brannte aber 1467 nieder. Der älteste Teil ist der vom Eingang rechts liegende Flügel mit achtseitigem Treppenturm, dessen Aufgänge mit kunstvollem Maßwerk und Treppengeländer verziert sind. Der imposante renaissanceartige Vorbau birgt das Treppenhaus für den Mittelteil, welcher jetzt zusammen mit dem linken Flügel die Wohn- und Prunkräume des seit 1871 regierenden Herzogs Friedrich enthält. Dem Schlosse gegenüber liegt die Hauptwache und daneben die frühere Schloßapotheke, in der einst die schöne Apothekerstochter Anna Luise Föse heranblühte. Eine edle Mädchengestalt war es, mit üppiger Fülle goldigen Lockenhaars, mit seelenvollen blauen Augen und reinem Engelsgemüt, die einzige, die es verstand, den rauhen wilden Sinn des Soldatenfürsten Leopold zu sänftigen. Er liebte sie ehrlich und machte seine „Anneliese“ zu seiner Gemahlin und Landesfürstin. Außerdem befindet sich in der Hauptstraße dem Theater gegenüber das neuerbaute Erbprinzliche Palais, wie denn überhaupt in der Stadt noch vier und in den umliegenden Wäldern, die meilenweit parkartig die Stadt umgeben, fünf weitere Schlösser in anmutig schattigen Gärten liegen. Einen ganz eigentümlichen Reiz von höchst malerischer Wirkuug hat denselben der Fürst Franz oder „Vater Franz“, wie er im Volksmunde noch heißt, der Zeitgenosse und Freund Karl Augusts und Goethes, durch die Anlage von Tempeln, Ruinen, Obelisken und sonstigen kleinen stimmungsvollen Bauten verliehen. Die ganze prächtige Natur erscheint dadurch in poesievolle Landschaftsbilder verwandelt, wie sie uns der geniale Landschaftsmaler Claude Lorrain nicht schöner auf die Leinwand zaubern konnte. So großartig aber nun die Natur ist, die alle die Schlösser umgiebt, so Prächtiges bietet die Kunst auch, die in ihnen ihre Tempel aufgeschlagen. Die Fülle und Mannigfaltigkeit der Gemälde in den einzelnen Galerien läßt uns keinen Namen der bedeutendsten Meister aller Zeiten und Länder vermissen und die Sammlung sowohl antiker wie moderner Kunsterzeugnisse wetteifert mit diesen in Schönheit und künstlerischer Bedeutung.

Das wertvollste Kleinod aber ist und bleibt der im Schlosse zu Dessau aufbewahrte Ring der „Frau Kröte“, der durch die Sage und Prophezeiung schon seit Jahrhunderten einen märchenhaften Zauber ausgeübt hat. Vor vielen vielen Jahren nämlich lebte im Schloß zu Dessau eine gute und fromme Fürstin, welche die Armut linderte und wohlthat, wo sie nur konnte. Auch für die Tiere und Vögel hatte sie ein freigebiges Herz und nach den Mahlzeiten sammelte sie die Brosamen und streute sie den Hungernden vors Fenster. Nun hauste aber in einem dunklen Kellerloch unter jenem Fenster der frommen Fürstin eine häßliche Kröte, die jedesmal, wenn die Krumen auf die Erde fielen, hervorgekrochen kam und sie begierig auflas. Eigentlich war sie aber keine Kröte, sondern eine verwunschene Fee, die erst erlöst werden konnte, wenn eine edle, gottesfürchtige Seele sie mit Brosamen fütterte. Das war nun erfüllt und so geschah es denn in einer herrlichen Maiennacht, daß der Fürstin, als sie auf ihrem Lager lag und schlummerte, eine weiße schöne Gestalt mit wallendem Mantel und einer Leuchte in der Hand erschien und erzählte, daß sie durch die Wohlthätigkeit der Fürstin erlöst sei. „Zum Dank dafür,“ sprach sie, „nimm diesen Ring, er wird Dir und Deinen Nachkommen Segen bringen, Dein Stamm wird nie erlöschen, so lange der Ring in seinem Besitz ist, und ich selbst will Euch immerdar schützen.“ Darauf verschwand sie, und als die Fürstin am Morgen erwachte, hielt sie den Ring in den Händen. So die Sage; der Ring aber wird noch wohl verwahrt im Schlosse und bis zum heutigen Tage ist er ein Sinnbild der Liebe und Treue des Volkes zu seinem Fürstenhause und dadurch ein Talisman für dieses selbst. Der stete Edelmut und die hochherzige Opferfreudigkeit der Fürsten von Anhalt, deren gegenwärtiges Oberhaupt Herzog Friedrich (geb. am 31. April 1831) am 22. Mai d. J. sein 25jähriges Regierungsjubiläum begeht, ist zum Segen geworden für sein Volk, die Prophezeiungen haben sich bis auf den heutigen Tag bewahrheitet und so möge es bis in die fernsten Zeiten bleiben!




  1. Vergl. „Anhalts Bau- und Kunstdenkmäler“ vom Verfasser dieser Schilderung.