Antigone (Die Gartenlaube 1885)

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Titel: Antigone
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 457, 468
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[457]

Antigone an der Leiche des Polynikes.
Nach dem Oelgemälde von Edmund Kanoldt.

[468] Antigone. (Mit Illustration S. 457.) In der griechischen Tragödie gingen die Helden nicht an ihrer eigenen Schuld zu Grunde, sondern unterlagen dem unabwendbaren Schicksale, das sie zu verhängnißvollen Thaten trieb und Leiden auf Leiden auf ihr Haupt häufte. Das Los des Thebanerkönigs Oedipus und seines Geschlechts bildet wohl das ergreifendste Beispiel für dieses fruchtlose Ringen des Menschen mit höheren Gewalten. Es ist düster und schauerlich, aber nicht grausam, denn es wird verklärt durch Thaten, die einem reinen Herzen entsprangen, es wird gemildert durch die aufopferungsvolle Kindes- und Schwesterliebe der edlen Antigone.

Sie war es, die ihren unglücklichen Vater Oedipus, nachdem er erkannt hatte, daß er ohne sein Wissen seinen Vater ermordet und seine Mutter geheirathet, auf dessen Irrfahrten begleitete, ihm Trost zusprechend. Sie führte den Blinden, der sich in Verzweiflung seines Augenlichts selbst beraubte, in den Hain der Erinnyen bei Kolonos und harrte bei ihm aus, bis ihn dort die Götter von seinen Leiden erlösten.

Nun ging die Verwaiste heim nach Theben, wo nach des Vaters Tode ihre Brüder, Eteokles und Polynikes, gemeinsam regierten. Freudige Hoffnungen winkten der Unglücklichen, denn hier fand sie die Liebe Haimon’s, der ein Sohn ihres Oheims Kreon war. Aber ein Bruderzwist brachte ihr neue Leiden.

Polynikes, von Eteokles vertrieben, verband sich mit sechs andern Fürsten zum Krieg gegen seinen Bruder (der berühmte „Zug der Sieben gegen Theben“). Beide Brüder fielen im Zweikampfe, und Kreon, der dann König in Theben wurde, gebot, daß die Leiche des Polynikes unbestattet bleiben und den Vögeln und wilden Thieren preisgegeben werden solle. Da nun die Bestattung der Todten bei den Griechen eine der heiligsten Pflichten war und nach der religiösen Anschauung des Volkes die Seele des Verstorbenen, so lange der Leib nicht bestattet war, keine Ruhe im Reiche der Todten fand, beschloß Antigone, getrieben von edler Liebe für den so grausam behandelten todten Bruder, dessen Leichnam zu bestatten. Sie bedeckte ihn mit Erde, ward aber dabei ergriffen und auf des Königs Befehl in einer Felsschlucht lebendig eingemauert. Kreon’s Sohn Haimon, ihr Geliebter, gab sich vor ihrer Gruft den Tod, sodaß auch Kreon’s Haus verwaiste. Die griechischen Dichter haben dieses Musterbild erhabener Weiblichkeit oft verherrlicht; erhalten sind uns des Sophokles Trauerspiele: „Oedipus auf Kolonos“ und „Antigone“. Unser Bild stellt die an dem Leichnam ihres Bruders wehklagende Antigone dar. Die Sagengeschichte spinnt den Faden der Schicksale des thebanischen Königsgeschlechtes weiter fort. Auch Kreon’s Burg sollte fallen und sein Geschlecht zu Grunde gehen, als später in den Söhnen der vor Theben gefallenen Fürsten siegreiche Rächer erstanden waren.