Auf der Treppe von Sanssouci (Fontane)
[353] Auf der Treppe von Sanssouci.
7./8. December 1885.
(Zu Menzels 70. Geburtstag.)
Von Marly kommend und der Friedenskirche,
Hin am Bassin (es plätscherte kein Springstrahl)
Stieg ich treppan; die Sterne blinkten, blitzten
Und auf den Stufen-Aufbau der Terrasse
Durchsichtige, wie Schatten nur von Schatten.
Rings tiefe Stille, selbst der Wache Schritt
Blieb lautlos auf dem überreiften Boden
Und nur von rechts her, von der Stadt herüber,
Nun schwieg auch das,
Und als mein Auge, das auf kurze Weile
Dem Ohr gefolgt war, wieder vorwärts blickte,
Trat aus dem Buschwerk, und ich schrak zusammen,
(Biche wenn nicht alles täuschte), dazu Krückstock
Und Hut und Stern. Bei Gott, es war der König.
Was thun? Ich dacht an Umkehr; doch sein Auge,
Das Fritzen-Auge bannte mich zur Stelle;
„Wie heißt Er?“
Ich stotterte was hin.
„Und sein Metier?“
„Schriftsteller, Majestät. Ich mache Verse!“
Ich will’s Ihm glauben; keiner ist der Thor,
Sich dieses Zeichens ohne Noth zu rühmen,
Dergleichen sagt nur, wer es sagen muß,
Der Spott ist sicher, zweifelhaft das Andre.
Nun aber sag’ Er mir, ich les’ da täglich
(Verzeih’ Er, aber Federvieh und Borste
Wohnt auf demselben Hof und hält Gemeinschaft)
Ich les’ da täglich jetzt in den Gazetten
Ausstellung von Tableaux und von Peintüren
Und Aehnlichem. Ein großer Lärm. Eh bien, Herr,
Was soll das? Kennt Er Menzel? Wer ist Menzel?“
Und dabei flog ein Zug um seinen Mund,
„Zu Gnaden Majestät,“ begann ich zögernd,
„Die Frag’ ist schwer, das ist ein Doktorthema;
Mein Wissen reicht bis Pierer nur und Brockhaus.
Ja, wer ist Menzel? Menzel ist sehr vieles,
Die ganze Arche Noäh, Thier und Menschen:
Putthühner, Gänse, Papagei’n und Enten,
Schwerin und Seydlitz, Leopold von Dessau,
Der alte Zieten, Ammen, Schlosserjungen,
Schuhschnallen, Broncen, Walz- und Eisenwerke,
Stadträthe mit und ohne goldne Kette,
Minister, mißgestimmt in Cashmirhosen,
Straußfedern, Hofball, Hummer-Majonnaise,
[355] „Outrir’ Er nicht.“
„Ich spreche nur die Wahrheit.
Bescheidne Wahrheit nur. Er durchstudirte
Die groß’ und kleine Welt; was kreucht und fleucht,
Am liebsten aber (und mir schwoll der Kamm,
Ich war im Gang, ‚jetzt oder niemals‘ dacht’ ich)
Am liebsten aber giebt die Welt er wieder,
Die Fritzen-Welt, auf der wir just hier stehn!
Siebartig golden blinkt der Stühle Flechtwerk,
Biche („komm, mein Biche’chen“) streift die Tischtuch-Ecke,
Champagner perlt und auf der Meißner Schale
Liegt, schon zerpflückt, die Pontac-Apfelsine ...“
Und er lüpfte
Den Hut und ging. Doch sieh, nur wenig Schritte
So hielt er wieder, wandte sich und winkte
Mich an die Seit’ ihm. „Hör Er, Herr; ein Wort noch:
Ich kenne Menzel wie mich selbst und wär’ ihm
Erkenntlich gern. Emaille-Uhr? Tabatière?
Vielleicht ein Solitaire? Was macht ihm Spaß wohl?“
„Ach, Majestät, was soll ihm Freude machen?
Hat Ansehn, Ehre, Titel, Ordenskreuze
(Pour le mérite, natürlich Friedenklasse)
Hat Freunde, Muth und Glück, und was die Hauptsach,
Hat seine Kunst ..“
„Rein gar nichts.“
„Na, das ist brav. Comme Philosophe! Das lob’ ich
[356] Und will nicht stören. Aber Eines sagt ihm:
Ich lüd’ ihn ein (er mag die Zeit bestimmen,
Ich lüd’ ihn ein nach Sanssouci; sie nennen’s
Elysium droben, doch es ist dasselbe.
Dort find’t er alte Freunde: Genral Stille,
Graf Rothenburg, die ganze Tafelrunde,
Franzose, rapplig. Dieser Platz ist frei.
Den reservir’ ich ihm. Bestell’ Er’s. Hört Er?
Ich bin Sein gnädger König. Serviteur!“