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Aus dem Thierleben Aegyptens

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Textdaten
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Autor: N. Funck
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Titel: Aus dem Thierleben Aegyptens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 124–126
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus dem Thierleben Aegyptens.

In dem alten, classischen Reiche der Pharaonen, dem Lande der Pyramiden, begegnet man heutiges Tages noch einzelnen interessanten Repräsentanten des Thierreiches, welche die ältesten Menschenrassen des ursprünglichen ägyptischen Reiches überlebt haben und deren Bildnisse noch manches Monument der damaligen Zeit zieren. Unter diesen sind als besonders hervorragend zwei Thierarten zu bezeichnen, die, obgleich zu verschiedenen Classen der Wirbelthiere gehörend, dennoch in Bezug auf die mannigfachen, mehr oder weniger fabelhaften Erzählungen der Alten in einer gewissen Beziehung zu einander stehen.

Es sind dies die Pharaonsratte oder der Ichneumon, auch unter dem Namen „Manguste“ bekannt, und der vielberüchtigte Leviathan des Nilflusses, das Krokodil.

Der Ichneumon, welcher seiner Zeit gemeinschaftlich mit dem Krokodil an den fruchtbaren Ufern des großen Flusses in Unter-Aegypten lebte, ist ein recht nettes, ansehnliches, aber durchaus raubsüchtiges Thier, das nach mehreren Schriftstellern seit Urzeiten auch als Hausthier zur Vertilgung des Ungeziefers in den Wohnungen der Aegypter gehalten und gepflegt wurde.

Dieses Thierchen, zur Ordnung der Fleischfresser gehörend, ist nicht größer, als unsere gemeine Katze, jedoch etwas gestreckter, niedriger auf den Beinen und fast ebenso schlank gebaut, wie unsere Marder, denen es in Bezug auf Gefräßigkeit und Raubgier nicht im mindesten nachsteht. Dem Anscheine nach ist es ein recht anmuthiges Geschöpf, in dem man sicher nicht auf den ersten Blick, wäre es nicht seiner kleinen, schwarzen, frechen Augen wegen, eine so bösartige Natur vermuthen würde.

Das Exemplar, welches der Kölner zoologische Garten zur Zeit besitzt, hat eine Höhe von einundzwanzig Centimeter und eine Länge von einem Meter, wovon etwas mehr als die Hälfte dem Schwanze zukommt, dessen Basis ziemlich dick erscheint und zur Spitze hin, die in eine kleine, pinselartige schwarze Quaste endet, allmählich abnimmt. Den ganzen Körper ziert ein ansehnlicher Pelz von schwarz und gelblich geringelten, steifen Haaren, die in fahlgraue Spitzen enden, sodaß der Hauptton des Ganzen, abgesehen von dem Rücken, dem Kopfe und den Beinen, wo die Nuance etwas dunkler ist, dem Auge als hellgrau erscheint. Unter diesem sichtbaren Haarkleid steckt noch ein dichter, wolliger, rostgelber Pelz. Die Schnauze, die Sohlen und ein Ring um die Augen sind unbehaart, die Ohren klein und abgerundet und die Zehen bis an die Hälfte mit kurzen Spannhäuten versehen. Nach Brehm, der den Ichneumon in Aegypten gesehen, soll seine ganze Länge nur fünfundsechszig Centimeter betragen, wovon der Schwanz ungefähr die Hälfte einnimmt. Allein die Größe dieser Thiere, sowie die Nuancen derselben bieten uns, je nach den Ortschaften Afrikas, aus denen sie stammen, gewisse Modificationen, die aber hier nicht in Betracht kommen. Nach den verschiedenen Beschreibungen zu urtheilen, gehören alle Ichneumons, welche Afrika vom Norden bis zum Süden bewohnen, derselben Art an.

In der Wildniß lebt der Ichneumon vorzugsweise an den feuchten mit Schilf bewachsenen Ufern der Flüsse, wo er geschützte Verstecke zu seinem Aufenthalte leicht auffindet, um von dort aus unerwartet und ohne Gefahr auf seine Beute losstürzen zu können. Er nährt sich von allerlei kleineren Vierfüßlern, soll aber auch Schlangen, Eidechsen, Frösche und Insecten, ja sogar Würmer fressen, vorzugsweise aber geht er auf Raub von Geflügel und Eiern aus, und ist deshalb ein unbeliebter Gast der Landbewohner; denn gleich dem Marder und dem Iltis zerstört er viel mehr, als sein Bedürfniß erheischt. Uebrigens hat uns die Erfahrung gelehrt, daß er Fische den Fleischspeisen vorzieht.

Der Ichneumon, im Arabischen unter dem Namen „Nims“ bekannt, ist ein durchaus flinkes, behendes Thier und doch sehr vorsichtig in seinem Benehmen. Er klettert mit Gewandtheit auf kleinere Bäume, um Vögel zu erhaschen oder ihre Eier in den Nestern aufzusuchen. „Nach meinen Beobachtungen,“ sagt Brehm, der dem Ichneumon eine lange, ausführliche, höchst interessante Beschreibung widmet, „geht er nur bei Tage auf Raub aus, wagt sich niemals auf’s offene Feld, sondern schleicht vielmehr möglichst gedeckt und mit großer Vorsicht dahin. Sein Gang ist ganz eigenthümlich. Es sieht aus, als ob er auf der Erde dahin kröche, ohne ein Glied zu bewegen, weil seine kurzen Beine fast vollkommen von den langen Haaren seines Pelzes bedeckt werden. In den Sommermonaten gewahrt man ihn selten allein, sondern stets in Gesellschaft seiner Familie. Immer läuft ein Mitglied dicht hinter dem anderen her, zuerst das Männchen, dann das Weibchen und zuletzt die Schaar der Jungen, sodaß es aussieht, als wäre die ganze Sippschaft nur eine Kette eines einzigen Wesens, einer langen, sich dahin windenden Schlange nicht unähnlich.“

Seine Stimme klingt wie ein leises Wimmern, welches während der Paarzeit in ein scharfes, durchdringendes Pfeifen übergeht, sonst aber vernimmt man nur selten irgend einen Ton von ihm. Das Weibchen wirft im Frühjahr zwei bis vier Junge, die von Vater und Mutter sorgfältig gepflegt und bewacht werden, bis sie selbstständig sind; alsdann trennt die Familie sich, und jedes bleibt allein für sich, bis die Paarungszeit die beiden Geschlechter wieder zusammenbringt.

Der Ichneumon ist der Gegenstand einer Reihe von fabelhaften Erzählungen. Daß er die Krokodileier verspeist und deshalb, wie Herodot erzählt, bei den alten Aegyptern der höchsten Verehrung genoß, kann wohl als wahrscheinlich gelten; wenn aber Plinius berichtet, daß er dem Krokodil, während dieses sich mit aufgesperrtem Rachen in der Sonne labt, in’s Maul hineinspringt, sich durch die Halsöffnung desselben bis in den Leib hineinbohrt, dort Herz und Leber zerbeißt und sich alsdann, vermittelst seines kleinen Gebisses, einen Weg nach außen durch die Leibeshöhle bahnt, so gehört diese Mittheilung ohne Frage in das Gebiet der Erfindung. Eine bloße Volkssage ist sicherlich auch der Bericht, er pflege sich mehrmals im Kothe zu wälzen und sich alsdann an der Sonne zu trocknen, damit die Giftzähne der ihm gefährlichen Schlangen diese Art Harnisch nicht zu durchbohren vermögen.

[125] 

Ichneumons, Krokodileier raubend.
Originalzeichnung von F. Specht.

[126] Sicher aber ist, daß der Ichneumon diesen Volkssagen die hohe Verehrung verdankt, die er unter den alten Aegyptern genoß, welche seinen Leichnam einbalsamirten, an heiligen Stätten beerdigten und sein Andenken durch Bildnisse auf ihren Monumenten verewigten.

Weshalb aber der infame Räuber, das Krokodil, der alte Zeitgennosse des Ichneumon, gleich diesem, wie Herodot und Strabo berichten, derselben Ehren genoß, ist weniger begreiflich und kann wohl nur der unbeschreiblichen Angst und dem überaus großen Respect zugeschrieben werden, den ein großer Theil dieser Völkerschaften vor dem Ungeheuer hatte. Heute soll der alte berühmte Leviathan in Unterägypten zu einer Mythe geworden sein, sodaß der Ichneumon sich dort nicht mehr an seinen Eiern laben kann.

Ruhig und still fließen nunmehr die Fluthen des klassischen Nils dahin, und Friede wohnt an seinen Ufern, wo die gelbblüthigen, viel gepriesenen Lotosblumen wuchern, wo die prächtigen Mimosen, Sykomoren und Tamarisken blühen und die eleganten Palmen ihre imposanten Kronen entfalten. Die einzigen Thiergeschöpfe, welche heutigen Tages diese paradiesische Landschaft noch beleben, sind außer dem Ichneumon Züge von Pelikanen, Störchen, Reihern und Ibissen, sowie Schaaren von Flamingos, Schwalben und wilden Tauben.

Dagegen beherbergt der obere Nilfluß noch viele Tausende von Krokodilen, die jedoch allmählich, je mehr der Mensch dort seine Herrschaft ausbreitet, der alles besiegenden Macht der neuen Jagdgeschosse unterliegen; bald wird man Krokodil und Schlange mehr und mehr vergessen, und auch ihr äußeres Bild wird im Gedächtnisse der dortigen Völker verblassen; denn die Zeit ist dahin, wo ihre Leichname in den heiligen Stätten der Krokodilstadt am See Moeris eine Grabstätte fanden. N. Funck.