Die Gobelin-Manufactur zu Paris

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Autor: Ernst Pasqué
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Titel: Die Gobelin-Manufactur zu Paris
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, 8, S. 113–116, 126–127
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Gobelin-Manufactur zu Paris.

Zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung.
Von Ernst Pasqué.

Es ist ein Irrthum, wenn man annimmt, daß die seit mehr als zwei Jahrhunderten bekannte und mit Recht berühmte Gobelin-Manufactur zu Paris, die vor der Zeit der unseligen Commune eine der größten und beliebtesten Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt war, durch ein Machtwort Ludwig’s des Vierzehnten in’s Leben getreten sei. Schon ein Jahrhundert vor diesem Regierungs-Erlaß bestand eine königliche Teppich- oder besser gesagt Tapetenwirkerei, während diese Kunstindustrie selbst bereits seit mehreren Jahrhunderten in Frankreich betrieben wurde, wie sie denn überhaupt eine der ältesten Künste war und schon im Orient unter den verschiedenen Völkern der alten Welt zu hoher Blüthe gelangte, und zwar mitsammt ihrer Schwesterkunst, der Färberei, die ihre eigentliche Grundlage bildet.

Allegorie des Herbstes.
Gobelin-Tapete aus dem siebenzehnten Jahrhundert.

In den barbarischen Zeiten der Völkerwanderung gingen beide Künste für das Abendland so gut wie verloren; die Mauren retteten sie für Europa nach Spanien hinüber, und ihre Teppiche, „Sarrasinois“ genannt, waren die einzigen, welche außer denen des Orients das früheste Mittelalter kannte. Diese wurden bald in Frankreich, dann besonders in Flandern nachgeahmt und mit der Zeit zu selbstständigen eigenartigen Schöpfungen ausgebildet. Hierzu zwang, außer dem Kunsttriebe, der jedem gesitteten Volke eigen ist, auch die Noth. Bedurften doch die Fürsten und der Adel für ihre Steinpaläste der gewirkten und gewebten Tapeten und Teppiche, um das Innere ihrer hohen und kalten Gemächer damit zu versehen, sie dadurch nicht allein prächtiger zu gestalten, sondern überhaupt erst wohnlich zu machen. Auch für die Kirchen [114] waren Teppiche ein nothwendiger Schmuck. König Dagobert, welcher 629 die Basilika von St. Denis erweitern ließ, schmückte sie mit prächtigen Teppichen aus, die er wahrscheinlich aus dem Orient hatte kommen lassen.

Die älteste französische Teppichfabrik bestand im zehnten Jahrhundert zu Poitiers[WS 1]; sie versandte sogar ihre Producte weithin, bis nach Italien. Im zwölften Jahrhundert begannen die flamändischen Fabriken haute und basse lisse (hoch- und tiefschäftige) Teppiche zu fertigen, durch welche neue und höchst effectvolle Art der Wirkerei die „saracenische“ Teppichweberei so ziemlich verdrängt wurde. Obgleich nun auch das alte Paris seine Teppich-Weber und -Wirker hatte, so überflügelten doch die flamändischen Städte, besonders Arras, dann Lille, Tournay, Audenarde und Brüssel, die französische Hauptstadt.

Erst mit dem Anfang des sechszehnten Jahrhunderts beginnt in Paris die Tapeten- und Teppichweberei sich überraschend schnell zu entwickeln, und ist dies wohl hauptsächlich dem Umstand zu verdanken, daß die französischen Könige sich dieser Kunst, welche ihnen so herrliche Ausschmückungen ihrer Paläste bot, annahmen. Der erste der Reihe war der ritterliche, pracht- und kunstliebende Franz der Erste. Er gründete im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts eine Fabrik für Tapetenwirkerei in Fontainebleau, seinem Lieblingsaufenthalt, wo er auch andere Künstler, Maler und Bildhauer, wie Benvenuto Cellini, unterhielt.

Sein Nachfolger, Heinrich der Zweite, übertrug die Leitung der Fabrik in Fontainebleau dem berühmten Architekten Philibert de l’Orme und gründete zugleich eine neue Tapetenwirkerei zu Paris im Spital de la Trinité, wo 136 Waisenkinder in verschiedenen Handwerken, von nun an hauptsächlich in der Teppichweberei unterrichtet wurden. Hier wurde unter anderen eine Tapete für die Königin Katharina von Medicis, Gemahlin Heinrich’s des Zweiten, gewirkt, die, aus mehreren Theilen bestehend, dreiundsechszig Ellen lang und vier Ellen hoch war und die Geschichte des Königs Mausolus und der Artemisia darstellte. Karl der Neunte errichtete eine ähnliche Fabrik in Tours, und Heinrich der Vierte vereinigte die verschiedenen unter Heinrich dem Dritten mehr oder minder vernachlässigten Fabriken und verlegte sie nach der Faubourg St. Antoine in das Kloster der 1594 aus Frankreich verwiesenen Jesuiten. Er versuchte, so viel er nur konnte, dieses schöne Kunstgewerbe zu neuer Blüthe zu bringen, was ihm auch theilweise gelang, und 1603, als die Jesuiten wiederkehrten, bezog die Fabrik einen noch übrig gebliebenen Theil des alten Louvre. Hier traten 1607 zwei geschickte Weber aus Flandern ein, Markus von Comans und Francis de la Planche, welche die Fabrik unter großen Vortheilen und mit einem Privilegium für die Tapetenwirkerei „nach flandrischer Art“ auf die Dauer von fünfundzwanzig Jahren selbstständig übernahmen. Sie arbeiteten wohl für den König, doch auch für das Publicum; so war die königliche Manufactur ein industrielles Etablissement geworden.

Nachdem diese flandrischen Tapetenwirker mit ihrer Fabrik aus dem alten Louvre nach dem Place Royale, dann wieder zurück nach dem Louvre gewandert waren, zogen ihre Söhne Charles de Comans und Raphael de la Planche 1630 in die ehemaligen Werkstätten der Färberei der alten Familie Gobelin, womit für unsere nur in Umrissen erfolgende Darstellung ein neuer Abschnitt beginnt.

Etwa gegen die Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts zog ein Färber aus Rheims, Johann oder Gilles Gobelin, nach Paris (die Holländer behaupten, er stamme aus Holland und habe Jan Gobeelen geheißen) und errichtete außerhalb der Stadt und der Faubourg St. Marceau am Ufer eines Flüßchens, Bièvre geheißen, eine Färberei. Da nun gut und schön gefärbte Wolle und Seide die erste Grundlage und zugleich eine Hauptbedingung zur Herstellung einer prächtigen und wirksamen Tapete bildete, da Gobelin ferner seine, wenn auch damals noch sehr unvollkommene Kunst wohl verstand und das reine Wasser des Flüßchens sich zu seinem Vorhaben als äußerst günstig erwies, seine Fabrikate sich somit vor anderen vortheilhaft auszeichneten, so mußten seine Werkstatt und Fabrik prosperiren. Doch ihren größten Glanz sollten sie durch einen seiner Nachkommen (der erste Gobelin starb 1476) unter Franz dem Ersten erhalten, und zwar mit Hülfe eines deutschen Färbers.

Dies war also gekommen. Die im Alterthum bekannte Kunst, den Scharlach und Purpur zu färben, war theils verloren gegangen, theils unmöglich geworden; dafür färbte man Roth in verschiedenen Nuancen, hauptsächlich vermittelst der Scharlachbeere. Unter den damaligen deutschen rheinischen Färbern, die man auch „Waidfärber“ – im Gegensatz zu den Schlecht- und Schwarzfärbern – nannte, weil sie aus der Waidpflanze (Isatis tinctoria), dem deutschen Indigo, nicht allein eine schöne blaue, sondern auch eine grüne Farbe herstellten, befand sich einer, bald Küster, Küffler, bald Kepfler[1] genannt , dem es gelungen war, aus der nach der Entdeckung Amerikas in Europa eingeführten Cochenille (die amerikanische Schildlaus, der Scharlachwurm), vermittelst einer Zinnsolution, eine neue überaus schöne Scharlachfarbe zu gewinnen. Zu derselben Zeit zog ein Maler mit Namen Gluck an den Rhein – die Holländer nennen ihn Kloek – der sich Jahre lang in der Türkei und im Orient herumgetrieben und auf solchen gewiß abenteuerlichen Fahrten die dortigen Färberkünste erlernt hatte. Am Rhein gelang es ihm auch, das Geheimniß der neuen Scharlachfarbe Kepfler’s sich anzueignen, und mit dieser wichtigen Errungenschaft wandte er sich nach Holland. Dort errichtete er eine Färberei, die ungemeines Glück machte. Bis an seinen im Jahre 1550 erfolgten Tod leitete er dieselbe und übertrug sie testamentarisch auf seine Nachkommen.

Nun ereignete sich Seltsames. Zu derselben Zeit, als Gluck seine neue Scharlachfarbe, die Erfindung des deutschen Färbers Kepfler, in Holland an’s Licht brachte, producirte ein Nachkomme des ersten Gobelin, Gilles geheißen, dieselbe in Paris. Er soll die Bereitung von Gluck erlernt haben, doch ist es viel wahrscheinlicher, daß Beide, Gluck und Gilles Gobelin, der sich vielleicht auf der Wanderschaft befunden haben mag, zusammen dem deutschen Erfinder sein Geheimniß ablauschten und dasselbe dann mit größtem Erfolge in Holland und Paris verwertheten.

Ein weiteres seltsames Zusammentreffen ist, daß später ein Nachkomme Glucks in einem entscheidenden Augenblicke mit dem Etablissement der Familie Gobelin sich verbindet und zu der Weltberühnttheit ihres Namens beitragen sollte, wie wir dies bald sehen werden.

Gilles Gobelin hatte sofort die ganze Tragweite der neuen Erfindung erfaßt und beschloß, sie kräftig auszubeuten. Nach Paris zurückgekehrt, kaufte er an der Bièvre ein ausgedehntes Terrain und begann neben der Werkstätte seines Vaters neue große und prächtige Bauten, zu seinem Zwecke passend, zu errichten. Die Bewohner der nahen Vorstadt St. Marceau wußten sich dies nicht zu deuten. Sie sahen mit Staunen die vielen Wohnstätten dem Boden entsteigen und nannten Gobelin einen Narren und seine Bauten „la Folie-Gobelin – die Gobelin-Thorheit“. Der Sohn dieses Gilles errichtete am Ursprung der Bièvre, in der Nähe von Versailles ein prächtiges Landhaus, das er als Antwort auf jene Spottreden nun wirklich „La Folie-Gobelin“ taufte. – Doch es sollte noch anders kommen. Gilles Gobelin gewann durch seine neue Scharlachfarbe einen solchen Ruhm und zugleich einen solchen Reichthum, daß er in kürzester Zeit ein Krösus wurde. Dies konnte das Volk von Paris erst recht nicht begreifen und schrieb die Ursache davon – dem Teufel zu. Folgende hübsche Sage aus jener Zeit hat sich erhalten.

Gilles Gobelin hatte seine Seele dem Teufel verschrieben – also erzählte man sich – als Lohn dafür, daß dieser ihm das Geheimniß der neuen Scharlachfarbe kundgethan. Da nun Gilles’ Zeit um war, ging er eines Abends mit einem Licht über den Hof, als plötzlich der Gottseibeiuns vor ihm stand, um ihn in sein höllisches Reich abzuholen. Gobelin bat demüthig nur noch um eine kurze Frist, so lange, bis sein Licht zu Ende gebrannt sei. Dies bewilligte in Gnaden der – dumme Teufel, und der kluge Gilles warf flugs sein Licht in einen nahen Brunnen, in dem es erlosch und den er dann sofort zuwerfen ließ. Mit dem obligaten Gestank entfernte sich der geprellte Teufel, und Gilles Gobelin genoß bis an das Ende seines Lebens die Frucht seiner List und Arbeit – und der des deutschen Färbers Kepfler.

Nur noch wenige Generationen der Gobelins blieben Färber: der Reichthum der Familie mehrte sich von Jahr zu Jahr, und ihre Glieder kauften sich Titel, Aemter und Würden mitsammt dem [115] Adel. Schon 1544 wurde Jacques Gobelin, ein Sohn des Gilles, correcteur des comptes und adelig und dessen Sohn Balthasar kaufte von Heinrich dem Zweiten, den er mit seinem Gelde unterstützte, die Seigneurie Brie-Comte-Robert. Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß die im folgenden Jahrhundert, 1676, zu Paris enthauptete entsetzliche Giftmischerin Marquise von Brinvilliers die Gattin von Antoine Gobelin, Marquis von Brinvilliers, war. Die letzten Gobelins, welche zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts noch in der alten Werkstatt der Väter als Färber arbeiteten, waren die Gebrüder Etienne und Henri. Dann zogen Fremde hinein. Doch die Färberei wie auch das Flüßchen behielten den Namen Gobelin. Letzteres hatte denselben bald nach dem Einzuge des ersten Gobelin erhalten, und erst während der Revolution nahm es wieder seinen ursprünglichen Namen, die Bièvre, an.

Es war nur ein kleiner Theil der Gobelin’schen Besitzung, den die beiden flamändischen Teppichwirker Comans und de la Planche 1630 bezogen, nämlich die an dem Wasser gelegenen Färbereien, während der übrige Complex von Gebäuden und Ländereien in andere Hände überging. Die beiden Genannten arbeiteten nun hier eine ziemliche Reihe von Jahren, färbten ihre Wolle und Seide und wirkten ihre Tapeten. Da trennte sich 1650 de la Planche von seinem Gefährten und errichtete eine eigene Fabrik in der Vorstadt St. Germain und Comans ließ zu seiner Hülfe einen berühmten Tapetenwirker aus Flandern (Audenarde) kommen, der Jan Jansen hieß, dessen Name jedoch von den Franzosen in Jean Jans umgewandelt wurde, unter welchem er noch heute angestaunte Meisterwerke der Tapetenwirkerei schuf.

Jetzt aber erschien ein Mann, dessen Leistungen, wenn auch gerade nicht in der Wirkerei selbst, so doch auf dem diese Arbeiten vorbereitenden Gebiete der Färberei, von der weittragendsten Bedeutung werden und den eigentlichen Anstoß zur Errichtung der königlichen Manufactur geben sollten. Es ist ein seltsamer Zufall, daß dieser Reformator der Färbekunst denselben Namen trug, wie der etwa hundert Jahre später auftauchende Reformator der dramatischen Musik, und daß er, wie Jener, unzweifelhaft ein Dentscher war: er hieß Hans Gluck.

Dem Ahnherrn der Familie sind wir in unserer obigen Schilderung schon hundert Jahre früher begegnet. Seine Nachkommen scheinen sich nach Deutschland zurück gewendet und mit der Färberei beschäftigt zu haben; denn als der oben Genannte wieder in Flandern und Holland arbeitete, wurde er selbst von den Holländern nicht mehr Kloek, sondern mit dem deutschen Namen Gluck genannt, wie auch in der Folge von den Franzosen. Hans Gluck muß sich für seine Zeit und sein Fach bedeutende chemische Kenntnisse angeeignet haben; stimmen doch alle Aussagen über ihn darin überein, daß er Farben, besonders Scharlach, in einer solchen blendenden Frische und Schönheit hergestellt habe, wie man sie bis dahin noch nicht gesehen, dazu noch jede Farbe in vielen Abstufungen, daß man jetzt erst im Stande war, wirklich farbenprächtige Tapeten mit richtig abschattirten Sujets herzustellen. Dabei muß er ein durchaus praktischer Mann gewesen sein; denn er war es, der die Krappfarbe, die heute noch einen so bedeutenden Handelsartikel Frankreichs bildet, dort erst recht in Aufnahme brachte.[2]

1655 kam Hans oder, wie er jetzt genannt wurde, Jean Gluck nach Paris und siedelte sich sofort dicht neben der Gobelin-Färberei an. Seine Producte, besonders sein Scharlach, sowie auch die billige rothe Farbe, welche er aus der „Färberröthe“, der Garance (Rubia tinctorum sativa), herzustellen wußte, erregten allgemeines und größtes Aufsehen und bald auch die Aufmerksamkeit Colbert’s, Ministers und Generalcontrolleurs der Finanzen unter Ludwig dem Vierzehnten.

Dieser praktische Staatsmann erkannte sofort, welche Vortheile aus den Arbeiten Gluck’s zu ziehen seien, und beredete den König, dessen Färberei mit den bereits bestehenden, sowie den verschiedenen Tapetenwirkereien und anderen königlichen Manufacturen zu einer einzigen großen Staatsanstalt zu vereinigen. Ludwig der Vierzehnte billigte den Vorschlag seines Ministers, der einen ebenso großen künstlerischen wie praktischen Erfolg versprach, und ohne Säumen ging Colbert an die Ausführung seines Planes. Am 8. Juni 1662 kaufte er den ganzen ehemaligen Gütercomplex der Familie Gobelin, aus dem großen „Hôtel des Gobelins“, Höfen, zahlreichen Bauwerken, Gärten, Wiesen, Waldungen und Erlenpflanzungen längs dem Flüßchen Bièvre bestehend, dem damaligen und letzten Eigenthümer, dem Parlamentsrath Leleu, im Namen des Königs für 40,775 Livres ab, und die bald weltberühmte Gobelin-Manufactur war in’s Leben getreten.

In diese vielen Bauwerke wurden nun nicht allein die Färberei Gluck’s, die Tapetenwirkerei Comans’ und Jans’, sowie die der beiden Lefebre, Vater und Sohn, welche noch Ludwig der Dreizehnte sich aus Italien verschrieben hatte und die im Louvre arbeiteten, untergebracht, sondern auch alle anderen Kunsthandwerker, die im Solde des Königs thätig waren, wie die Gold-, Seiden- und Perlensticker, die Gold- und Bronze-Arbeiter, die Steinschneider, die Medailleure und Ciselirer, die Bildhauer und Kunsttischler.

Das ganze großartige Etablissement, welches mit seiner zahlreichen Bevölkerung an verheiratheten und unverheiratheten Künstlern, Kunsthandwerkern und gewöhnlichen Arbeitern eine kleine Stadt für sich bildete, erhielt nun den stolzen Namen: „Manufacture royale desmeubles de la couronne“ („Königliche Manufactur des Mobiliars der Krone“). Im folgenden Jahr, 1663, wurde der berühmte Maler Charles Lebrun zum Director und künstlerischen Leiter des Ganzen ernannt, doch erst fünf Jahre später, 1667, erfolgte die Veröffentlichung der königlichen Verordnung, welche die Gründung der Gobelin-Manufactur befahl, und zu gleicher Zeit ließ Colbert den inneren Dienst der verschiedenen Kunstgattungen und Arbeiten durch umfangreiche und sorgfältig ausgearbeitete Instructionen ordnen. Diejenige für die wichtige Branche der Färberei fertigte ein Herr von Albo, und sie erhielt sich, weil in ihrer Art ganz vortrefflich, in verschiedenen Auflagen bis in das vorige Jahrhundert.[3]

Die Leitung der eigentlichen Tapetenwirkerei der neuen Gobelin-Manufactur, mit der allein wir es hier zu thun haben, war dem Flamänder Jean Jans übertragen worden. Ihm folgte Girard Laurent, in dessen Atelier während der Jahre 1676 bis 1679 eine der berühmtesten Gobelin-Tapeten, „Der Besuch Ludwig’s des Vierzehnten in der Gobelin-Manufactur“ (am 15. October 1667) hergestellt wurde.

Diese prächtige Tapete (4,00 Meter hoch und 5,80 Meter breit) wurde in zwei Exemplaren gewirkt; leider verbrannten die Sansculotten im Jahre 1793 eines derselben, weil sich die königlichen Lilien darauf befanden! Das andere entging der Vernichtung durch die Communards des Jahres 1871 nur durch rasche und glückliche Verbergung. Dafür verbrannten die Elenden das Etablissement selbst. Heute bildet diese Tapete das Hauptstück der sehr zusammengeschmolzenen Gobelin-Gallerie und -Ausstellung.

Lebrun blieb bis an seinen Tod, der 1690 erfolgte, Director der Gobelins. Unter ihm lieferten 250 Arbeiter 19 Hautelissetapeten von zusammen 4110 Ellen im Geviert und 34 Basselissetapeten von 4294 Ellen, die heute einen Werth von mehr als 10 Millionen Franken repräsentiren. Darunter befanden sich die berühmten „Jahreszeiten“, „die Monate“ und die „Geschichte Ludwig’s des Vierzehnten“; letztere aus einer ganzen Reihe von Tapeten nach Lebrun und Van der Meulen bestehend. Unter den „Jahreszeiten“ zeichnet sich besonders der Herbst aus, nach Ballin und einer Composition von Lebrun. Diese Tapete, von der wir als Beigabe zu diesem Artikel eine Abbildung bringen, hat Jean Jans, der Sohn des früher Genannten, von 1691 bis 1731 Leiter der Arbeiten, in Hautelisse, Wolle, Seide und Gold ausgeführt. Sie hat noch heute ihre ganze Farbenfrische bewahrt, ist 4,85 Meter hoch, 5,75 Meter breit und gehört zu den 1871 geretteten Tapeten.

Von 1690 bis 1695 war der nicht minder bekannte Hofmaler Ludwig’s des Vierzehnten, Pierre Mignard, Director der Manufactur, doch traf das Unternehmen während dieser Zeit ein [116] harter Schlag; denn die finanziellen Bedrängnisse, in welche der König durch seine Kriege gerathen war, nöthigten ihn 1694, den größten Theil der Ateliers zu schließen und die Kunsthandwerker und Künstler zu entlassen. Colbert, ihr kunstsinniger und praktischer Beschützer, war bereits 1683 gestorben. Auch waren die königlichen Schlösser mit Kunstgegenständen aller Art überfüllt. So wurden erst 1699 die Arbeiter der Tapetenwirkerei wieder in Thätigkeit gesetzt, und von dieser Epoche an blieben sie allein die Bewohner der Gobelin-Manufactur, die von nun an nur noch Tapeten, wenn auch nicht mehr in früherer verhältnißmäßig großer Anzahl lieferte. Robert de Cotte, bedeutender Architekt, wurde ihr Director. Er leitete die Anstalt über Ludwig’s des Vierzehnten Tod hinaus, bis zum Jahre 1735, worauf sein Sohn, ebenfalls Architekt, sie übernahm und ihr bis 1747 vorstand.

Während dieser Zeit hatte die Mode eine vollständige Wandlung erfahren. Die kräftigen Tinten Lebrun’s, Van der Meulen’s und Mignard’s waren nicht mehr beliebt, dafür um so mehr die feinen und leichten Töne, besonders Grau in allen erdenklichen Nuancen. François Boucher (1703 bis 1770), „der Maler der Grazien“, wie er von seinen Zeitgenossen schmeichelnd genannt wurde, und würdiger Nachfolger Watteau’s (1684 bis 1724), wurde Inspector der Gobelins, und nun änderten sich deren Arbeiten wie auf einen Zauberschlag. Neilson, Chef der Tapetenwirkerei (von 1749 bis 1788), erzielte mit Hülfe des Färbers und Chemikers Quemiset über tausend bestimmte Farbennuancen, von denen jede wieder in zwölf Schattirungen von der hellsten bis zur dunkelsten zerfiel. Die Reformen und Leistungen des Meister-Färbers Gluck, welche während eines Jahrhunderts so viel zum Ruhme der Gobelin-Manufactur und ihrer Tapeten beigetragen hatten, waren überboten, und mit den neuen zahllosen Farben und Nuancen begann nun eine ganz andere Arbeitsart als bisher. Man brauchte keine eigens für die Gobelins hergestellten farbigen Cartons mehr, sondern nahm das Gemälde selbst vor, um es zu copiren. Hierdurch entstanden die wunderbaren Schöpfungen, welche bis heute immer mehr vervollkommnet wurden. Doch war dadurch auch die Tapetenwirkerei ihrer eigentlichen Bestimmung entrückt worden; denn statt selbstständige Kunstwerke und stilvolle Behänge, lieferte sie jetzt nur mehr oder minder gelungene Copien vorhandener Meisterwerke der Malerei.

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Autor: Ernst Pasqué
Titel: Die Gobelin-Manufactur zu Paris
aus: Die Gartenlaube 1882, Heft 8, S. 126-127

[126] Während der französischen Revolution lagen die Arbeiten der Gobelin-Manufactur so gut wie völlig darnieder; wie die Sansculotten des Jahres 1793 mit den Gobelins verfuhren, haben wir schon angedeutet. Doch unter dem Kaiserreiche erstand die Manufactur zu neuer Blüthe; denn Napoleon der Erste brauchte ihre Kunstproducte zur Verherrlichung seiner Thaten und seiner Person. Die letzten Arbeiten vom Jahre 1814: „Empfang der Königin Luise in Tilsit“, „Zurückgabe der Waffen an den Herrscher von Alexandria“, „Audienz des persischen Gesandten durch Napoleon“, blieben unvollendet, und heute noch sind diese drei Fragmente in dem Gobelin-Museum ausgestellt. Unter Ludwig dem Achtzehnten wurde 1825 die Teppichmanufactur der Savonnerie, von welcher später noch die Rede sein wird, mit den Gobelins vereinigt; desgleichen unter Napoleon dem Dritten die Teppichmanufactur von Beauvais; ihre schlimmsten Tage aber, ja fast ihren Untergang, erlebten die Gobelins unter der wahnsinnigen Herrschaft der Commune; denn am 25. Mai 1871, als die Communards sich vor den Versailler Truppen von den Buttes aux Cailles, vor der Barrière d’Italie gelegen, zurückziehen mußten, setzten sie die Gobelin-Manufactur in Brand. Glücklicher Weise war durch Beamte und Arbeiter des Etablissements ein großer Theil der werthvollen Tapeten rechtzeitig geborgen worden, doch zerstörte das Feuer der Petroleurs noch eine bedeutende Menge derselben. Nach dem amtlichen Berichte verbrannten achtzig laufende Meter Gebäude, darunter die dem Publicum geöffnete Gallerie, ein Atelier mit sechs Webstühlen, drei Säle, angefüllt mit Spulen, welche mit gefärbter Wolle und Seide umwickelt waren, die Schule der Tapetenwirkerei, ein Maleratelier und ein großer Theil des Magazins, welches letztere Gypsabgüsse für den Zeichenunterricht enthielt. Den Hauptverlust aber bildeten siebenzig große Tapeten, darunter eine ganze Reihe aus der Geschichte Napoleon’s des Ersten, unersetzliche Kunstschätze, die bis dahin eine Zierde der Gallerie gewesen waren und die Bewunderung jedes Beschauers erregt hatten.

Noch heute leidet die Manufactur unter den Folgen dieses schweren Schicksalsschlages; denn wenn in ihr gegenwärtig auch noch über hundert Arbeiter und Künstler beschäftigt sein mögen, ihre Glanzperiode ist dahin.

Es bliebe uns nun noch übrig, einige Worte über die Art und Weise der Herstellung der Tapeten zu sagen, obgleich diese wohl mehr oder minder bekannt sein dürfte. Also in Kürze Folgendes: Bei den Hautelisse- (hochschäftigen) Tapeten ist die Kette eine verticale, bei den Basselisse- (tiefschäftigen) Tapeten eine horizontale, doch wird heute bei der Tapetenwirkerei und Teppichweberei fast nur noch in Hautelisse gearbeitet. Bei ersterer sitzt der Arbeiter hinter der Kette; er hat das Fenster vor sich und das Gemälde, welches er copirt, neben sich (bei der Teppichweberei ist das Umgekehrte der Fall; er sitzt vor seiner Arbeit, hat das Licht hinter sich und sein Modell fast über sich). Vermittelst Pauspapier überträgt er das Gemälde, einen Theil desselben nach dem andern, auf seine Kette, und dann umfährt er mit schwarzer Kreide, die an ihrem Ende nicht zugespitzt, sondern leicht ausgekehlt ist, jeden Faden an der Stelle, wo sich die Zeichnung befindet, welche somit ganz genau auf beiden Seiten der Kette zu sehen ist. Nun muß er sich die ihm nöthigen, einarmig geformten, mit Wolle und Seide in tausendfachen Farbennuancen umwickelten Spulen (heute hat jede Farbe vierundzwanzig Schattirungen) hervorsuchen und ordnen, und erst dann beginnt seine eigentliche Arbeit, die er ebenso selbstständig fort- und zu Ende führt, wie er sie begonnen. Immer ist er dabei genöthigt, vor seine Tapete hinzutreten, Wirkung und Fortgang seiner Arbeit zu prüfen, zu bessern oder gar zu vernichten und wieder von Neuem zu beginnen, ein schweres Stück Arbeit, bei dem ein geübter und fleißiger Arbeiter im Durchschnitte pro Tag nur vierunddreißig Quadratcentimeter fertig zu stecken vermag; welchen Aufwand an Zeit dies für eine große Tapete erfordert, an der jedoch gewöhnlich mehrere Arbeiter beschäftigt sind, ist hiernach wohl annähernd zu bemessen, wie auch der Werth, den sie repräsentirt, dadurch in ein helles Licht tritt.

Der höchste Gehalt, den ein solcher Künstler bezieht, übersteigt nicht 2000 Franken, und vor der theilweisen Zerstörung der Gobelins durch die Commune befanden sich etwa fünfunddreißig solcher Kunstwirker dort.

Daß die Färbereien heute die höchste Stufe der Vervollkommnung erreicht haben, bedarf wohl keiner Darlegung; der alte Gluck würde sich wundern, wenn er heute die vierundzwanzig Nuancen seines Scharlachs vom tiefsten Roth bis zum feinsten Rosa, oder Grau von dem Dunkelgrau des Schiefersteins bis zu dem lichtesten Silbergrau der Perlmutter sehen könnte.

Schließlich sei es uns gestattet, noch eine kurze Darstellung der Entstehung und Entwickelung der Schwestermanufactur der Gobelins, der seit 1825 mit dieser vereinigten „Teppichweberei der Savonnerie“ zu entwerfen!

Neben den Tapetenwirkereien unterhielten die französischen Könige nämlich noch Teppichwebereien, in welchen Fußteppiche, doch auch Behänge, nach der Weise des Orients und anfänglich auch nach seinen Mustern, in Plüsch gewebt wurden. Nach den neuesten Forschungen war Johann Forstier der erste Teppichweber, welcher ein solches königliches Privileg erhielt. Er wurde im Louvre neben den früher vorgeführten flamändischen Tapetenwirkern untergebracht. 1615 hatte Maria von Medicis in dem damals vor Paris gelegenen Dorfe Chaillot ein Hospital für hundert arme Kinder errichtet, und zwar in einem großen alten Gebäude, in welchem schon seit langen Jahren eine Seifenfabrik bestanden hatte und das deshalb den Namen „la Savonnerie“ führte. In diese Savonnerie wurde die königliche Teppichweberei verlegt und die dort erzogenen Kinder zu Lehrlingen und Arbeitern für dieses Kunstgewerbe herangebildet. Die neue Anstalt behielt den obigen Namen bei und führt ihn in ihren Producten sogar noch heute, obgleich letztere nicht mehr in jenem alten Locale verfertigt werden.

Die Plüschteppiche, welche in der Savonnerie gewebt wurden, müssen wahre Wunderwerke gewesen sein; dafür spricht unter Anderem jener Riesenteppich, welcher aus zweiundneunzig Theilen bestand [127] und den ganzen Fußboden der überaus langen Louvregallerie bedeckte. Die Fabrik der Savonnnerie war stets mit Arbeiten überhäuft, da alle königlichen Gemächer, sammt den Treppen, mit reichen „türkischen“ Teppichen belegt wurden und weil ferner dieselben sich ziemlich schnell abnutzten und deshalb oft erneuert werden mußten.

So reichten denn unter Ludwig dem Vierzehnten die Producte der Savonnerie nicht mehr aus, und 1614, zwei Jahre nach Errichtung der Gobelin-Manufactur, wurde daher von Colbert eine zweite königliche Teppichweberei in Beauvais errichtet, die heute noch, wenn auch unter anderen Verhältnissen als zur Zeit ihrer Gründung, besteht und die herrlichsten Producte aller Art Weberei liefert. Die Savonnerie arbeitete bis zur Revolution fort, wo sie nur noch vegetirte. Unter Napoleon hob sie sich zwar wieder, doch Ludwig der Achtzehnte ließ sie eingehen, und 1825 wurden ihre Arbeiter denen der Gobelin-Manufactur zugesellt.

Die Gallerie der Gobelins, welche heute, nach dem Brande unter der Commune, nur 85 Nummern umfaßt, besteht genau zur Hälfte aus Erzeugnissen der Savonnerie, welche allerdings meistens aus neuerer Zeit stammen. Doch enthält das „Mobilier National“, das frühere „Garde-Meuble de la Couronne“, unter vielen anderen kostbaren kunstgewerblichen Gegenständen noch eine überaus große Anzahl von prachtvollen Teppichen und Tapeten.

Wer die Gobelin-Ausstellung besucht hat, der wird an der Hand obiger Daten sich den Genuß in’s Gedächtniß zurückrufen, den ihm der Anblick der herrlichen gewirkten Tapeten und Teppiche bereitet hat. Wer aber die Ausstellung noch nicht gesehen, der möge sich durch die hier gemachten Mittheilungen angetrieben fühlen, bei einem Besuche der Seinestadt an den Gobelins nicht vorüberzugehen; denn wenn auch heute in kleineren Verhältnissen, so gehört die Gobelin-Manufactur doch immer noch zu den anziehendsten Sehenswürdigkeiten von Paris, da ihre Tapeten und Teppiche unbedingt die künstlerisch schönsten und auch historisch interessantesten sind, welche existiren.


  1. Kepfler wird wohl der richtige Name und der deutsche Färber Kepfler, welcher 1643 nach England zog und dort die Färbekunst durchaus umgestaltete, ein Nachkomme des deutschen Erfinders gewesen sein. Nannte man doch noch hundert Jahre später in England die Scharlachfarbe Bowdge, weil Kepfler seine Färberei in einem Dorfe Bow bei London errichtet hatte und betrieb.
  2. Unter Colbert wurde bald in Frankreich jährlich für für 500,000 Livres Krapp oder Garance gezogen und verarbeitet. Eine ähnliche Bedeutung erhielt für Deutschland die Waidpflanze, der deutsche Indigo, die in früheren Jahrhunderten besonders in Thüringen stark angebaut wurde. Hießen doch die Städte Erfurt, Gotha, Langensalza, Tennstädt und Arnstadt die fünf Waidstätte. 1616 gab es mehr als dreihundert thüringische Dörfer, welche Waid bauten. Doch der wirkliche Indigo verdrängte den Waid, und im vorigen Jahrhundert wird nur noch das Dorf Friemar bei Gotha genannt, das sich mit seiner Pflanzung befaßte.
  3. Diese „Instruction générale“, 1669 und 1672 in Paris veröffentlicht, erhielt im vorigen Jahrhundert den Titel: „Le teinturier parfait, ou l’instruction nouvelle et générale“ und bildete lange Zeit sozusagen das Evangelium der Färber. Auch wurde sie von Johann Jacob Marperger in’s Deutsche übersetzt und herausgegeben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Potier