Aus der Briefmappe der Gartenlaube

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Autor: Ernst Keil
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Titel: Aus der Briefmappe der Gartenlaube
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 814-816
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[814]
Aus der Briefmappe der Gartenlaube.
Zusammengestellt von E. K.


G. in M. Es ist richtig, daß eine Bewegung im Gange ist, durch welche in Bezug auf die neue Standesamtseinrichtung irrthümliche Vorstellungen erzeugt und die Begriffe der Bevölkerungen verwirrt werden sollen. Katholische wie protestantische Jesuiten betreiben diese offene oder versteckte Hetzerei gegen den klaren Geist und Sinn jenes unbedingt segensreichen Staats- und Reichsgesetzes mit so frevelhafter Planmäßigkeit, daß in der That ein gründliches und energisches Gegenwirken dringend nothwendig geworden ist. Aber es ist eben so gewiß, daß man die Angelegenheit nicht mehr berühren kann, ohne der neu entstandenen protestantischen Synoden zu gedenken, und daß verschiedene Berathungen und Beschlüsse dieser Synoden in den weitesten Kreisen der gebildeten bürgerlichen Welt eine sehr tiefgreifende Erbitterung und Entrüstung hervorgerufen haben.

Die Bestrebungen dieser Leute, d. h. der orthodoxen Partei in der Synode, gehen einfach dahin, die volle Kirchenzucht wieder einzuführen. Zu diesem Zwecke soll von jetzt ab eine Controle errichtet und sollen von der Kirche uns Wächter gesetzt werden, die unser kirchliches Wohlverhalten geschäftsmäßig zu beaufsichtigen haben. Vor den Briefen und Besuchen, den väterlichen Anfragen und Verwarnungen dieser modernen Inquisitoren und Executoren wiederhergestellter „Kirchenzucht“ wird also fortan nur das Haus desjenigen evangelischen Bürgers gesichert sein, der den Herren keinen Anlaß zu Einmischungen giebt, oder sie mit Anstand sich vom Leibe zu halten weiß. Neugierig darf man dabei nur sein, ob sich wirklich viele Bürger finden werden, die ihren Mitbürgern gegenüber die Rolle des Ermahners und Gewissensspürers zu übernehmen wagen. Es dürfte das in unseren Tagen doch häufig ein recht heikles Geschäft werden.

Aber sollte es wirklich in Deutschland noch Menschen geben, die mit offenen Augen nicht sehen, daß es sich bei diesem Kriege wider die Civilehe nicht um eine Frage des Gemeinwohls, der wahren Religion und Sittlichkeit handelt, sondern nur um eine Stellungs- und Interessenfrage priesterlichen Machtbedürfnisses und zelotischen Ehrgeizes? Viele nichtpietistische Geistliche bezeichnen den Kampf deshalb auch als einen Pfaffenkampf und halten sich demselben fern. Wer in aller Welt verliert denn auch, wer ist denn gestört oder verletzt durch den Umstand, daß kirchliche Gebräuche, wie Trauung, Taufe etc., nunmehr seiner freien Selbstbestimmung überlassen bleiben? Zeige man uns doch den Menschen, der fortan an der Uebung dieser frommen Acte gehindert würde. Sind sie denn etwa gar verboten oder abgeschafft worden, erhalten sie nicht vielmehr erst ihren Werth und ihre rechte Weihe durch die Freiwilligkeit des inneren Dranges?

Davon aber will bekanntlich der orthodoxe Geist nichts wissen, weil er weiß, daß er nicht die Fähigkeit besitzt, durch seine eigene Kraft eine Autorität zu gewinnen, wie sie ihm bis jetzt mit der bloßen geistlichen Amtsstellung so überaus bequem in den Schooß gefallen ist. Er bedarf für seine Existenz der kirchlichen Zwangsmittel, und wo diese seinen Händen entgleiten, da geht es in der That mit seiner Herrschaft zu Ende. Darum können es die Orthodoxen dem Staate nicht verzeihen, daß er ihnen den bisherigen Dienst nicht mehr leisten will, und darum sinnen sie grollend auf Maßregeln, wie trotz alledem der vom Staate in religiöser Hinsicht freigemachte Bürger auch fernerhin dem alten Zwange unterworfen bleiben soll. Die Berechnung, von der man dabei ausgeht, ist eine ziemlich schlaue. Das Ziel wäre erreicht, wenn es gelänge, an die Stelle des beseitigten staatlichen Zwanges den nicht minder tyrannischen Zwang der Sitte, eine Nöthigung durch den gesellschaftlichen Brauch zu setzen. Zu diesem Zwecke aber muß in den Augen des Volkes der Act der bürgerlichen Eheschließung herabgewürdigt, müssen bei den Unwissenden Zweifel an der vollen Gültigkeit dieses Actes erregt, muß er anrüchig gemacht und gleichsam mit einem sittlichen Makel behaftet, d. h. die nur vom Standesamt bewirkte Ehe als unrespectabel, gleichsam als Concubinat bezeichnet werden. Wer die Dinge kennt, der weiß, daß die betreffenden geistlichen Agitationen sämmtlich auf diese Absicht hinauslaufen. Das deutsche Volk aber hat sich bis jetzt redlich dieser Finsterlinge erwehrt; es wird sich auch in einem so hochwichtigen Punkte nicht von ihnen irre machen lassen und die frommen Intriguenschmiede an die betreffenden Aussprüche Luther’s erinnern, der u. A. einst wörtlich geschrieben hat: „Gott läßt oft in der Schrift bezeugen, er wolle keinen gezwungenen Dienst, und soll Niemand sein werden, er thue es denn aus Lust und Liebe. Hilf Gott, haben wir denn nicht Sinne und Ohren? Ich sage abermal: Gott will nicht gezwungenen Dienst haben; ich sage zum dritten Mal, ich sage hunderttausend mal: Gott will keinen gezwungenen Dienst haben.“ Ein solcher gezwungener Dienst aber würde jetzt die auf Betrieb jener Dunkelmänner wiederhergestellte äußere Nöthigung zu kirchlichen Handlungen sein.

O. in Rom. Welches Urtheil wir über das vielbesprochene Buch des Grafen A. Adelmann: „Aus Italien. Sieben Monate in Kunst und Natur“ fällen? Wir selbst – gar keins, denn wir kennen es kaum und haben es nicht gelesen. Ein lieber Freund, ein feingebildeter Kopf und vielgereister Mann, der selbst viele Monate in Italien lebte, schrieb uns aber ganz zufällig vor einigen Monaten darüber:

„Auch die Adelmann’schen Briefe über Italien habe ich theilweis gelesen, [815] theilweis durchblättert und sie haben mir in der angenehmsten Weise die mir so wohlbekannten Schätze Italiens in Kunst und Natur vor Augen geführt. Der Verfasser erzählt seine Reise nicht wie ein Gelehrter oder Künstler, sondern wie ein Mann, der mitten im Leben steht, die Kunst ansieht mit dem Auge eines gebildeten Laien und die Natur nicht mit den Augen, sondern durch die Augen mit dem Herzen. Seine durchaus natürlichen Landschaftsschilderungen drücken eine so warme Liebe für die Natur, ein so feines Verständniß für die tausendfach verschiedenen und wechselnden Schönheiten der südlichen Landschaft aus, daß Jeder, der ein warmes Herz für die Reize der Natur hat, nur mit Vergnügen dem ‚Maler mit Worten‘ folgen wird. Freilich fehlt dem Ganzen auf der andern Seite eine packende Originalität mit dem Hintergrunde gründlicher Kenntnisse auf dem Gebiete der Kunst und Kunstgeschichte, aber wer Italien noch nicht kennt oder als Tourist, ohne Ansprüche auf gründliche Kenntnisse, diese seligen Gefilde durchwandert hat, muß an den leichten gefälligen Schilderungen des Verfassers Gefallen finden.“ – So weit der Freund.

Das Vorwort des Buches haben Sie wohl überschlagen, sonst würden Sie nicht die Vermuthung ausgesprochen haben, daß Graf Adelmann ein junger Diplomat sei. Der Verfasser des Buches lebt als Cavallerie-Officier in Ludwigsburg.

B. in Wsd. Nicht doch, alter lieber Freund! Ihr Schmerz mag ein unsäglicher, Ihr Haß ein gerechter sein, aber Ihre Thränen wecken die Todte nicht und Ihr Haß macht das Herzeleid nicht ungeschehen. Mit August Hermann Hain[WS 1] rufen wir Ihnen zu:

Gehst du an einem Grab vorüber,
D’rin ruht ein Leben, dir einst lieb,
Das oftmals dich gekränkt, gequälet,
O, dann vergieb! O, dann vergieb!

Erscheint ein Herz, das dich verlassen,
Das tief in Dankes Schuld dir blieb,
Entblößt und arm vor deiner Pforte,
O, dann vergieb! O, dann vergieb!

Und naht ein Wesen dir in Thränen,
Zu dem dich deine Seele trieb,
Das kalt sich einst von dir gewendet,
O, dann vergieb! O, dann vergieb!

R. in Mg. Nicht von Ihnen allein wurde die Redaction der Gartenlaube in letzterer Zeit mit Anfragen bestürmt, aus welchem Grunde nicht wie früher eine Veröffentlichung der in Zeitungen angepriesenen Geheimmittel zu erfolgen pflege. Die Ursache des jetzigen Schweigens ist unschwer zu errathen. Jahrzehnte lang hat die Gartenlaube die Herkulesarbeit auf sich genommen, durch Beschreibung der Zusammensetzung der bekanntesten Geheimmittel ihren Lesern klar vor Augen zu führen, daß die betreffenden Mittel nie etwas Neues enthalten, sondern ausnahmslos aus bekannten Stoffen bestehen. Diese Danaidenarbeit war zwar für die Denkenden fruchtbringend, doch konnte dieser relativ kleine Theil der Bevölkerung unmöglich das Fortblühen der Wucherpflanze unterdrücken. Von dem Arzte wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, daß er die Leiden seiner Kranken mildert, nimmt aber ein Laie ein medicinisches Buch zur Hand und besitzt er dabei hinreichende Körperstärke, um durch Kneten, Streichen und Drücken einen genügenden Heiligenschein um sich zu verbreiten, so ist der Wundermann fertig, dessen übernatürliche Kräfte bald kaum mehr der Anzahl der Hülfesuchenden gewachsen sind. Der gleiche Fall tritt ein, wo es sich um Geheimmittel handelt. Vor Allem betrogen wird der Theil des Publicums, welcher in Folge der Erziehung oder allzu einfacher Geistesanlagen unfähig ist, das Widersinnige der Anpreisungen zu durchschauen, sondern, noch von dem Grundsatze ausgehend, daß Gedrucktes und Wahrheit als identisch zu betrachten sind, oft seine letzten Groschen auf dem Altare dieser modernen Räuberei opfert. Wer aber nicht im Stande ist, selbstständig zu handeln, muß bevormundet werden, und allein dem Staate ist es möglich, in dieser wichtigen Sache das entscheidende Wort zu sprechen. Es kann dies leicht geschehen, wie das Beispiel eines Ländchens, des Cantons Luzern in der Schweiz, zeigt, welches durch ein einfaches Gesetz dem ganzen Geheimmittelschwindel die Spitze abgebrochen hat. Dieses Gesetz lautet:

„1) Jeder Fabrikant oder Verkäufer eines Geheimmittels, welcher die Erlaubniß zum Annonciren oder zum Verkaufe begehrt, ist gehaltenen zu übermitteln: a. die Annonce, wie er sie gehalten wissen möchte, nebst Angabe des Preises, wie das Mittel im Detail verkauft wird; b. das Recept; c. eine zum Versuche hinreichende Portion des Fabrikates.

2) Beides Letztere wird einem amtlich beeidigten Chemiker übergeben der nach vorgenommener Untersuchung schriftlich an die auftraggebende Behörde referirt.

3) Das Recept bleibt in Händen der Sanitätsbehörde. Die Geheimhaltung wird dem Antragsteller amtlich zugesichert.

4) Petent deponirt zum Voraus bei der Sanitätsbehörde eine von ihr in jedem speciellen Falle zu bestimmende Summe.

5) Bei Mittheilung der Erkenntnisse wird allfälliger Ueberschuß der deponirten Summe retournirt.“

Der Erfolg dieses Gesetzes trat bald zu Tage. Die Anzeigen von Geheimmitteln haben sich in den Cantonsblättern von Luzern nicht nur auffallend vermindert, sondern sind außerdem in einem so bescheidenen und anständigen Tone gehalten, daß sie kaum mehr einen großen Schaden anrichten können. Gerade das entgegengesetzte Verhältniß waltet in Deutschland ob, und es würde das neue Reichsgesundheitsamt dem deutschen Volke eine große Wohlthat erweisen, wenn es durch ein ähnliches Gesetz den gleichen glücklichen Zustand herbeiführte.
Dr.a –.

K. in L. Ob der baden’sche Priester, dessen Proceß in Sachen der „gnadenvollen Erzbruderschaft“ damals in Karlsruhe oder Rastatt verhandelt wurde, nachträglich noch bestraft worden ist, können wir Ihnen heute nicht angeben, jedenfalls ist aber mit der damaligen Brandmarkung die Agitation der Schwarzen zum Beitritt in diese religiöse Gesellschaft nicht eingestellt und wird – namentlich in Frauenkreisen – noch mit aller Energie fortgesetzt. Wir sind zufällig in Besitz eines Aufnahmescheines gekommen und benutzen diese Gelegenheit zur Veröffentlichung desselben, zum Beweise dafür, welchen Blödsinn sich deutsche Landeskinder noch im neunzehnten Jahrhunderte bieten lassen. Das Decret (gedruckt und mit einem schönen Marienbilde aus der Kunst-Anstalt der Gebrüder Benziger in Einsiedeln geschmückt) lautet:

Aufnahme
in die gnadenvolle Erzbruderschaft
Maria von Trost.
––
I. Obliegenheiten der Mitglieder.

1) Müssen sie von einem dazu bevollmächtigten Priester nach der vorgeschriebenen Form persönlich angenommen werden.

2) Müssen sie einen geweihten schwarzledernen Gürtel um die Lenden tragen.

3) Müssen sie alle Tage dreizehn Vaterunser und Ave Maria und zum Schluß ein Salve Regina (oder statt desselben fünf Ave Maria) für die Wohlfahrt der heiligen Kirche und des päpstlichen Stuhles beten.

4) Sofern sie nicht rechtmäßig gehindert sind, sollen sie auch fleißig den Bruderschafts-Gottesdiensten und Processionen beiwohnen, an den Festen Mariä, St. Augustini etc. beichten und am Vorabend vor St. Augustini (27. August) Fasttag halten.

NB. Diese Regeln verbinden unter keiner Sünde.

II. Vortheile und Gnaden.

Diese heilige Erzbruderschaft enthält einen so großen Schatz von Gnaden und namentlich von heiligen Ablässen, wie solche in dem Summario Seiner päpstlichen Heiligkeit Clemens X. vom 27. März 1675 und in unserm Bruderschaftsbüchlein weitläufig zu ersehen sind, daß Papst Gregorius XII. mit Recht dieser heiligen Erzbruderschaft den Titel der „ersten und vornehmsten Bruderschaft aus allen Bruderschaften“ beigelegt hat; denn:

1) Gewinnen die Brüder und Schwestern vollkommenen Ablaß am Tag der Einverleibung nach Beicht und Communion.

2) Werden Alle, sowohl im Leben als im Tode, theilhaftig aller guten Werke und heiligen Messen des ganzen Augustinerordens.

3) Können sie alle Ablässe aller heiligen Ordensstände und deren Bruderschaften etc. gewinnen, wie wenn sie persönliche Mitglieder derselben wären, wofern sie dasjenige verrichten, was jene Ablässe insbesondere vorschreiben.

4) Dreimal im Jahre können sie noch eigens den großen Portiunkulä-Ablaß gewinnen, als: am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt, an Mariä Geburt und am nächsten Sonntag nach dem 10. September.

5) Sechsmal im Jahre können sie, und alle Christgläubigen, den päpstlichen Segen mit vollkommenem Ablaß in unserer Augustiner-Eremiten-Ordenskirche erlangen, nämlich: am heiligen Weihnachts-, Oster- und Pfingsttag; dann an Mariä Verkündigung, Mariä Himmelfahrt und am Titularfest (welches dahier am Schutzengelfest gehalten wird).

6) Wenn die Mitglieder auch Gutthäter der Bruderschaft sind, so werden sie überdies auch noch – lebendig und todt – auf ewig theilhaftig aller Wallfahrten und Stationen des gelobten Landes, zu Rom bei St. Peter und Paul etc., sowie aller Gebete und guten Werke, die in der gesammten Christenheit und von jedem einzelnen Christen insonderheit geschehen.

7) Auf dem Todbette erlangen sie die Generalabsolution und Erledigung von allen Sündenstrafen.

8) Wenn eines Mitgliedes Ableben durch diese zurückgeschickte Urkunde wird angezeigt werden, soll es am Titularfest auf öffentlicher Kanzel zum allgemeinen Gebete verkündet werden.

     In diese Bruderschaft ist angenommen:

          M ........ S ...... , Wittwe.

     Hafenlohr, den 1. September 1872.

Mart. Buch, Pf.

v. H. in G. Sollten bei etwas knapperer Benutzung Ihrer großen Einkünfte Ihre Magenleiden wirklich so oft eintreten? – Wir haben übrigens bereits früher auf das jetzt schon in dritter Auflage erschienene Buch: „Tisch für Magenkranke von Dr. J. Wiel“ hingewiesen und möchten doch bitten, da wir nicht noch einmal auf die Wiel’schen Theorien in ausführlicher Darstellung zurückkommen können, das Werk Ihrer Bibliothek einzuverleiben und zu studiren. Vielleicht thut dann der verteufelte Magen wieder seine Schuldigkeit.

J. C. R. in Gießen. Sie wünschen zu erfahren, ob die in einer Gesellschaft aufgestellte Behauptung, „daß in einer gewissen Tiefe des Meeres selbst centnerschwere Gegenstände nicht zu Boden sänken, weil das durch die obere Wassersäule zusammengepreßte Wasser dies unmöglich mache und daß in einer solchen Tiefe alles Leben aufhöre, gleichwie in den höheren Regionen der Luft“, begründet ist oder nicht.

Was nun den ersten Theil der Behauptung betrifft, so beruht er auf dem Irrthume, daß die Dichtigkeit des Wassers mit der Tiefe in einem ähnlichen Verhältnisse zunehmen müsse, wie die Luft. Diese Annahme trifft aber nicht zu, weil das Wasser und die Flüssigkeiten im Allgemeinen viel weniger zusammendrückbar sind, als die Gase. Selbst in der ungeheuren Tiefe von dreitausend Faden (zu sechs Fuß), unter einem [816] Wasserdrucke also von circa sechshundert Atmosphären, würde das Wasser nach W. F. Maury’s Berechnung nur um drei Maßprocente dichter sein als an der Oberfläche, das heißt: hundert Liter Wasser würden dort auf den Raum von siebenundneunzig Litern zusammengedrückt werden. In einem so wenig verdichteten Wasser sinkt noch jedes Sandkörnchen unter.

Interessanter ist der zweite Punkt Ihrer Frage. Wie oft haben Salon-Physiker ihr Publicum mit der Versicherung in Erstaunen gesetzt, daß jeder Mensch je nach seinem Körperumfang eine Atmosphärenlast von dreißig- bis vierzigtausend Pfund auszuhalten und beständig mit sich herumzuschleppen habe, aber weder Sie, noch Fräulein Taglioni werden jemals von dieser eingebildeten Last Beschwerden empfunden haben. Sie hebt sich, weil nach allen Seiten gleichmäßig drückend, von selbst auf und ist für das Wesen, welches darunter geboren ist, gleich Null. Und gerade so wenig, wie wir von unseren drei- bis vierhundert Centnern, werden die Tiefseethiere von einem mehrere hundert Mal größeren Drucke zu Brei gedrückt werden, ja denselben überhaupt nur spüren. Denn allerdings leben in Tiefen, die weit über tausend Faden hinausgehen, zahlreiche Thiere, wie dies die Tiefseeforschungen unserer Tage im Gegensatze zu früheren Annahmen gezeigt haben, und diese oft gallertartig weichen Bewohner des Meergrundes sterben im Gegentheil oftmals, wenn man sie in höhere Regionen hinaufbringt, ebenso wie der Mensch zu Grunde geht, wenn er sich im Luftballon über die Luftdichte, für die er organisirt ist, hinauswagt. Allerdings ist diese Gefahr für Wasserthiere wegen der geringeren Dichtigkeitsunterschiede kleiner als für die Luftthiere, doch giebt es einzelne in achtzig bis neunzig Faden Tiefe lebende Fische, die sogar mit einem Knalleffekt aus dem Leben scheiden, wenn man sie an einer langen Angelschnur plötzlich in die Höhe zieht. Die Luft in ihrer Schwimmblase ist nämlich bei dem in jenen Tiefen herrschenden Druck von fünfzehn bis sechszehn Atmosphären sehr stark zusammengepreßt und dehnt sich, wenn dieser Druck plötzlich hinweggenommen wird, bis zu einem explosionsartigen Zerspringen des Thieres aus, ebenso wie man die Schwimmblase eines in der Küche secirten Fisches unter der Luftpumpe zum freiwilligen Zerplatzen bringen kann.

V. Z. in K. Was wir von dem Geheimmittel eines Dr. Killisch, angeblich in Dresden-Neustadt, gegen die Epilepsie halten? Gar nichts! Es sollte nunmehr auch in der Laienwelt bekannt genug sein, daß die wissenschaftliche Heilkunde ein untrügliches Mittel gegen die Epilepsie überhaupt nicht kennt, ja daß große Autoritäten zu der Ueberzeugung gelangt sind, daß es ein solches nicht giebt. Ueber das Geheimmittel dieses „Dr. Killisch“, angeblich in Dresden-Neustadt, wo Kranke ihn jedoch vergeblich suchten und wo er gar kein Domicil haben soll, können wir Ihnen zufällig eine ebenfalls wissenschaftlich begründete Auskunft geben. Dem Untersuchungs-Büreau des pharmazeutischen Kreisvereins in Leipzig wurde von einem Kranken eine Flasche der von ihm gebrauchten Arznei übergeben, und dieses berichtet darüber wie folgt: „Das am 24. vorigen Monats übersandte Mittel gegen Epilepsie ist der Untersuchung zufolge weiter nichts, als eine Auflösung von fünf Gramm Bromkalium in zweihundert Gramm Wasser. Eine derartige Medicin würde, wenn vom Arzte verordnet, nach der sächsischen Arzneitaxe fünfundsechszig Pfennige kosten, das heißt zu diesem Preise wird sie von jeder sächsischen Apotheke angefertigt.“ Vergleichen Sie damit den Preis des Geheimmittels, so werden Sie sofort an Bock denken und von seinem berühmten Ausspruche sich warnen lassen.

R. in L. Außer dem „Globus“ existirt nur noch eine Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde, die unter der bewährten Leitung des Professors Otto Delitsch in Leipzig erscheinende illustrirte Wochenschrift „Aus allen Welttheilen“. In allgemein verständlicher und ansprechender Weise und doch mit der nöthigen Gründlichkeit bringt das Delitsch’sche Blatt, das außerdem mit guten Illustrationen geziert ist, Belehrungen über allgemeine Erdkunde, Berichte über die neuesten Entdeckungen, längere Notizen über die Thätigkeit der geographischen Gesellschaften, Schilderungen aus Natur- und Völkerleben – genug Alles, was für Freunde der Länder- und Völkerkunde Interesse hat. Wir empfehlen es auch Ihnen.

J. v. K. Ein „Kloster, worin junge Mädchen eine streng-religiöse Erziehung erhalten“ kennt allerdings die Redaction der Gartenlaube nicht, aber selbst wenn sie Kenntniß von der Existenz eines solchen „Verziehungs-Instituts“ hätte, würde sie im Interesse Ihrer Tochter darüber schweigen. Ein fröhliches, lachendes Kind in düstern Klostermauern – das ist für uns ein undenkbarer Gedanke.

Ch. D. in L. Die allerdings vielfach verbreitete Ansicht, das Motiv zu dem freiwilligen Tode des Freiherrn Otto von Reinsberg sei in angeblichen Nahrungssorgen zu suchen, sind wir in der Lage als völlig unbegründet zu bezeichnen, da uns authentische Schriftstücke vorliegen, welche den Beweis liefern, daß die Finanzen des Schriftstellerpaares Reinsberg-Düringsfeld nicht nur durchaus geordnet, sondern auch auf längere Zeit hinaus gesichert waren. Der Entschluß Rheinsberg’s, seiner Gattin in den Tod zu folgen, ist vielmehr auf das seit dem Hingang der Letzteren ihn beherrschende Gefühl unerträglicher Vereinsamung zurückzuführen.

Abonnentin in Memel. Sie haben den scheinbaren Widerspruch in Carus Sterne’s „Werden und Vergehen“, daß die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde sich mit fortschreitender Zusammenziehung stetig beschleunigt haben und dennoch früher schon größer gewesen sein soll, als heute, ganz richtig gelöst. Die Geschwindigkeit nahm zu, bis die weitere Zusammenziehung der zu einer festen Masse erstarrten Dampflinse verschwindend klein wurde, und nahm von da an durch eine noch nicht völlig aufgeklärte Ursache, wahrscheinlich durch die entgegengesetzt wirkende Bewegung der Ebbe und Fluth, langsam ab. Ein kleiner, an einem Bindfaden festgeknüpfter Körper, den man, die Enden des Fadens in den beiden Händen haltend, erst im weiten Kreise, dann, den Faden anziehend, im engern Kreise schwingen läßt, zeigt sehr deutlich die Beschleunigung der Bewegung in Folge der Verkürzung des Drehungsdurchmessers und kann somit zur Versinnlichung eines wichtigen Vorganges der Weltbildung dienen.

Nr. 8998616. Wir haben diesen Blödsinn in den Orcus unseres Papierkorbes versenkt und würden Ihnen verbunden sein, wenn Sie uns mit weiteren Einsendungen derartiger Stilübungen verschonen wollten. Solche Freunde fehlen Wagner noch, um seinem an sich großartigen Wirken mehr und mehr den Stempel der Lächerlichkeit aufzudrücken.

Champs Elysées. Mit 12,000 Mark jährlicher Einkünfte können Mann, Frau und Kind in jeder deutschen Stadt sehr anständig und behaglich leben. Es fragt sich nur, welche Gegend, ob Süd- Mittel- oder Norddeutschland, Ihnen am meisten convenirt.

M. C. H. in Sch. Sie wünschen unsere Ansicht darüber zu hören, ob die Verwesung und Fäulniß der Blätter und sonstiger Pflanzentheile nicht zuweilen die Waldluft gegen die allgemeine Annahme geradezu ungesund machen könnte? Ihre Frage bezieht sich also wesentlich auf den herbstlichen Laubwald, und sofern es nur die lebenden Blätter sind, welche Kühlung, Frische und Lebensluft (Sauerstoff) ausathmen, hat der Laubwald im Spätherbste und Winter, nachdem die Blätter aufgehört haben zu athmen, jedenfalls keine Fähigkeit, bessere Luft zu bieten, als jeder andere mehr oder weniger geschützte Platz im Freien. Auch ist es zweifellos, daß die verwesenden Blätter der Luft Kohlensäure und einige andere Verwesungsgase zuführen wie denn der Waldluft an feuchten Herbsttagen ein entschieden dumpfiger Geruch eigen ist. Natürlich wird man also im Spätherbste den Nadelwald mit seiner spärlichen Streu als Luftcurort vorziehen. Eine bemerkenswerthe Schädlichkeit, die durch das verwesende Laub hervorgebracht würde, ist aber andererseits nicht zu befürchten, wie Sie ja auch an dem durchschnittlichen Wohlbefinden der Winter und Sommer im Walde hausenden Förster erkennen können. Das Laub giebt nämlich, ehe es fällt, die stickstoffreicheren Bestandtheile dem Baume zurück, und gerade diese sind es, welche bei der Verwesung die schädlichsten Gase erzeugen würden. Nachdem der erste Zersetzungsproceß schon im Wipfel erfolgt ist, geht die vollständige Verwesung am Boden so langsam vor sich, daß ihre Gase nicht merklich die Zusammensetzung der immerfort in den Tropenwäldern erfrischten und gerade in dieser Jahreszeit bei uns lebhaft bewegten Luft ändern können.

E. V. 21. Die Bühne ist in gewissem Sinne ein so unebener Boden, daß sehr oft Künstler mit gesunden Füßen darauf straucheln. Wir würden Ihnen daher trotz der schützenden Schleppkleider nicht rathen, sich mit Ihrem hinkenden Beine auf die weltbedeutenden Bretter zu wagen. – Manuscript unbrauchbar.

F. T. in Elberfeld. Nur viertausend Mark wünschen Sie von der „Gartenlaube“ für die weitere Ausbildung der jungen Künstlerin? Recht bescheiden! Aber vergessen Sie nicht, daß wir heute noch im November leben und Carnevalsscherze erst im Februar zur rechten Zeit kommen!

Stuttgart. Ueber den lange Zeit in Amerika vermißten und durch die „Gartenlaube“ gesuchten Gust. Hermann Blumhardt aus Stuttgart schreibt uns ein Herr Wanner in Walhalla. „Soeben kommt mir die ‚Gartenlaube‘ (Jahrgang 1875) in die Hände, und finde ich darin eine Liste von Vermißten, unter Andern auch Nr. 206: Gustav Hermann Blumhardt aus Stuttgart (Württemberg), welchen ich, wenn er der Sohn eines Hauptmann Blumhardt’s war, ganz gut kannte. Derselbe stand mit mir im Jahre 1874 in der Comp. D., 1. U. S. Cavalry-Regiment und fiel an meiner Seite von unzähligen Kugeln durchbohrt in „the battle of the Wilderness“ am 6. Mai 1874.“

L. N. in Birmingham. In London können Sie abonniren bei A. Duensing, 8 Little Newport-Street, Leicester Square oder bei August Siegle, 110 Leadenhall-Street oder bei Trübner u. Comp., 50 u. 59 Ludgate-Hill.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. August Hermann Hain (1848–1927), Vorlage: Hermann Hain