BLKÖ:Lißnyai, auch Lisznyai, Coloman

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 243. (Quelle)
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Lißnyai, auch Lisznyai, Coloman (ungarischer Poet, geb. zu Herencsény im Neograder Comitate, im sogenannten Palóczenlande, 13. October 1823, gest. 12. Februar 1863). Sein Vater lebte als Unternotär, später als Gerichtstafel-Beisitzer zu Neograd, die Mutter hatte er frühzeitig verloren. Zu Losoncz besuchte er die Elementarschulen, zu Preßburg und Eperies das Gymnasium. Höhere Schulen hatte er nicht besucht. Er wurde nun Vicenotär und dann Beisitzer der königlichen Tafel des Neograder Comitates, in welcher Stellung ihn das Jahr 1848 fand. In diesem Jahre war er einer der zehn, Deputirten, welche von Pesth zum siebenbürgischen [244] Unionsreichstage geschickt wurden. Nun, heißt es nach Einigen, sammelte er, da er durch seine bisherigen Lieder sich schon einen Namen gemacht und einen kleinen Anhang besaß, ein Freiwilligen-Corps, an dessen Spitze er den damaligen Krieg mitmachte und gefangen wurde; nach Anderen aber trat er als gemeiner Huszar in ein Szekler-Regiment, wurde vom Schlachtfelde zu Kápolna als Courier nach Debreczin geschickt, daselbst mit Hauptmannsrang Görgey als Reichshistoriograph zugetheilt und später zum Major ernannt. Nach der Waffenstreckung von Villágos wurde er als Gemeiner in ein österreichisches Regiment eingereiht, in welchem er 22 Monate diente und mit demselben in Italien, Tirol und in Schleswig-Holstein stand. Nachdem er wieder seine Entlassung erhalten, ging er nach Pesth, wo er seit 1853 in literarisch beschäftigter Muße lebte. Mit Emerich Vahot machte er eine Reise durch Ungarn und veranstaltete mit ihm, wo sich Aussichten auf Erfolg zeigten, öffentliche Declamations-Soiréen. Er war mit Ida von Haláß verheirathet. Mit den irdischen Glücksgütern, die ihm, nachdem er mehrere kleinere Erbschaften gemacht, nicht eben spärlich zugemessen waren, verstand er nicht hauszuhalten und so hatte er sein ganzes Vermögen und was ihm seine Frau mit der Heirath zugebracht, verloren, und war, diese und zwei Kinder, Elemér und Tihamér, in Armuth hinterlassend, nach einer langen schmerzlichen Krankheit im Alter von erst 43 Jahren gestorben. Mit seinen poetischen Arbeiten trat er bereits im Jahre 1838 im Athenaeum auf, worauf in verschiedenen Journalen viele einzelne Gedichte erschienen. Die erste Sammlung derselben, die er veröffentlichte, trägt den Titel: „Tavaszidalok“, d. i. Frühlingslieder (Pesth 1847). Nun folgten in bald größeren, bald kleineren Zeiträumen: „Palóczdalok“, d. i. Paloczenlieder (ebd. 1851); – „A madarak pajtása“, d. i. Der Genosse der Vögel (ebd. 1854); – „Uj paláczdalok“, d. i. Neue Paloczenlieder (ebd. 1858); – „Szerelem könyve“, d. i. Das Buch der Liebe, von Ruttkay 1847 herausgegeben; – „Ket dala“, d. i. Zwei Lieder (Pesth 1860); – „Dalzongora“, d. i. die Liederharfe (ebd. 1858) – und „Szavalat könyve saját költemenyeiből“, d. i. Declamationsbuch aus eigenen Gedichten (Pesth 1861). Was sich in seinem Nachlaß gefunden, ist nicht bekannt, aber bei Lebzeiten trug er sich noch mit der Bearbeitung eines ernsten Epos: „St. Stephan“ und mit der Zusammenstellung einer Sammlung, die den Titel „Oltár virágok“, d. i. Blumen des Altars, führen sollte. Lißnyai war, so lange er lebte, ein ebenso im guten als schlimmen Sinne verketzerter Poet. Während die Einen ihn nicht genug bewundern und in den Himmel heben konnten, ließen es die Anderen nicht an gehässigen, ja bübischen Angriffen fehlen. Wieder mußte der Tod versöhnend zwischen beide Parteien treten, um dem Poeten – und ein solcher war L. – das volle Recht werden zu lassen. Nachdem L. in Elend und Armuth, die er freilich auch ganz selbst verschuldet, gestorben, war man einig geworden, daß er ein Dichter, ein guter ungarischer Dichter gewesen. Weitaus das Bedeutendste – weil Eigenthümlichste – was er geschrieben, sind seine zwei Bändchen Palóczenlieder. In diesen, in einem nordungarischen Dialekte gedichteten Liedern, schildert er Alles, was der Sohn des Feldes und des Waldes denkt und fühlt. Es ist eine manchmal fast ausschweifende [245] Phantasie, welche aus diesen Dichtungen spricht, die uns berauschen und gar wunderbar anmuthen. Freilich verläßt er und leider nur zu früh diesen Weg und gefällt sich in barocken überschwenglichen Bildern. Kertbeny, dem wir, wie weiter unten angegeben, das Beste von Lißnyai’s Dichtungen in deutscher Uebersetzung verdanken, schreibt über ihn: „Ueberschwengliche, oft sogar geschraubte Phantasie, eine oft herzig kindliche, manchmal auch kindische Sprachweise, eine Fülle von Diminutiven des Palóczendialektes und originelle Bezeichnungsworte frappirten anfänglich die Leser, doch die Manier artete später in Manierirtheit aus, in Ueberzuckerung und Bilderüberhäufung, was die Kritik nicht ungerügt ließ. Trotzdem finden sich unter den vielen Gedichten Lißnyai’s manche, welche echte Juwelen sinnlicher Phantasie, schöner Bilder und satten leuchtenden Colorits sind, die den wahren Dichter verrathen, und einzelne seiner Lieder scheinen geradezu hingehaucht. Die Poesie wurzelt bei ihm übrigens mehr im Instinct, als daß sie Product künstlerischen Bewußtseins wäre.“ In allen Gedichten L.’s zeigt sich aber der unverkennbar-nationale Typus des „Volkes aus Osten“. Jedoch muß hier ausdrücklich bemerkt werden, daß diese von Lißnyai veröffentlichten Palóczenlieder nicht etwa Volkslieder dieses in Ungarn lebenden Menschenstammes, sondern nur Weisen und Gesänge von und in der Art sind, wie etwa die Palóczen sie haben oder haben könnten. In dieser Hinsicht ist L. auch in Ungarn als der Schöpfer eines bis vor ihm unbekannten Genres, der Dialektdichtung, zu betrachten. Erwähnung verdient noch, daß es Lißnyai war, der im Jahre 1845 dem nachmals so berühmt gewordenen Petöfi hilfreich die Hand bot, als dieser noch völlig unerkannt in’s großstädtische Leben trat.

Az orszag tükre, d. i. Der Reichsspiegel (Pesther illustrirtes Blatt, gr. 4°.) I. Jahrg. (1863), S. 71: „Lisznyai meghalt“, d. i. Lisznyai’s Tod, von Karl Vadnai. – Koszorú, d. i. der Kranz (Pesth, schm. 4°.) 1863, Nr. 8, S. 190 [nach diesem geboren am 13. October 1823]. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1836, Gustav Emich, 8°.) I. Theil, S. 298. – Valkai (Imre), Irodalmi s művészeti Daguerreotypek, d. i. Schriftliche und künstliche Daguerreotypen. Von Emerich Valkai (Wien 1838, Sommer, 8°.) S. 64. – Gedichte von Koloman Lysznyai. Aus dem Ungarischen übersetzt von K. M. Kertbeny (München 1859, Rieger, 32°.) S. V– VII: Lisznyai’s Biographie. – Kertbeny (C. M.), Album hundert ungrischer Dichter (Dresden, Pesth, Wien 1854, 12°.) S. 291, 418–422, 468, 508. – Fata Morgana (Pesther Unterhaltungsblatt, gr. 4°.) I. Jahrgang (1865), Nr. 22, S. 68. – Dichtungen von Johann Garay. Aus dem Ungrischen übersetzt durch Kertbeny (Wien 1857, Carl Helf, 32°.) S. 95, 132, 133, 142. – Ungarns Männer der Zeit. Biografien und Karakteristiken hervorragendster Persönlichkeiten. Aus der Feder eines Unabhängigen (Prag 1862, A. G. Steinhausser, 8°.) S. 316. – Silhouetten und Reliquien. Erinnerungen an Albach, Bettina u. s. w. Von K. M. Kertbeny (Prag 1863, I. L. Kober, 8°.) Bd. I, S. 202; Bd. II, S. 56, 211. – Ungarische Nachrichten (Pesther Journal, gr. Fol.) 1863, Nr. 50. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1863, Nr. 63. – Porträte. 1) Unterschrift: Lisznyai Kálmán (Facsimile), (lith.) Barabás 1852 (A. F. Walzel, Pesth 1852, Beilage des Hölgyfutar, Nr. vom 13. November 1852); – 2) Unterschrift: Lisznyai Kálmán (Facsimile), (lith.) Barabás 1854, Beilage des Déllbáb (gedruckt bei A. F. Walzel in Pesth 1854, dieses und das vorige in kl. Fol.); – 3) auf dem großen, 1856 von Barabás lithographirten Gruppenbilde „Magyar irók arczkepcsarnoka“, I. – Deutsche Uebersetzungen der Gedichte Coloman Lisznyai’s. Gedichte von Koloman Lysznyai. Aus dem Ungrischen [246] übersetzt von K. M. Kertbeny (München 1859, Matth. Rieger, 32°.), außerdem haben übersetzt Ladislaus Pyrker: „Glockenklang“ (im Pesther Sonntagsblatt 1855, Nr. 38), Ritter von Levitschnigg: „Das Begräbniß der Nachtigall“ (ebd. 1854, Nr. 2); D. Dudumi mehrere Lieder (ebenda, 1854, Nr. 7, 10 u. 46) und Adolph Dux, Achtundzwanzig Lieder in seinen „ungarischen Dichtungen“ (Preßburg 1854). –