BLKÖ:Mandl, Ludwig

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mandl, Christoph
Band: 16 (1867), ab Seite: 364. (Quelle)
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Mandl, Ludwig (Arzt, geb. zu Pesth, nach Anderen zu Preßburg [365] in Ungarn im Jahre 1812). Ein Sohn wohlhabender israelitischer Eltern, erhielt er die erste Ausbildung in den Elementarclassen der israelitischen Normalhauptschule in Pesth, dann am Piaristen-Gymnasium ebenda. Um die Philosophie zu hören, begab er sich nach Wien, kehrte aber bald wieder nach Pesth zurück, wo er die philosophischen und medicinischen Studien beendete. Neben der Arzneiwissenschaft fesselte ihn insbesondere noch das Studium der Mathematik, und um höhere Mathematik unter Ettingshausen, Astronomie unter Littrow zu hören, begab er sich wieder nach Wien, wo er bis zum Jahre 1835 verblieb. Nun kehrte er nach Pesth zurück, erlangte dort im März 1836 die medicinische Doktorwürde und gab aus diesem Anlaß die seinem Lehrer Littrow gewidmete Dissertation: „Sanguis respectu physiologico“ heraus. Obgleich bereits Doctor, trieb ihn sein Wissensdrang zur Fortsetzung seiner Studien und im Herbste 1836 begab er sich nach Paris, wo er mit allem Eifer seine Studien fortsetzte und in den ersteren Jahren insbesondere mikroskopischen Beobachtungen oblag. Paris wurde nun seine bleibende Wohnstätte und die Wiege seines wissenschaftlichen Rufes, den er durch gründliches Wissen und tüchtige Leistungen und nicht durch die künstlichen Hebel der Reclame erworben. Schon seine Abhandlung „Ueber die Mittel zur Entdeckung des Eiters im Blute“, welche er in der „Academie des sciences“ am 20. Februar 1837 in französischer Sprache unter dem Titel; „Sur les moyens de decouvrir le pus dans le sang“ vorgelesen, richtete die Aufmerksamkeit auf den jungen Arzt. Die Abhandlung wurde in die Schriften der Akademie aufgenommen. Schon im folgenden Jahre begann er die Herausgabe seines Hauptwerkes: „Anatomie microscopique“, welches in zwanglosen Lieferungen erschien und im Jahre 1858 in zwei großen Foliobänden mit 92 Tafeln ausgestattet, vollendet ward. Die Muße, welche ihm die Herausgabe dieses Werkes ließ, benützte er zu mehreren kleineren Arbeiten und so kamen nach und nach heraus sein „Traité pratique du Microscope“ (Paris 1839, J. B. Baillière), eine Uebersetzung des deutschen Werkes von Ehrenberg; – „Memoires d’Anatomie pathologique“ (ebd. 1840, Béchet et Labé); – „Manuel d’Anatomie appliqué à la Physiologie et à la Pathologie“ (ebd. 1844, Baillière), welches auf Vorschlag des Conseil royale von dem Minister des öffentlichen Unterrichtes, Villemain, mit Decret vom 3. September 1844, als Lehrbuch an den Écoles preparatoires de Medecine eingeführt wurde; – „Anatomie générale“ (ebd. 1843, Baillière), eine von der französischen Akademie, aber viele Jahre später, 1858, gekrönte Preisschrift; – „Traité d’Anatomie microscopique“ (ebd. 1847), welcher Schrift auch später mit Beschluß vom 4. März 1850 von Seite der Akademie der Preis zuerkannt wurde. Mit dieser literarischen Thätigkeit verband M. eine nicht minder erfolgreiche als praktischer Arzt und Fachmann. So wurde ihm im Jahre 1845 der Auftrag von Seite der Pariser medicinischen Facultät, mehrere anatomische Präparate anzufertigen; auch begann er im Jahre 1846 am College de France seine Vorlesungen über mikroskopische Anatomie, angewendet auf Physiologie und Anatomie, worüber ihm von Seite des Ministeriums, damals war Salvandy Minister des öffentlichen Unterrichtes, ein anerkennendes Zeugniß anläßlich der [366] guten Erfolge seiner Vorträge gegeben wurde. Auch begann M., um für die Aufnahme der Mikroskopie in der ärztlichen Wissenschaft mit noch größerem Erfolge zu wirken, im Jahre 1846 mit der Herausgabe einer periodischen Monatschrift unter dem Titel: „Archives d’anatomie générale et de physiologie“. So ist Dr. M. seit mehr denn einem Vierteljahrhundert in der Weltstadt an der Seine mit anerkanntem Erfolge für seine Wissenschaft thätig. Im Jahre 1862 hat er an der Pariser medicinischen Klinik einen öffentlichen Curs über die Krankheiten der Stimmorgane eröffnet und wird seit dieser Zeit als eine Vorsehung für gefährdete Kehlköpfe betrachtet. In der That berichteten auch im Jahre 1864 die Pariser Journale von einer merkwürdigen Cur, die dem gelehrten Arzte an Fräulein Andrea Favel gelungen, die, lange Zeit der Stern der Opera comique, plötzlich ohne äußere Veranlassung ihre Stimme vollständig verloren hatte und gezwungen war, ihrer glänzenden Laufbahn zu entsagen. M.’s Behandlung gab ihr die Stimme vollkommen wieder. Diese Verdienste um die Wissenschaft fanden in dem Lande, wo M. seine Wirksamkeit in so erfolgreicher Weise entfaltet, von Seite der Regierung Anerkennung, und schon im Jahre 1846 wurde M. mit dem Ritterkreuze der Ehrenlegion ausgezeichnet. Im Jahre 1860 besuchte der gelehrte Arzt, nachdem er ein Vierteljahrhundert seiner Heimat fern geblieben, dieselbe und die Gesellschaft der Aerzte von Buda-Pesth bereitete ihrem gefeierten Kollegen einen festlichen Empfang. Als ein Curiosum führen wir hier noch die Schlußworte in der Lebensskizze M.’s von einem gewissen Ignaz Reich an. Sie lauten: „Was wir besonders betonen müssen ist, daß M. auch dort im wilden Gewoge der Weltstadt, wo der starre Materialismus .... die zarten Gefühle aus dem Busen zu bannen und den Fremdling in den Staub niedriger Interessen zu ziehen droht, noch immer der alte treue „Földi“ ist, der mit der Literatur seines Heimatlandes current geblieben. Ja, nichts konnte den „Savant hongrois“ bewegen, seine Werke auch deutsch abzufassen.“ Dergleichen wagt es der deutschen Nation der deutsch-israelitische Biograph eines deutsch-israelitischen Gelehrten, dessen ganze Gelehrsamkeit, strenge genommen, denn doch zunächst nur auf den großartigen Forschungen und Entdeckungen unseres deutschen Ehrenberg beruht, in deutscher Sprache in einem deutschen Buche zu bieten. Also die Gelehrsamkeit hätte bereits Zeit, sich der deutschen Sprache zu schämen!!!

Wiener Zeitung 1862, Abendblatt Nr. 117 u. 118: „Ein österreichischer Arzt in Paris“. – Fremden-Blatt, herausg. von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1864, Nr. 72. – Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten. Von Ignaz Reich (Pesth, Bucsanszky, 4°.) Viertes Heft (1862), E. 31. – Jüdisches Athenäum. Gallerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens u. s. w. (Grimma und Leipzig 1851, Verlags-Comptoir, 8°.) S. 129 [der daselbst aufgeführte Dr. Mandel (sic) ist unser Ludwig Mandl]. –