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BLKÖ:Mercy, Florimund Claudius Graf von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 17 (1867), ab Seite: 386. (Quelle)
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Mercy, Florimund Claudius Graf von (k. k. General und Staatsmann, geb. in Lothringen im Jahre 1666, gestorben auf dem Felde der Ehre bei Croisette vor Parma 29. Juni 1734). Einer alten lothringischen Familie entstammend, über welche in den Quellen S. 392[WS 1] Näheres berichtet wird, trat er jung als Volontär in die kaiserl. Armee, in welcher er, zuerst im Türkenkriege durch sein ausgezeichnetes Verhalten sich bemerkbar machte. Im Jahre 1683 wohnte er der Belagerung Wiens bei, und erwarb sich den Lieutenantsgrad bei einem Kürassier-Regimente; 1684 bis 1690 machte er die Feldzüge in Ungarn mit und erlitt durch den Sturz von einem unter ihm getödteten Pferde Schaden an einem Auge. In den Jahren 1691 bis 1696 machte er sich in Italien als Parteigänger auf das Rühmlichste bemerkbar, und focht im Jahre 1697, nach Ungarn zurückgekehrt, bereits als Major [387] bei Zentha. Nun rückte er zum Oberstlieutenant vor und ging wieder nach Italien, wo er bei Borgoforte, nachdem er mit nur dreihundert Reitern ein ganzes feindliches Regiment in die Flucht gejagt, dem Feinde eine Batterie wegnahm. Im Jahre 1702 befehligte er vor Cremona die kaiserliche Reiterei. Während dieses Feldzuges hatte er das Unglück, zu wiederholten Malen in feindliche Gefangenschaft zu gerathen. Kaum ausgewechselt, wurde er Oberst eines neu errichteten Kürassier-Regiments, und ging an den Rhein, wo er in dem blutigen Treffen bei Friedlingen, 1702, Wunder der Tapferkeit verrichtete. Im Jahre 1705 zum General-Major befördert, befehligte er am Rhein eine Reiter-Brigade und zwang bei Pfaffenhofen die Franzosen zum Rückzuge. Im Jahre 1706 deckte er durch geschickte Märsche die Festung Landau und versah sie mit Vorräthen. Im folgenden Jahre schlug er bei Offenburg den französischen General Vivans. Er hatte ihn nämlich in seinem Lager und so rasch überfallen, daß er gar nicht mehr Zeit hatte, sich zu formiren. 600 Todte bedeckten das Schlachtfeld, und außer den Schätzen, welche die Franzosen, wo sie hingekommen, geplündert und in diesem Lager aufgehäuft hatten, fielen ihm noch 1300 Pferde als Beute anheim. Nun rückte M. zum Feldmarschall-Lieutenant vor. Für das folgende Jahr, 1708, ward der Uebergang über den Rhein beschlossen, zu diesem Zwecke zog M. mit einem Corps von 6000 Mann voraus, dem Strome zu. Da jedoch die Bewegungen des Feindes andere Dispositionen unsererseits nöthig machten, so schloß sich M. wieder dem Hauptheere an. Im Feldzuge des nächsten Jahres führte M. 6 Regimenter nach Mantua, kehrte aber bald zum deutschen Heere zurück, ging mit demselben über den Rhein, bei Neuburg Stellung nehmend. Französischer Seits stellte sich ihm General Du Bourg entgegen und schlug bei Rumersheim sein Lager auf. M., der in seiner Stellung sich leicht halten konnte und gar nicht gezwungen war, die Offensive zu ergreifen, ließ sich von seiner Kampflust hinreißen, griff an und erlitt an Mannschaft und Geschütz einen bedeutenden Verlust. Er mußte sich nun nach Rheinfelden zurückziehen. Diese Niederlage war jedoch von keinen weiteren nachtheiligen Folgen, nur das Ineinandergreifen der strategischen Bewegungen in Deutschland mit jenen des Heeres, welches Daun in Italien befehligte, wurde dadurch gestört; denn der projectirte Uebergang Daun’s aus Piemont über die Rhone, der zu gleicher Zeit von einem Einfalle des hannover’schen Churfürsten, nachmaligen Königs von England, Georg I., begleitet sein sollte, mußte unterbleiben. Mercy deckte den Schwarzwald und die Waldstädte. In den Feldzügen der folgenden Jahre bot sich keine Gelegenheit zu besonderen Unternehmungen dar, erst im Jahre 1716 zeichnete er sich wieder während des türkischen Krieges zu öfteren Malen aus; so trug er Vieles zum Siege bei Peterwardein bei, wirkte nachhaltig an der Belagerung von Temesvár mit, nahm nach dem Falle dieses Platzes Pancsowa, Uj-Palanka und Kubin ein, und wurde, nachdem das Banat ganz unterworfen war, commandirender General daselbst. Die Beschäftigungen für den nun folgenden Winter begannen in Vorarbeiten für den im Frühjahre von Neuem zu eröffnenden Feldzug, darunter die hauptsächlichste die Schiffbarmachung des Flusses Dunovica war, denn nun [388] konnten, sobald die Jahreszeit es erlaubte, die kaiserlichen Tschaiken in die Donau gegen die türkische Flottille auslaufen, diese bei Pancsowa aufhalten und mit den auf der Save liegenden größeren Schiffen einschließen, was bei dem Unternehmen auf Belgrad, 1717, von Entscheidung war. Als der Kampf von Neuem begann, führte M. die ersten Truppen gegen Belgrad, und nahm an der Belagerung und Schlacht rühmlichen Antheil; dann brachte er noch die Festung Orsova zum Falle, indem er vorher ein ihr zu Hilfe eilendes feindliches Corps angriff und auseinanderwarf. Damit war nun der Feldzug des Jahres 1717 beendet. Nun begann M. die Reformen im Banate, einem Lande, das über 164 Jahre unter türkischer Botmäßigkeit geschmachtet und sozusagen ganz verwüstet und verödet war. Gleich nach der Einnahme dieses Landes war von Seite des Prinzen Eugen die Wahl auf Mercy gefallen, der mit seinen Kriegstugenden auch so viel Thatkraft und administratives Genie verband, daß sich unter seiner Leitung eine Entwickelung der Hilfsquellen des Banates erwarten ließ. Der überraschende Erfolg, der sich bald zeigte, bewies, wie richtig Eugen berechnet, und welch glückliche Wahl er getroffen hatte. Jedoch kaum hatte M.’s segensvolle Thätigkeit begonnen, als er darin, zum Glücke nur für kurze Zeit, unterbrochen wurde. Die Spanier hatten nämlich wieder Krieg mit Oesterreich begonnen, sie waren, 1719, in Sicilien gelandet. Nun wurde M. aus dem Banate abberufen, um die Führung des neuen Kampfes im äußersten Süden Europa’s zu übernehmen. Er griff die Spanier in ihren Verschanzungen bei Francovilla an, bestand das blutige, wie wohl wenig entscheidende Gefecht vor Melazzo, eroberte Messina und berannte Palermo. Nun kam der Friede zu Stande, und die fremden Truppen mußten die Insel räumen. Mercy aber, nachdem er in Wien von den Strapazen dieses Feldzuges ausgeruht und die Folgen seiner schweren Verwundung beseitigt hatte, kehrte im Mai 1720 in das Banat zurück. Es galt nun mit der thatsächlichen Eroberung dieses Gebietes die Durchführung der ungleich wichtigeren moralischen. Schon im October 1717 hatte Kaiser Karl VI. in Temesvár ein Jesuiten-Collegium, aus vier Priestern und einem Laienbruder bestehend, gestiftet, welches die Pfarrgeschäfte für die Stadt übernahm. Die in der Zwischenzeit als Proviant-Magazin benützte große Moschee wurde ihrer früheren Bestimmung, als Pfarrkirche, zu welcher sie vor 1552 gedient, wieder zurückgegeben. Neben den Jesuiten verrichteten auch Franziskaner in einer consecrirten Moschee den Gottesdienst. Colonisten wurden berufen, neue Dörfer für sie angelegt, oder alte erweitert. So entstanden Weißkirchen, Szt. Peter, Zaderlak, Neu-Bessenova, Ujpecs, Detta, Brückenau, Guttenbrunn, Kudritz, welche mit schwäbischen und anderen deutschen Colonisten bevölkert wurden; Mercydorf, dem der Stifter den Namen und Italiener zu Einwohnern gab; Neu-Arad und Gyarmata wurden mit Deutschen vergrößert; nach Becskerek versetzte Mercy eine Colonie Spanier aus Biscaya, welche das Dorf Neu-Barcellona benannten, ein Name, der jedoch mit den Fremdlingen bald wieder erlosch – Alle starben. Die vermehrte Bevölkerung war für Mercy nur ein Mittel zur Hebung des Ackerbaues durch Einführung einer gedeihlichen, zweckmäßigen Bodenwirthschaft, indem er mit weisem [389] Sinne erwog, daß eine fruchtbringende Bearbeitung des Bodens bald auch der Industrie, dem Handel und der Kunst Anregung geben werde. Erfahrene Ackersleute (meist Deutsche) und geschickte Handwerker (Italiener), von ihm großmüthig unterstützt, halfen ihm getreulich zum Ziele, und schon in kurzer Zeit sah man Früchte ihrer Bestrebungen. Die öden Strecken des Landes bevölkerten sich, der brachliegende, mit Sumpf, Schilf oder Wald bedeckte Boden gestaltete sich in fruchttragendes Ackerland um. Eine genaue Untersuchung des Bodens und angestellte Proben ergaben, daß das Klima des Landes den Anbau aller Products gestatte, die nur unter den glücklichsten Himmelsstrichen hervorkeimen. Nebst der besseren Pflege des Getreidebaues versuchte Mercy den Anbau von Industriepflanzen und siedelte italienische Reisbauer in der Nähe Temesvárs (bei Giroda) an. Man lehrte die Eingebornen in den Districten von Werschetz und Lugos den Weinstock geschickter pflegen, vertheilte Obstbäume, und machte die Bewohner mit deren Pflege und Veredlung vertraut. Auf den Seidenbau ward ein besonderes Augenmerk gerichtet, Maulbeerplantagen wurden bei Werschetz, Weißkirchen, Detta, Guttenbrunn und anderen Orten in der Nähe der Landeshauptstadt angelegt, Graf Mercy sah sich genöthigt, auf die Beschädigung der Setzlinge Todesstrafe zu setzen, eine Drohung, die an Einigen wirklich vollzogen wurde. Die Rohheit und Indolenz bäumte sich gegen die Einflüsse der Cultur; es gab noch Vieles aufzuräumen. Mercy ermüdete nicht. Sein Auge belebte überall die getroffenen Anstalten, seiner unermüdeten Thätigkeit und Beobachtung entging nichts, was die Wohlfahrt des Landes heben und befördern konnte. Er hielt niemals Rast. Die gelegten Keime eines verbesserten Ackerbaues und geschaffene Elemente der Industrie ermunterten ihn zu weiteren industriellen Schöpfungen, damit das im Lande erzeugte Naturproduct daselbst auch seine Verarbeitung finde. Zu diesem Behufs errichtete er bei Temesvár eine Papiermühle mit allen nöthigen Maschinen, Eisendrahtzüge, Schmiedewerkstätten, holländische Oelpressen zur Bereitung des Rüböls, Tuchfabriken, und siedelte alle Gattungen Handwerker daselbst an: Silber-, Zinn-, Messing-, Eisen- und Holzarbeiter, Schuhmacher, Schneider, Hutmacher u. a. In der Nähe erhob sich auch eine Seidenfabrik mit großartigen Einrichtungen, über welche Anstalt der verdiente Abbé Rossi, aus Mantua, die Aufsicht führte, die industriellen Etablissements waren die Grundlagen der heute blühenden „Fabriken-Vorstadt“ in Temesvár, deren Name bis nun ihren Ursprung verräth. Um die aufstrebenden Fabriken mit Holz zu versehen, wurde die „Bega“ in ein Canalbett geleitet, wodurch nebstbei die Schlangenwindungen und Ueberschwemmungen dieses Flusses verschwanden und eine geordnete Wasserstraße zur Donau geschaffen ward. Man fing 1728 den Canal unter Facset an und kam in möglichst gerader Linie über Rakita, Belincz und Kiszetó nach Temesvár, wo er sich in vier Arme theilte und nach einer Krümmung um die Festungswerke seinen Weg weiter bis Klek verfolgte, wo er nach einer Länge von sechzehn Meilen das alte Flußbett erreichte; – „ein Denkmal, des alten Roms nicht unwürdig!“ Auch die Landeshauptstadt Temesvár erhob sich unter Mercy mehr und mehr aus dem türkischen Schutte. Es wurde ein neues Rathhaus, eine Militärspital und [390] viele andere öffentliche und Privatgebäude erbaut, Fabriken angelegt und das saliterhaltige, gesundheitschädliche Wasser, welches alle Brunnen der Stadt enthielten, beseitigt, indem eine großartige Wasserleitung durch unterirdische Röhren in die Stadt geführt wurde, wo sie acht verschiedene Ausläufe hatte. Mitten unter seinen Entwürfen und Verbesserungen wurde M. durch den Krieg überrascht, welcher im Jahre 1733 auf’s Neue zwischen Oesterreich, Spanien und Frankreich ausgebrochen war, und ihn bald seinem segensreichen Friedensgeschäfte entreißen sollte. Von 1717 bis 1733 mit Unterbrechung des Feldzuges in Sicilien (1717 bis Mai 1720) hatte M. im Banate jene großartige Wirksamkeit entfaltet, welche dieses Land dazu machte, was es gegenwärtig ist, die Kornkammer Oesterreichs. Gegen Ende des Jahres 1733 wurde Mercy als Feldmarschall zum Obercommandanten des italienischen Heeres ernannt. Kaum an Ort und Stelle angekommen, nöthigte ihn ein Schlagfluß, von dem er getroffen worden, sofort die Armee wieder zu verlassen, aber in kurzer Zeit erholte er sich und kehrte wieder zur Armee zurück. Er ging nun mit seinem Heere über den Po und lieferte dem Heere der Verbündeten das unglückliche Treffen vor den Mauern Parma’s, am 29. Juni 1734, wo er gleich anfangs von einer Musketenkugel durch den Kopf geschossen, auf der Stelle todt blieb. Sein Leichnam wurde in der Domkirche zu Reggio beigesetzt. Treffend heißt es in einer der zahlreichen Biographien, welche die doppelte, die militärische und staatsmännische, richtiger civilisatorische, Wirksamkeit M.’s in’s Auge fassen: „Unvergänglicher als Erz und Marmor verkündet die reichhaltige Geschichte des Temesvárer Banates, das Mercy im Kriege erobern half und so rühmlich – durch 15 Jahre – verwaltete, sein Lob. Es ist eine für den Ruhm des Kriegers nachtheilige Parallele oder vielmehr eine Aufforderung für ihn, nach beiden Kränzen zu ringen, daß das Verdienst seiner Thaten so oft mit dem letzten Kanonenschüsse verhallet, indessen die Saat, welche der Staatsmann ausstreuet, mit jedem Jahre neu aufblüht, und die wechselnden Generationen der Städte und Dörfer, welche er gründet, mit immer gleich reger Dankbarkeit sein Gedächtniß segnen. Mit diesem Gedanken ging Cincinnatus vom Sieg zum Pfluge – in gleichem Geiste hat ihm Mercy in größeren, weit hinaus wirkenden Anstalten nachgearbeitet“. Der nachmalige Gesandte Oesterreichs am Pariserhofe und Vertraute der unglücklichen Königin Marie Antoinette in den Tagen ihrer höchsten Bedrängniß, Florimund d’Argenteau, ursprünglich Marquis d’Argenteau, war ein Adoptivsohn Mercy’s, in Folge dessen d’Argenteau mit seinem Namen jenen seines Adoptivvaters verband.

Schwicker (Johann Heinrich), Geschichte des Temeser Banates. Historische Bilder und Skizzen (Groß Becskerek 1861, Fr. P. Bettelheim, 8°.) S. 284–311. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 644.– Groß-Becskereker Wochenblatt 1860, Nr. 14 u. f.: „Graf Mercy“. – Werschetzer Gebirgsbote (Localblatt, kl. Fol.) 1862, Nr. 47 u. 48: „Die Entwickelung der Cultur im Banate“. – Thaten und Charakterzüge berühmter österreichischer Feldherren (Wien 1808, Degen, 8°.) Erster Band, 1. Abtheilung, S. 389 u. f. – Leidenfrost (Karl Florentin Dr.), Historisch-biographisches Handwörterbuch der denkwürdigsten, berühmtesten und berüchtigtsten Menschen aller Stände, Zeiten und Nationen (Ilmenau 1826, Voigt, 8°.) Bd. IV, S. 84. – Porträt. Auf einem Blatte gemeinschaftlich mit Joh. Ludw. Grafen Bussy-Rabutin, [391] Siegbert Grafen von Heister, Maximilian Emanuel Herzog von Bayern und Nikolaus Grafen Palffy, gestochen von S. Langer (Wien 1813, 4°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 393.