BLKÖ:Mylius, Heinrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 19 (1868), ab Seite: 495. (Quelle)
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Mylius, Heinrich (Humanist, geb. zu Frankfurt a. M. 14. März 1769, gest. zu. Mailand 21. April 1854). Während der Periode der österreichischen Regierung in der Lombardie lebte M. mehrere Jahrzehnde in der Hauptstadt des Landes, in Mailand, als Kaufmann, als Wohlthäter der Menschheit und Repräsentant deutscher Sitte und Bildung. Seine Eltern waren in Frankfurt a. M. in bescheidenen Verhältnissen ansässig gewesen und Heinrich widmete sich in jungen Jahren dem Kaufmannsgeschäfte, anfänglich bei seinem Schwager Aldebert in Frankfurt, der daselbst ein großes Geschäft in englischen Waaren begründet, und dann selbstständig in Mailand, wo ihn eben sein oberwähnter Schwager etablirt hatte. In Mailand blühte bald sein reelles Geschäft in so überraschender Weise, daß er es in der Folge in ein Bankhaus von europäischem Rufe umgestaltete. Schon bei Lebzeiten spendete M. großartige Gaben un die Bildungs- und Erziehungsanstalten Mailands und seiner Vaterstadt Frankfurt. In einem der italienischen Nekrologe heißt es (in wörtlicher Uebersetzung): „Viele öffentliche Anstalten Mailands dürften über ihren Pforten den Namen dieses Wohlthäters einmeißeln lassen, denn die einen sind ihm verpflichtet für ihre Gründung, die anderen verdanken ihm ihr Wachsthum und ihr fortschreitendes Gedeihen. Es gibt keine Zufluchtsstätte der Armuth, des Unglücks oder der gewerblichen Thätigkeit, in welche nicht seine helfende und reichlich spendende Hand gedrungen wäre. Die Künste besaßen an ihm einen einsichtsvollen wohlthätigen Mäcen, insbesondere aber besaß die Musik an diesem Manne, den Mailand auf lange Zeit betrauern wird, einen warmen und kenntnißvollen Bewunderer“. Ueber die Spenden, welche seiner Vaterstadt zu Gute kamen, möge hier Einiges folgen, was eben bekannt geworden, denn vieles von dem, was er gethan, ist gar nicht in die Oeffentlichkeit, welche M. in Sachen des Wohlthuns geradezu [496] verabscheute, gelangt. Dem Frankfurter Versorgungshause gab er zu Ende 1840: 30.000 fl., im Jänner 1845: 15.000 fl., im Mai 1849: 1000 fl., und letztwillig hatte er es noch mit 45.000 fl. bedacht. Die Senkenberg’sche naturforschende Gesellschaft erfreute sich bei seinen Lebzeiten auch seines besonderen Wohlwollens, so überwies er ihr einmal 25.000 fl., und zwar 10.000 fl. als Besoldungscapital für einen Custos, 7000 fl. als Bibliothekscapital, 8000 fl. als Capital von dessen Zinsen, 300 jährlich, jüngere Gelehrte, jedoch keiner länger als drei Jahre, für Vorlesungen über gewisse Zweige der Naturwissenschaften honorirt werden sollen; außerdem hatte er dieser Gesellschaft noch zu anderen Zeiten bedeutende Geldgeschenke gemacht, so z. B. 2000 fl. für Bücherschränke, höchst werthvolle Bücherspenden u. dgl. m., letztwillig erhielt sie neuerdings 25.000 fl. Den Frankfurter Kleinkinderbewahr-Anstalten schenkte er, außer dem Stiftungscapitale von 20.000 fl. für Errichtung der dritten Kleinkinderschule im J. 1845, noch in den Jahren 1838, 1840, 1844, 1850, 1851 und 1852 Summen von 500, 400, 300 und 200 fl.; letztwillig erhielten dieselben 20.000 fl. Die Niederländische Gemeinde war in seinem Vermächtnisse mit einem Legate von 20.000 fl. bedacht. Dieß sind nur die hauptsächlichsten größeren Gaben, welche bekannt geworden sind; „aber in der Erinnerung leben noch viele andere Züge der Treue und Großmuth dieses seltenen Wohlthäters der Menschheit, die niemals an die Oeffentlichkeit treten werden und viel höher stehen als ansehnliche Gaben an öffentliche Anstalten“, so spricht sich einer der deutschen Nekrologe über den Verewigten aus. Mylius war ein Mann, welcher die Erzählung von dem Heller der Witwe sehr gut verstand und das Wort aufgefaßt hatte: deine Rechte soll nicht wissen, was die Linke thut. Die Zeitungsposaune in Handlungen der christlichen Wohlthätigkeit war ihm ein Gräuel und vielleicht das Einzige, was ihn hätte hindern können, wohlthätig zu sein. So vernahm er einmal von der Absicht, zur Feier seiner Großmuth eine Medaille prägen zu lassen. Der Edle wurde darüber so ärgerlich, daß die bereits begonnene Ausführung eingestellt werden mußte. Im fremden, dem Deutschthum abholden Lande bewahrte M. seine lebhafte Theilnahme der deutschen Literatur, deren Glanzperiode in dem Aufsteigen des Doppelgestirns Goethe und Schiller er mit zu erleben so glücklich war. Ja, mit Goethe und mit dem großen Beschützer der deutschen Dichtung, mit dem Großherzog August von Weimar, war M. enge verbunden. Herder’s Gedanke der Nemesis: „Maß in allen Dingen, unausbleibliche Strafe des Uebermuthes!“ war die innerste Empfindung seiner Seele. Einst, als sein einziger herangewachsener Sohn aus dem Dampfboot in den Comersee stürzte und in Gefahr war, vor seinen Augen zu ertrinken, glaubte er sich dem Gefühle des Glückes in dem Besitze dieses Sohnes zu heftig überlassen zu haben. Er bestellte bei Thorwaldsen die Darstellung der Nemesis nach Herder’s Gedanken, und dieses schöne Kunstwerk, wurde nachher zu Loveno – auf dem Grabe des Sohnes – aufgestellt. Dieser aber – Guilio Mylius – war bereits damals ein Opfer der Schwierigkeiten, welche der Ehe zwischen Protestanten und Katholiken entgegengestellt werden, und starb wenige Jahre nach oberwähntem Unfalle auf dem Comersee zu Genua, wohin er zum Abschlusse der Ehe gereist war. Die Trauung wurde an seinem [497] Todtenbette vollzogen. Sein Grab war seines Vaters liebster – im Sommer täglicher – Gang. Auch des Greises Tod war bezeichnend. Er zählte bald 90 Jahre und war bereits erblindet. Durch gemeinsame Freunde mit Felix Mendelssohn-Bartholdy verbunden und ernste Musik liebend, fühlte er einen unwiderstehlichen Trieb, der eben bevorstehenden Aufführung des „Paulus“ beizuwohnen. Dort sah man den edlen Greis mit größter Spannung jedem Tone folgen und zu dem „Ich rufe dich! Ich rufe dich!“ sein Amen sagen. Kurze Zeit darauf starb er. – Seine Gattin Friederike Christine (geb. 15. September 1771, gest. zu Mailand 21. December 1851) war ihm nur wenige Jahre im Tode vorausgegangen. Sie war die Tochter des ehemaligen Geheimrathes Friedrich Christian Schmauß in Weimar und hatte das Glück, in ihrer Jugend mit Männern, wie Wieland, Herder, Schiller und Goethe, die der damalige herzogliche Hof zu Weimar an sich zog, oft zu verkehren. Herder war es, der sie am 14. April 1799 mit ihrem Gatten getraut, und Goethe gab ihr in ihre neue Heimat Mailand manchen Beweis sinniger Aufmerksamkeit, so z. B. schickte er ihr die erste Gesammtausgabe seiner Werke, begleitet von einem Gedichte, das an sie selbst gerichtet war. Auch sie behielt in der Fremde ihre Heimat in treuer Erinnerung, was sie durch Schenkungen bewies, die sie dem Karlsstifte in Weimar und dem Frauenvereine in Eisenach gemacht, wofür sie der Großherzog Karl Friedrich mit der großen goldenen Verdienstmedaille auszeichnete. Auch sie war eine Wohlthäterin der Armen, und als sie feierlich zu Grabe getragen wurde, bewies es die Theilnahme der Bevölkerung, welche Achtung und Liebe man der Verewigten widmete. Auch sie hatte das hohe Alter von 80 Jahren erreicht. Landleute aus der Gegend, wo sie den Sommer über wohnte, trugen weiteifernd den mit Blumen geschmückten Sarg, welchem nebst den evangelischen Geistlichen der Consistorialrath Dr. K. Taubner, Feldprediger der österreichischen Armee in Italien, die Kirchenältesten von Mailand und die zahlreichen Bewohner von Loveno folgten, wo sie an der Seite ihres Sohnes Julius beigesetzt wurde.

Crepuscolo (Mailänder Literaturblatt, kl. Fol.). Anno V (1854), p. 280: „Commemorazione“. – Frankfurter Konversationsblatt (4°.) 1854, in einer der Nummern Anfangs Mai. – Illustrirtes Familien-Journal. Eine Wochenschrift für Unterhaltung und Belehrung (Leipzig und Dresden, A. G. Payne, 4°.) Bd. II, S. 439.