BLKÖ:Schwarzenbrunner, Bonifaz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 32 (1876), ab Seite: 325. (Quelle)
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Schwarzenbrunner, Bonifaz (gelehrter Benedictiner, Astronom der Sternwarte zu Kremsmünster, geb. zu Garsten bei Stadt Steyr in Oberösterreich 25. Jänner 1790, gest. zu Kremsmünster in der Nacht vom 28./29. April 1830). Der schwächliche Knabe, der in der Taufe den Namen Jacob erhalten hatte, kam im Alter von drei Jahren nach Kremsmünster und wuchs bei seinen Zieheltern, Namens Pierer, auf. Er war ein uneheliches Kind und hieß Arigler, später vermälte sich seine Mutter an einen Schwarzenbrunner, stellte aber zur Bedingung, daß der Sohn den Namen ihres Mannes führe. Der Knabe besuchte die Schule zu Kirchberg bei Kremsmünster und bezog 1800 das Stiftsgymnasium, wo er zu dessen besten Schülern zählte. 1807, damals 17 Jahre alt, trat er in den Orden, wurde am 25. October g. J. eingekleidet und erhielt den Namen Bonifacius. Frühzeitig zog es ihn zur Astronomie hin. Im September 1812 wurde S. Professor der Mathematik und griechischen Sprache am Stiftsgymnasium. Um diese Zeit erschien von der Studien-Hofcommission ein Decret, daß die Arithmetik und geometrischen Elemente Euclid’s an den Humanitätsclassen in lateinischer Sprache vorzutragen seien. Da unternahm es S., die bisherigen deutschen Lehrbücher in’s Lateinische zu übertragen. Als er im September 1813 die Uebersetzung [326] vollendet, schickte sie der Prälat an die Wiener Studien-Hofcommission mit dem Anerbieten, wenn sie tauglich befunden würde, darüber zu verfügen. In einiger Zeit wurde sie mit einem Belobungsdecrete zurückgeschickt und bemerkt, man finde eine Uebersetzung gar nicht nöthig; aber im October 1816 erschien dennoch eine solche, fast wörtliche, welche allgemein vorgeschrieben wurde! – Anfangs Jänner 1813 erhielt er die Priesterweihe. Im Jahre 1816 übernahm er als supplirender Professor das Lehramt der Physik, für das er sich vorher ganz ausschließlich vorbereitet, nebenbei aber noch Unterricht im Pianospiele genommen hatte. Am 22. März 1817 wurde er zum wirklichen Professor der Physik ernannt und versah dieses Lehramt bis 1826. Nebstbei trieb er Studien in den orientalischen Sprachen und gab daraus und aus mathematischen Fächern Zöglingen Privatunterricht. In den Ferien unternahm er Erholungsreisen, 1818 nach Italien bis Neapel, 1819 nach Wien und Böhmen, 1823 nach Steiermark und Oberösterreich und 1827 über Wien nach Ungarn. Auch wurde S. in dieser Zeit seines Lehramtes, als das Stift seiner zerrütteten Vermögensverhältnisse wegen einen kaiserlichen Administrator erhielt, zum Actuar desselben ernannt, in welcher Stellung er einen tiefen Einblick in wirthschaftliche Verhältnisse überhaupt und in jene des Stiftes insbesondere erhielt. Auch übernahm S. im November 1821 wegen steter Kränklichkeit des Astronomen Derfflinger provisorisch die Sternwarte, ohne jedoch dabei thätig zu sein. Erst nach Derfflinger’s am 18. April 1824 erfolgten Ableben übernahm S. bleibend das Amt. Nach etwa sechsjähriger Thätigkeit in demselben gab er eines Tages Zeichen von Geisteszerrüttung und war nach wenigen Tagen, erst 40 Jahre, alt, eine Leiche. S. hatte sich offenbar überarbeitet, seinem ohnehin nicht zu kräftigen Körper mehr, als er zu tragen vermochte, aufgebürdet, wozu noch ein besonderes Ereigniß, dessen am Schlusse gedacht wird, hinzutrat, das aber genügte, um bei dem schon bestehenden gewaltigen Ueberreize der Nerven die Katastrophe herbeizuführen, welche mit seinem Tode endete. Fellöcker in der in den Quellen angeführten Geschichte der Kremsmünsterer Sternwarte gibt ein recht anschauliches Bild der umfassenden, nie rastenden, Alles leisten wollenden und in beständiger Gährung eines fortdauernden Bildungsprocesses begriffenen Thätigkeit dieses ebenso edlen, als tiefgebildeten Mönches. Von seinen zahlreichen Arbeiten ist nur der geringste Theil im Drucke erschienen, nämlich astronomische Beobachtungen in Schumacher’s „Astronomischen Nachrichten“, 1825–1829, und über sein bei Kometenbeobachtungen gebrauchtes Winkelmikrometer, ebenda 1827. Aber wie groß, wie mannigfaltig ist die Zahl seiner im Stifte Kremsmünster aufbewahrten Handschriften, von denen hier nur eine Auswahl der wichtigeren folgen möge. Die von S. im Stifte aufbewahrten Manuscripte umfassen nicht weniger denn 48 Nummern, die Ergebnisse seiner Studien und Arbeiten von 1809 bis 1830, darunter vor Allem: „Vorarbeiten zu einer Geschichte Kremsmünsters“, in 8 Bänden (zusammen etwa 3200 S.), wovon Fellöcker eine ausführliche Inhalts-Uebersicht (S. 161–181) mittheilt; – dann „Oekonomische Notaten“. 3 Bände, aus der Zeit, als er in der Stellung des Actuars des Stiftsadministrators thätig war; diese Vorarbeiten zur Geschichte [327] und diese Notaten enthalten in ihren drei Bänden eine wahre Fülle nationalökonomischen, finanziellen, landwirthschaftlichen, statistischen, historischen und culturhistorischen Materials; – „Adnotationes aliquae astronomiam practicam concernentes“, 3 Bde. (1810 bis 1825); – „Elementa arithmeticae translata“ (1813); – „Elementorum Euclidis libri quatuor“ (1813); – „Erläuterungen zur Naturwissenschaft“, 4 Bde. (über 1000 Quartblätter aus den Jahren 1814–1821), diese beziehen sich auf Remigius Döttler’s „Elemente der mathematischen Experimental-Physik“, auf Gilbert’s „Annalen“ und enthalten die Beschreibung physikalischer Apparate und Versuche; – „Differential- und Integralrechnung nach Mako’s Calculi differentialis et integralis institutio“; – „Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und einer kurzen Geschichte der Musik“ (1822–1823), wovon Fellöcker S. 195–225 eine ausführliche Analyse gibt, eine Arbeit, die wohl der Prüfung eines Fachmannes würdig erscheint; – „Die Hauptwasserquellen des Stiftes, in Bezug auf ihren Wasserreichthum gemessen“ (1823); – „Beschreibung, Rectification und Gebrauch des Bordaischen Vollkreises, des Theodolithen, des Meridiankreises der Kopenhagener Uhr“; – „Tagebücher der astronomischen Beobachtungen und Resultate daraus aus den Jahren 1824 bis 1830“. 3 Hefte (mit nahezu 500 Quartseiten); – „Astronomische Hilfstabellen, Berechnungsarten und Formeln“ (128 Quartblätter); – „Calculi observationum Cremifanensium ab anno 1824–1829“, 4 Hefte (mit über 1000 Quartseiten); – „Astronomische Correspondenz vom April 1824 bis März 1830“; – „Materialien zu einer Geschichte der Sternwarte in Kremsmünster und der Sammlungen in derselben“. Hand in Hand mit dieser literarischen Thätigkeit ging seine lehrende, mit welcher in Verbindung seine Obsorge steht für eine entsprechende Vermehrung der unter seiner Oberleitung stehenden Cabinete, nämlich des physikalischen und astronomischen und der Bibliothek des letzteren. Ueberdieß unterzog er sich noch vielen anderen, ebenso wichtigen als mühevollen Arbeiten, unter denen nur angeführt seien seine zahlreichen hydraulischen Arbeiten zur Vermessung des Wasserreichthums von Kremsmünster und die geometrischen Vermessungen zahlreicher Grundstücke des Stiftes. Nachdem er seine Stelle als Astronom des Stiftes angetreten hatte, fällt in den Bereich seiner Thätigkeit eine umfassende Correspondenz mit den ersten Fachmännern seiner Zeit, wie mit Bode in Berlin, Schumacher in Altona, David in Prag, Littrow in Wien u. A., dann aber eine den Forderungen des damaligen Standes der Wissenschaft entsprechende Herstellung des Cabinets, das unter seinem Vorgänger verwahrlost worden war. Unter den Instrumenten, deren Anschaffung S. für nöthig hielt, befand sich auch ein tragbares Aequatoriale, dessen Anschaffungspreis sich auf etwa 600 fl. belaufen sollte. Schwarzenbrunner hatte bei den damaligen mißlichen Geldumständen des Stiftes manchen Strauß mit dem Prälaten zu bestehen, der sich immer weigerte, darauf einzugehen. Endlich nach drei Jahren war es S. gelungen, dem Prälaten die Erlaubniß zur Anschaffung des längst gewünschten Instrumentes abzuringen, dessen Kosten S. auf etwa 700 fl. beziffert hatte. Man denke sich aber den Schreck S.’s, als, nachdem das Instrument seiner Vollendung [328] entgegenging, der Preis desselben auf über 1500 fl. veranschlagt wurde. Ob eine Scene zwischen dem Prälaten und Schwarzenbrunner stattgefunden, ist nicht gewiß, obwohl aus des Letzteren Delirien zu vermuthen. Nach der letzten Unterredung, nachdem S. sich anheischig gemacht, jahrelang seine kleine Einnahme zum Opfer zu bringen, um nicht die Stiftscasse gegen die Gebühr zu belasten, brach das Delirium aus. Indessen waren Schritte gemacht worden, um eine Ermäßigung des Preises für das Instrument zu erzielen, als aber die Nachricht von einer solchen ankam, der Preis desselben war auf 1000 fl. herabgemindert worden, war S. bereits eine Leiche. S. zählt in Wandel und Wissenschaft zu den Zierden seines Stiftes, deren dasselbe bis auf die Gegenwart nicht wenige aufzuweisen hat.

Fellöcker (Sigmund), Geschichte der Sternwarte der Benedictiner-Abtei Kremsmünster (Linz 1864, 4°.) S. 156–246: „P. Bonifaz Schwarzenbrunner“. – Hagn (Theodorich), Das Wirken der Benedictiner-Abtei Kremsmünster für Wissenschaft, Kunst und Jugendbildung (Linz 1848, Quirin Haslinger, 8°.) S. 88, 91, 96, 230, 234 u. 279.