BLKÖ:Spitzer, Sigmund
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 36 (1878), ab Seite: 194. (Quelle) | |||
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[195] 1813). Besuchte die Schulen in seiner Vaterstadt, zuletzt in Wien. Nach Vollendung seiner medicinischen Studien in Wien und nachdem er daselbst im Jahre 1837 zum Doctor graduirt worden, wurde er von dem damaligen Geschäftsträger der Pforte am österreichischen Hofe, Mavrozeni, aufgefordert, nach Constantinopel zu gehen, um dort an der medicinischen Schule als Professor verwendet zu werden. Diesem Rufe folgend, stellte er sich daselbst im Jahre 1839 dem obersten Leiter der ärztlichen Angelegenheiten, Abdullah-Mollah, zur Verfügung und wurde von demselben zum Professor der Anatomie ernannt. Nur durch fortgesetzte Bemühungen gelang es ihm, das dort herrschende Vorurtheil gegen Leichenöffnungen zu überwinden und so die Grundlage zur Errichtung eines anatomischen Museums zu legen, welches theils durch seine eigenen Arbeiten, theils durch zahlreiche Einsendungen des berühmten Anatomen Jos. Hyrtl die nöthigen Präparate für den praktischen Vortrag der Anatomie lieferte. Im Jahre 1844 übernahm er die medicinische Klinik. Im Jahre 1845 gelang es ihm, den Sultan Abdul-Medjid von einer chronischen, lebensgefährlichen Krankheit herzustellen; er wurde im selben Jahre zum ersten Leibarzt des Großherrn ernannt. Um die Fortschritte der medicinischen Akademie zu erweisen, machte er im Jahre 1847 dem Sultan den Vorschlag, vier der besten Zöglinge der Anstalt in Wien promoviren zu lassen. In Folge eines Erlasses der österreichischen Regierung wurden diese Zöglinge zu den strengen Prüfungen zugelassen, und nachdem sie dieselben mit ausgezeichnetem Erfolge abgelegt hatten, zu Doctoren der Wiener Facultät promovirt. Nach ihrer Rückkehr wurden dieselben als Ober-Feldärzte der Armee zugetheilt und ihrer einsichtsvollen Leitung verdankt die Türkei ganz besonders die musterhafte Einrichtung ihrer Militär-Spitäler. Als Anerkennung für diese Leistung wurde Dr. Spitzer zum Director der medicinischen Akademie ernannt. Das stets zunehmende Zutrauen des Sultans zu seinem Arzte lenkte bald die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn, und die höchsten Würdenträger des Reiches versuchten, den Einfluß desselben für ihre eigenen Zwecke auszubeuten; da S. jedoch sich streng an seine ärztlichen Berufspflichten hielt, und jede Zumuthung, seine Stellung zu mißbrauchen, mit Bestimmtheit zurückwies, so wurden alle Hebel eingesetzt, um ihn durch ein anderes gefügigeres Werkzeug zu ersetzen. Nachdem man sich aber bald überzeugte, daß durch unmittelbare Einwirkung auf den Sultan nichts zu erreichen sei, so suchte man die nächste Umgebung desselben gegen den Fremdling zu gewinnen. – Im Frühling 1850 sollte der Sultan im Hafen des Arsenals eine Revue über die gesammte Flotte halten. Ein prachtvolles Linienschiff war dazu bestimmt, ihn und die höchsten Würdenträger aufzunehmen. Kurz vor zwölf Uhr, der für die Revue festgesetzten Stunde, ließ der Sultan jedoch absagen, da er sich unwohl fühlte. Am selben Tage versank das zur Aufnahme des Sultans bestimmte Schiff ohne Explosion im Hafen und von der darauf befindlichen Mannschaft konnte auch nicht Ein Mann gerettet werden. Dieses außerordentliche Ereigniß, dessen Ursache trotz der angestellten Untersuchung nie zu Tage kam, gab Veranlassung zu den sonderbarsten Gerüchten. Man glaubte allgemein, daß der Sultan nicht durch Unwohlsein, sondern durch irgend eine Mahnung oder Ahnung einer ihm bevorstehenden Gefahr[196] von dem Besuche des Arsenals abgehalten worden sei. Jedenfalls ist es Thatsache, daß der Geist des Sultans sich von diesem Tage an merklich verdüsterte und daß er sich von Gefahren für sein Leben bedroht glaubte. Seit dieser Zeit warnte er auch seinen Arzt zu wiederholten Malen im vertraulichen Gespräche vor Gefahren, die auch ihn bedrohen könnten, und beschwor ihn, auf seiner Hut zu sein. Dieser hatte auch in der That seit mehreren Monaten etliche Drohbriefe erhalten, die er stillschweigend bei Seite legte. Als er jedoch im November 1850 von befreundeter Seite die Warnung erhielt, daß der Intendant der kaiserlichen Tafel von einer hochgestellten Person den Auftrag erhalten habe, ihn zu vergiften, so setzte er den damaligen Großvezir Reschid Pascha von den Vorgängen in Kenntniß, und als dieser in Folge einer strengen Nachforschung sich von der Wahrheit der Angaben überzeugt und den schuldigen Intendanten abgesetzt hatte, setzte Dr. Spitzer dem Sultan persönlich die Gründe aus einander, die es ihm von nun an unmöglich machten, in seiner Stelle zu verbleiben und bat um seine sofortige Entlassung. Da er trotz der dringendsten Vorstellungen und Bitten des Sultans auf seinem Entschlusse beharrte, so willigte dieser endlich in seine einstweilige Entfernung ein, mit der Bedingung, daß er noch ferner im Staatsdienste verbleibe und theilte ihn seiner Botschaft am österreichischen Hofe als Botschaftsrath zu. In dieser Stellung nahm S. bis zum Jahre 1856 thätigen Antheil an allen Verhandlungen, welche vor und nach dem Krimkriege in Wien Statt gehabt und stand fortwährend im schriftlichen Verkehre mit dem Sultan. Im Jahre 1857 berief ihn derselbe mittelst Telegramm nach Constantinopel und suchte ihn aufs neue durch die glänzendsten Anerbietungen an seiner Seite zu behalten, Dr. Spitzer beharrte aber fest auf seiner Entfernung und wurde nun zum ottomanischen Geschäftsträger in Neapel ernannt, wo er bis zum Jahre 1860 blieb. Nach dem im genannten Jahre erfolgten Ableben des Sultans zog er sich ins Privatleben zurück. Dr. S. lebt seither abwechselnd in Paris und Italien. Aus seiner Ehe mit einer Wienerin und Schwester der Gattin des (10. Juli 1866 gest.) General-Secretärs der Wiener Nordbahn, Heinrich Ritter von Sichrowsky [Band XXXIV, S. 213], mit welcher er sich am nämlichen Tage und zu gleicher Stunde wie Sichrowsky in Wien hatte trauen lassen, hat er eine Tochter Stella, welche erst in jüngster Zeit (30. October 1877) sich in Paris mit dem Secretär der französischen Botschaft, dem Grafen Fernand Balmy d’Avricourt, vermält hat.
Spitzer, Sigmund (Arzt, geb. zu Nikolsburg in Mähren im Jahre- Frankl (Ludwig August), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) IV. Jahrg. (1845), S. 454, 542; VI. Jahrg. (1847), S. 429. – Gartenlaube (Leipzig, Ernst Keil, 4°.) 1869, S. 400. – Neues Wiener Tagblatt 1869, Nr. 202, in der Abtheilung Familien-Journal: „Deutsche Aerzte im Orient“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.), 1867, Nr. 215. – Dr. Sigismund Spitzer erscheint auch hie und da als Salomon und als Simon Spitzer aufgeführt.