Zum Inhalt springen

BLKÖ:Tschuggmall, Christian

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Tschudi, Aegydius
Nächster>>>
Tschuggmall, J.
Band: 48 (1883), ab Seite: 64. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Christian Josef Tschuggmall in der Wikipedia
Christian Josef Tschuggmall in Wikidata
GND-Eintrag: 119203561, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Tschuggmall, Christian|48|64|}}

Tschuggmall, Christian (Mechaniker, geb. zu Wenns im Oberinnthale am 5., nach Anderen am 19. Jänner 1785, gest. zu Michelstadt im Hessischen am 26. November 1845). Ein ebenso durch seine Lebensschicksale wie durch seine wunderbaren Leistungen als Autodidakt höchst denkwürdiger Tiroler. Da Christians Vater als Fleischhauer und Thierarzt nicht Zeit hatte, sich mit dem Sohne zu befassen, so blieb die Erziehung desselben meist der Mutter anvertraut. Sinn und Neigung für mechanische Kunst zeigten sich früh im Knaben, und wenn ihn die Mutter in der Wirthschaft verwendete, so paßte dies gar nicht in seinen Sinn, und lieber schnitzte er Kühe und Schafe aus Holz, als daß er die lebendige Heerde seines Vaters auf die Weide führte und hütete. Sein Schulbesuch beschränkte sich im Ganzen auf drei Monate. Sein höchster Wunsch bestand darin, Tischler zu werden. Und heimlich schlich er sich in die Werkstätte des Dorfschreiners, um unbemerkt diesem etwas abzulernen. Als aber den zehnjährigen Knaben die Mutter eines Tages darüber ertappte, gerieth sie in hellen Zorn, den sie an dem armen Jungen ausließ. Aus Angst vor weiteren Thätlichkeiten entwich er aus dem Elternhause und kam auf der Flucht nach Memmingen in Schwaben, wo er bei einem Landmanne wohl Aufnahme fand, aber dieselben Dienste verrichten mußte wie in der Heimat. Die über seine Flucht besorgte Mutter stellte Nachforschungen über ihn an und entdeckte sein Versteck. Nun holte sie ihn ins Vaterhaus zurück, versprach ihm aber zugleich, ihn die Tischlerei erlernen zu lassen. Den Winter über, wo es auf dem Lande wenig Arbeit gibt, ging dies wohl an, als aber das Frühjahr kam und die Arbeiten auf dem Felde ihren Anfang nahmen, verbarg ihm die Mutter das Tischlerwerkzeug, und der alte Jammer mit dem Kühehüten begann [65] von Neuem. Das aber ließ sich der Sohn nicht lange gefallen, und als ihm die Bitte, ihn zu seinem Verwandten, dem Bildhauer Zauner in Wien zu schicken, der sich zur Aufnahme des Knaben bereit erklärt hatte, von den Eltern rundweg abgeschlagen wurde, verließ er wiederum das Vaterhaus, aber dieses Mal in einer Weise, daß er nicht leicht gefunden werden konnte. Er ging in die Schweiz und trat bei Lavater in Zürch als Laufbursche in Dienst. Der Meister fand Gefallen an dem anstelligen Jungen und hielt ihn gut. Eines Tages schickte er ihn um Bier. Auf dem Wege dahin sah der Bursche eine Seiltänzerbude. Die Neugierde zog ihn hinein, und mit dem Gelde, welches er für das Bier bekommen hatte, bezahlte er den Eintritt. Als er nach der Vorstellung des erhaltenen Auftrages sich erinnerte, erwachte sein Gewissen. Er wagte nicht zu Lavater zurückzukehren, und da er weiter keine Wahl hatte, brach er wieder nach der Heimat auf. Unterwegs aber blieb er in Imst sitzen, wo er, achtzehn Jahre alt, mit allem Eifer sein Lieblingsgeschäft, die Tischlerei weiter trieb, und da er ebenso geschickt als fleißig war und auch sonst hinsichtlich seiner Aufführung nie Anlaß gab zu Klagen, kam er bald vorwärts und erhielt endlich gar eine Stelle als Maschinist in der Fabrik des Hauses Strähle. Durch diesen günstigen Erfolg aber erweckte er den Neid seiner Kameraden, die ihn über ein Dutzend eines Tages beim Tanze überfielen und den sich muthig Vertheidigenden derart mißhandelten, daß sie ihm das Brustbein einschlugen, ihn dann aus dem Tanzsaale auf die Straße hinunterwarfen, wo er für todt liegen blieb. Nach einem halbjährigen Siechthum stellte er sich im Bade Ischl wieder her. Die nun hereinbrechende Kriegszeit hatte den Schluß der Fabrik Strähle in Imst zur Folge, und so kehrte er in sein Dorf Wenns zurück. Er wollte aber, als Bayern ein Stück von Tirol abgerissen hatte, nicht länger müßig zusehen und trat in die Reihen der Landesvertheidiger. In kurzer Zeit wurde er Lieutenant, dann Hauptmann einer Schaar von dritthalbhundert Schützen. Am 11. und 12. April zeichnete er sich im Treffen bei Ziegelstadt und Thiergarten nächst Innsbruck besonders aus. Im Mai zog er mit den Imster Schützen über Seefeld und Scharnitz, dann über Mittewald gegen die Bayern, welche er, nachdem er am 15. und 16. d. M. ein heftiges Treffen gegen sie siegreich bestanden, über die Grenze zurückwarf. Später griff er den Feind zu Kuchel, Murnau und Weilheim an; als Chef der Oberinnthaler und Vintschgauer nahm er im Landgericht Landeck an der Sauerbrücken dem Feinde zwei Kanonen, mehrere Munitionswagen sammt der Bespannung und bedeutende Vorräthe ab und setzte seine kriegerischen Züge bis in den November fort, ohne einen Kreuzer Gehalt oder Entschädigung anzusprechen. Alles, was er aus dem Feldzuge heimbrachte, bestand in ehrenvollen Erinnerungen, drei Schußwunden, einem Bajonnetstich und einem Säbelhieb. Tschuggmall’s Name hatte unter den Landesvertheidigern einen guten Klang. Hofer selbst wußte den wackeren Mann zu schätzen und sprach sich am 22. August 1809 zu Innsbruck über Tschuggmall’s Muth und Einsicht voll Vertrauen aus. Er übertrug ihm persönlich die wichtigsten Sendungen, und Tschuggmall führte sie, ohne sich durch noch so glänzende Anerbietungen, an denen es nicht fehlte, in seiner Treue wankend machen zu lassen, mit Umsicht durch. Nach dem Kriege kehrte er wieder zur [66] Arbeit zurück, heiratete im Jahre 1810 Elisabeth Posch, die er in der Fabrik Strähle’s kennen gelernt hatte, und dachte sich als Tischler zu Schwaz niederzulassen. Daselbst fand er an dem Grafen Tannenberg einen wohlwollenden Gönner, der ihm, so weit es ging, zur Seite stand, aber in Einem nicht helfen, ihn gegen Handwerksneid nicht schützen konnte. Da er nirgend eine eigentliche Lehrzeit durchgemacht hatte, besaß er auch keinen Lehrbrief, und als er sich nun ohne einen solchen als Meister niederlassen wollte, erhob sich die Zunft gegen den frechen Eindringling, und er sah sich genöthigt, den Platz zu räumen. So begab er sich denn ins Engadin in der Schweiz, kaufte in Prutz sich an und betrieb daselbst die Kunsttischlerei. Aber das Schicksal wurde nicht müde, den Armen zu verfolgen; als er einmal mit mehreren hundert Gulden, welche er eben für Arbeiten eingenommen, auf dem Heimwege sich befand, wurde er von drei Strolchen überfallen, die ihm das ganze Geld abnahmen und ihm obendrein einen tiefen Stich versetzten. Für todt ließen sie ihn auf der Straße liegen. Als er nach geraumer Zeit wieder genas, litt es ihn auch an dem Orte, wo er so bittere Erfahrung gemacht, nicht länger, und er begab sich nach Vorarlberg, wo er als Drechsler und Büchsenmacher arbeitend, Dosen, Pfeifen und gute Gewehre nach Bregenz lieferte. Ueberhaupt besaß er eine angeborene Geschicklichkeit, die ihn zu Allem, was er unternahm, befähigte, ein Umstand, der es erklärt, daß seine späteren Arbeiten zu Weltruf gelangten. Nun aber trafen auch ihn die Hungerjahre 1816 und 1817 schwer; ohne Verdienst, sah er sich, um seine Familie zu erhalten, genöthigt, eine Kuh und dann eine zweite gegen drei Metzen Korn zu verkaufen, endlich sein ganzes Waarenlager in Bregenz einem Krämer gegen einen Kronenthaler in Commission zu überlassen. Auf dem Rückwege von Bregenz wurde er am Arlberge von einer Schneelawine überrascht, unter welcher er sieben Stunden vergraben blieb, und als er gerettet in Vorarlberg eintraf, sah er, daß inzwischen ein Wildbach beim Gewitter ihm die ganze Habe überschwemmt hatte. Nach Verkauf der letzten Kuh wanderte der Hartbedrängte mit Weib und vier Kindern, einem Rufe seines Schwagers folgend, in die neue Heimat Vahrn bei Brixen. Mit Unterstützung dieses Verwandten kaufte er sich daselbst 1817 ein Häuschen nebst Garten. Nun aber gab es für seine Arbeiten keine Abnehmer, und um doch seinen Unterhalt zu erwerben, wurde er Seifensieder, weil ein solcher sich im Orte nicht befand. Das Geschäft ging auch durch anderthalb Jahre gut. Aber als er sich eines Tages auf einer Reise befand, zerstörte ihm der vom schmelzenden Schnee angeschwollene Eisack das ganze Eigenthum und schwemmte alle Vorräthe weg, während die mit ihren sechs Kindern zurückgebliebene Mutter sich kaum zu retten vermochte. Wieder der schlimmsten Noth preisgegeben, erfuhr er, daß ein benachbarter Edelmann beabsichtige, auf unzugänglicher Alpe ein Stück Wald schlagen zu lassen und Demjenigen, der diese Arbeit leiste, dafür fünfzig Gulden nebst dem ganzen Holze anbiete. Tschuggmall übernahm die Leistung, ging auf die Alpe, wurde Kohlenbrenner und erzeugte Pottasche, die er selbst zum Verkaufe austrug. Bei dem Holzfällen hieb er sich eines Tages mit der Axt in den Fuß, so daß er drei Tage ohne Verband, fast verblutend, in der Alphütte lag, in Folge dessen er eine halbjährige [67] Krankheit überstehen mußte, denn die Axt hatte die Kugelnarbe getroffen. Um diese Zeit erschien zu Brixen der Mechaniker Tendler [Bd. XLIII, S. 277] mit seinen Automaten. Da forderte der Brixener Bischof Franz Karl Graf Lodron [Bd. XV, S. 382], der das Talent Tschuggmall’s zum Theile kannte, diesen auf, sich in der Kunst Tendler’s zu versuchen, und sagte ihm nicht nur Unterstützung zu, sondern versprach auch, für Tschuggmall’s Familie zu sorgen. Und dieser, der weder zeichnen gelernt, noch Physik und Mechanik studirt hatte, begann 1820 seinen ersten Automaten zu bauen, die nachmals so gern gesehene Figur des Kellners, der sich den Wein ins Glas einschenkt. Um seinen Seiltänzer und das Schleppseil dazu zu schaffen, wurde er Schmied, Schlosser, Uhrmacher, Bildhauer, und nach endloser Mühe und Jahresarbeit sah er das Werk mißlungen. Aber er verlor nicht den Muth, sondern fing von Neuem an und hämmerte sich ein tauglicheres Metall. Da, nach vierjähriger Arbeit, drohte die ungeheure Anstrengung mit Verstandesverwirrung, so daß nur ein schnelles Aufhören den Künstler rettete. Nachdem er sich so weit erholt hatte, daß die Arbeit wieder aufgenommen werden konnte, ging dieselbe auch glücklich von Statten, und im Jahre 1828 waren für sein Kunsttheater acht Automaten fertig. Dem greisen Fürstbischof wurde die Freude zutheil, dies noch zu erleben und seine großmüthige Beihilfe nicht nutzlos verwendet zu sehen. Acht Tage vor seinem am 10. August 1828 erfolgten Tode wohnte er noch einer Vorstellung bei, welche Tschuggmall mit seinen vollendeten Automaten gab. Nun sollte dieser damit eine Kunstreise antreten, aber es mangelte ihm noch sehr viel, um mit Anstand und der nöthigen Ausstattung seine Automaten in großen Städten dem Publicum vorzuführen. Und wieder fand sich der Retter in der Noth, in dem seiner Menschenfreundlichkeit wegen bekannten Ludwig Grafen Sarntheim, welcher dem Meister aus unverschuldeter Armut emporhalf und ihm eine seiner Fähigkeiten würdigere Existenz begründen half. Im Jahre 1828 trat nun Tschuggmall in einem selbst erbauten Wagen, welcher gleich einer Arche Noe den Künstler mit dessen Familie und Theater aufzunehmen im Stande war, seine Kunstreise an. Er besuchte die größeren und wichtigeren Städte Oesterreichs, Deutschlands, Italiens, der Lombardie, Ungarns, Polens und Rußlands. An den Höfen von Wien, Berlin, Hannover, Dresden, München, Petersburg wurde er mit Auszeichnung behandelt und fand eine gleich ehrenvolle Aufnahme in den anderen Residenzen Deutschlands. Der Kaiser von Rußland beschenkte ihn mit einem kostbaren Brillantringe, die Kaiserin ließ sich seine Familie vorführen; der König von Sachsen suchte den Künstler in dessen Wohnung auf und ließ sich von ihm die Automaten erklären. Der berühmte Professor Zamboni und der edle Sänger der Rudolphiade Erzbischof Ladislaus Pyrker würdigten den schlichten Tiroler und genialen Autodidakten freundschaftlichen Verkehrs, und vornehme Personen jeden Standes besuchten den merkwürdigen Mann, der solche Wunderfiguren ersonnen und ausgeführt hatte. Uebrigens ging es auf diesen Wanderungen auch nicht immer ganz glatt ab; in Italien wurde Tschuggmall in schmählichster Weise betrogen, in Rußland aber gerieth er ungeachtet eines offenen Ukases des ihm wohlgewogenen Kaisers Nikolaus wiederholt in [68] schwere Fährlichkeiten; er war in Kasan und Moskau der Willkür, Raubsucht und Rohheit der Personen, mit denen er in Berührung treten mußte, preisgegeben. In Nischni Nowgorod fehlte es nicht viel, daß ihm die unwissenden Bauern, nachdem sie die Figuren sich so lebenswahr bewegen gesehen, dahinter Teufeleien suchend, sein ganzes Automatentheater zertrümmert hätten. Tschuggmall erzählte selbst: daß er beim Wiederbetreten der österreichischen Grenze den ersten schwarzgelben Mauthschranken unter Thränen umarmte und freudig den österreichischen Boden küßte. So hatte er bereits 17 Jahre seine kleine Künstlergesellschaft in der Welt herumgeführt und war eben im Begriffe, eine neue Tour durch Deutschland zu machen, als er im Städtchen Michelstadt in Hessen plötzlich erkrankte und daselbst auch starb. Tschuggmall war seinem Aeußeren nach ein schöner, stattlicher Mann, unerschrocken und heiter, schnell aufbrausend, aber auch leicht versöhnt. Seinen Kindern ein guter Vater, ließ er denselben eine sorgfältige Erziehung zutheil werden. In Riga lernte er den Mechaniker und Decorationsmaler Georg Giuliani kennen und nahm ihn als Gehilfen, endlich als Gatten seiner Tochter Elisabeth auf. An dieses Paar ging sein Automatentheater und seine Kunst als Erbschaft über. Noch in den Siebenziger-Jahren gab die Tschuggmall’sche Familie in Innsbruck Vorstellungen mit ihren kleinen Wunderfiguren, die damals ebenso noch die allgemeine Bewunderung von Jung und Alt erregten, wie 30 und 40 Jahre früher. Diese neuen Vorstellungen schlossen stets mit dem von Giuliani mit großem Fleiße gemalten Panorama der Tiroler Bahn von Kufstein bis Bozen, einem Gemälde von 200 Ellen Länge und 21/2 Ellen Höhe, welches die herrlichen Landschaftspartien dieser Strecke mit allen Tunnels, Brücken, Schutzbauten, Hochgebirgen, Gletschern u. s. w. vorführt. Wir lassen unten einen kurzen Ueberblick der Tschuggmall’schen Automaten folgen.

Der Aufmerksame (Gratz, 4°.) 1866, Nr. 95 und 96. – Berlinische Nachrichten, 1862, Nr. 240: „Tschuggmall’s Automaten“. – Bote für Tirol und Vorarlberg (Innsbruck, Fol.) 1856, Nr. 294, S. 1677 [nach diesem geboren am 19. Jänner 1785]. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte u. s. w. (Wien, 4°.) 1827, S. 696. – Neue Tiroler Stimmen (Innsbruck, 4°.) 1870, Nr. 89: „Tschuggmall’s Automaten“. – Staffler (Johann Jacob). Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen (Innsbruck 1847, Felician Rauch, 8°.) Bd. I, S. 277 [nach diesem geboren am 5. Jänner 1785].
Die Tschuggmall’schen Automaten. Herausgeber dieses Lexikons hat als zehn- bis zwölfjähriger Knabe Gelegenheit gehabt, diese Wunderfiguren zu Anfang der Dreißiger-Jahre in Laibach zu sehen, wo Tschuggmall dieselben auf einer improvisirten Bühne im ständischen Redoutensaale dem Publicum vorführte. Der Eindruck, den diese eilf kleinen Automaten, von Holz, Leder und Metall zusammengesetzt, auf ihn und seine Geschwister, ja auf den ernsten Vater hervorbrachten, bleibt ihm unvergeßlich. Die Figuren schienen zu leben, sie öffnen und schließen die Augen und Lippen, vollführen auf dem schlaffen Seile die schwierigsten und anmuthigsten Gaukeleien eines Akrobaten, steigen an einer Leiter auf und nieder, treiben Scherze, trinken einander zu und zaubern uns Scenen aus dem Lande der Liliputer herbei. Der Stand der Automaten, Androiden und Metamorphosen des Tschuggmall’schen Cabinets ist folgender: 1. Ein Automat, der in den Händen des Künstlers leblos liegt. Sobald er in Berührung mit dem Schwungseile kommt, wird plötzlich reges Leben in ihm bemerkbar. Er beantwortet alle Fragen seines Herrn, bejahend oder verneinend, bewegt die Augen nach dem Tacte der Musik, verläßt das Seil, erfaßt es wiederum, hängt mit den Händen sich daran und legt sich rück- und vorwärts darauf, gibt auch bei einem Applaus [69] seine Freude zu erkennen; alle Bewegungen sind dabei graziös, man will kaum glauben, daß die Figur nicht wirklich lebe. 2. Ein Automat (Madame Blondin) führt, frei auf das Seil gesetzt, die schwierigsten Touren aus und macht Saltomortale, die kein lebender Akrobat nachzumachen wagen würde. Ein Bajazzo, der ihr in diesen Künsten secundirt, steigert den Reiz dieser Figur. 3. Ein Automat (der alte Wiener Kellner) hält in der Rechten eine Flasche mit Rothwein, in der Linken ein Trinkglas, schenke sich ganz natürlich das Glas voll und trinkt es ebenso natürlich aus, dabei die drolligsten Geberden machend. Bajazzo, welcher den Wein wittert, kommt hinter der Coulisse mit dem Trinkglase hervor und sucht durch Schmeicheleien auch etwas vom Herrn Kellner zu erhalten, der sich aber nicht dazu bewegen läßt. Aergerlich darüber, versetzt er dem Neidischen einige Ohrfeigen. Dieser verläßt seinen Platz, winkt und nun erscheint, ebenfalls mit einer Flasche Wein, seine Kellnerin, welche mit dem Bajazzo coquettirt und sich durch dessen Schmeicheleien bewegen läßt, ihm einzuschenken, was immer wieder geschieht, wenn dieser das Glas leer getrunken. Die lebenswahren Bewegungen, die komischen Stellungen reizen unwillkürlich den Zuseher zum Lachen. 4. Der Bajazzo, der auf das Seil gehoben wird. Frei auf demselben sitzend, bewegt er sich anfangs höchst unbehilflich. Durch Mimik verlangt er eine andere Musik, gibt selbst den Tact dazu an und beginnt nun aufs Neue sein Spiel, dieses Mal aber mit voller Sicherheit und Waghalsigkeit. Die Saltomortale sind so täuschend und schnell, daß ihnen das Auge kaum zu folgen vermag, 5. Piero, der Italiener, wird vom Herrn gerufen, den Bajazzo vom Seile zu heben und fortzutragen. Die Scene, die sich nun zwischen dem andringenden Piero und dem sich widersetzenden Bajazzo in den komischesten Wendungen, Stellungen und Sprüngen abspielt, ist höchst ergötzlich. 6. Ein kleiner Circus mit Pferden und Kunstreitern. Die Pferde machen ihre Bewegungen genau nach der Natur, laufen nach dem Tacte der Musik, und die Kunstreiter vollführen auf ihnen alle Kunststücke wie in einem wirklichen Circus. 7. Der kleine Tiroler, wohl der lieblichste aller Automaten und so natürlich, daß man ihn für einen lebenden Menschen halten möchte. In seinen Leistungen ist dieser niedliche Automat das wahre non plus ultra. 8. Die Metamorphosen bestehen aus der Winterlandschaft, dem Schwanenteiche und dem Tempel Minervas. Unter diesen Gegenständen ragt der Teich hervor, auf welchem zwei Schwäne in ihren Bewegungen von wirklichen Schwänen nicht zu unterscheiden sind. Die Winterlandschaft zeigt einen großen durch Schlittenfahrten und Schlittschuhläufer belebten Platz, auf dem es nicht an komischen Scenen fehlt. Allmälig bricht der Abend herein, der Mond erscheint am Himmel und beleuchtet mit magischem Lichte die Landschaft, die Fenster werden allmälig hell u. s. w. Das Hauptgeheimniß der Mechanik liegt bei vielen Figuren im Seile. Hätte Tschuggmall von frühester Jugend die sorgfältigste Erziehung und einen zweckmäßigen theoretischen und praktischen Unterricht genossen, so würde ihm die Darstellung seiner kleinen Automaten schon einen ehrenvollen Platz neben den ersten Meistern in diesem Fache sichern, so aber gehört er in die Classe jener seltenen Talente, welche Alles, was sie sind, nur sich allein, d. h. ihrem natürlichen Genie zu verdanken haben. Zamboni, der berühmte Physiker in Verona, ein in dergleichen gewiß competenter Richter, gerieth aus einer Verwunderung in die andere, als er Einsicht nahm in den inneren Mechanismus dieser Figuren, bei denen keine Elektricität, kein Magnetismus mit wirksam war. „Ich zolle“, erklärte dieser Fachmann schriftlich, „dem unvergleichlichen Genie des Erfinders den feierlichen Tribut meines vollsten Beifalls und meiner Achtung“.