BLKÖ:Vermond, Mathieu Jacques Abbé

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vernak, Vatroslov
Band: 50 (1884), ab Seite: 127. (Quelle)
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Vermond, Mathieu Jacques Abbé (Erzieher, später Vorleser und Beichtvater der Königin Marie Antoinette von Frankreich, geb. [128] daselbst um 1736, gest. zu Wien um 1798). Der Sohn eines Dorfbarbiers, widmete er sich dem geistlichen Stande und wurde Doctor der Sorbonne und Bibliothekar am Collége Mazarin zu Paris. Nachdem die Politik die Tochter Maria Theresias, die Erzherzogin Marie Antoinette, zur Gemalin des Dauphins, nachmaligen Königs Ludwig XVI. von Frankreich, ausersehen hatte, wurde es nöthig, die Braut vorzubereiten für ihre künftige Stellung in einem ganz fremden Lande und unter Verhältnissen, welche jenen am kaiserlichen Hofe diametral entgegengesetzt waren. Es genügte ihre Erziehung durch heimische Lehrer nicht mehr, und man war bedacht, sich nach einem Franzosen umzusehen, welcher für diese Stellung paßte. Der Herzog von Choiseul wendete sich in dieser wichtigen Angelegenheit an Lomenie de Brienne, Erzbischof von Toulouse, und dieser empfahl der Kaiserin seinen Schützling Abbé Vermond. Derselbe fand in Wien die schmeichelhafteste Aufnahme und wußte sich bald eine solche Herrschaft über seinen Zögling zu verschaffen, daß er später fast alle Handlungen der Königin bestimmte und leitete. Er schrieb fast alle ihre Briefe, genoß ihr volles Vertrauen und bestärkte sie in dem Widerwillen gegen die Sitten des französischen Hofes. Ueber die Art und Weise, wie es ihm gelang, die junge Erzherzogin so mächtig zu beeinflussen, gehen die Berichte auseinander. Nach Einigen fand er namentlich Gefallen an der großen Einfachheit und Ungebundenheit, welche an Maria Theresias Hofe herrschten, und sein Hauptbestreben ging dahin, in seiner jungen Elevin ähnliche Neigungen zu erhalten und möglichst zu verstärken, was denn doch im Hinblick auf die am königlich französischen Hofe herrschenden Sitten nicht eben ganz klug gewesen sein mag. Nach Anderen hätte er affenartig Alles gut geheißen, was die Erzherzogin sprach und that, kein Mittel unbenutzt gelassen, sich in die Gunst der Kaiserin zu setzen, was ihm denn auch vollständig gelang, und so mit jesuitischen Mitteln allmälig die Oberhand gewonnen und weniger die lebhafte geistvolle Erzherzogin wirklich zu erziehen, als seine eigene Stellung unter allen Umständen zu sichern und zu befestigen gewußt. Als dann im Frühling 1770 Marie Antoinette ihrer Bestimmung nach Paris entgegenging, folgte ihr Vermond dahin, wurde nach ihrer am 10. Mai 1770 vollzogenen Vermälung mit dem Dauphin Ludwig ihr Vorleser, zuletzt ihr Beichtvater und erfreute sich nach wie vor des größten Ansehens und Vertrauens bei der am französischen Hofe vereinsamt stehenden Dauphine. Die steifen Formen des französischen Hofes wurden der jungen Königin bald lästig. Doch waren dieselben bei den bestehenden Verhältnissen nicht entbehrlich, vielmehr geradezu nothwendig: denn bei dem bekannten Hange der Franzosen zur Spötterei und ihrer Sucht, Alles ins Lächerliche zu ziehen, hielten sie gewissermaßen die zu scharf sehenden Augen in einer gewissen Entfernung und lästige Forscher im gehörigen Respect. Wohl ließ es die Gräfin von Noailles, die Ehrendame Marie Antoinettes, an langen Reden über Etiquette nicht fehlen. Da aber Vermond dieselben ins Lächerliche zog und die Dauphine in dem Abbé, ihrem weltlichen und geistlichen Berather, ihre Hauptstütze fand, so machte sie sich allmälig von den Banden des Ceremoniells los, wodurch sie, wenn auch unabsichtlich, zunächst zur Erschütterung eines Thrones beitrug, dessen Glanz zum [129] Theile durch jene Formen geschützt ward. Dazu kam noch die berüchtigte Halsbandgeschichte, in welche die schuldlose Königin auf die verruchteste Weise verwickelt und in der sie durch das Verhalten Vermond’s geradezu compromittirt wurde. Auch mengte sich der Abbé immer mehr und mehr in die politischen Angelegenheiten Frankreichs, und hatte ihm früher sein Gönner, der Erzbischof von Toulouse, zur Stellung bei Marie Antoinette verholfen, so war es nun wesentlich Vermond’s Einfluß, welcher die Berufung Lomenie’s zum Principalminister veranlaßte, dessen Unfähigkeit zu diesem Posten Frankreichs Unglück nur beschleunigte. Später, im Juni 1789, gelang es, den Abbé von der Seite Marie Antoinettes zu entfernen. Da aber Vermond mit dem Wiener Hofe in brieflicher Verbindung blieb und auch in dieser Richtung die junge Königin zu mancher politischen Unvorsichtigkeit verleitete, war dieser Umstand für dieselbe, als das Verhängniß über Frankreich hereinbrach, von den schlimmsten Folgen. Daß unter solchen Umständen sich bald nach dem Ausbruche der Revolution die Wuth des Volkes gegen Vermond richtete, in welchem dasselbe einen österreichischen Agenten sah, ist leicht erklärlich. Der Abbé entzog sich demnach den Verfolgungen durch die Flucht, vorab nach Valenciennes, dann nach Wien, wo er in Zurückgezogenheit lebte und gegen Ende des vorigen Jahrhunderts starb.

Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken. Neue Reihe (Leipzig, Brockhaus, 1821 u. f, gr. 8°.) XII. Heft, in der Biographie Marie Antoinettes, S. 9, 13, 15, 17, 47, 69, 72 und 85. – Thürheim (Andreas Graf). Von den Sevennen bis zur Newa (1740–1805). Ein Beitrag zur Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts (Wien 1879, Braumüller, 8°.) S. 152, 184, 257 und 258.