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BLKÖ:Wieser von Mährenheim, Joseph Ritter

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wieser, Joseph
Band: 56 (1888), ab Seite: 56. (Quelle)
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Wieser von Mährenheim, Joseph Ritter (Schriftsteller, geb. zu Brünn am 3. Jänner 1813, gest. daselbst am 9. Jänner 1886). In Rede Stehender, dessen Vater Joseph, ein Bürger von Brünn, daselbst Kaufmann, Hausbesitzer und Mitglied des Gemeindeausschusses war, beendete das Gymnasium und den philosophischen Curs in seiner Geburtsstadt, hörte 1831 bis 1834 die juridisch politischen Studien [57] an der Universität in Olmütz und trat dann als Auscultant bei dem Brünner Magistrate in den Justizdienst. Nach mehrjähriger Dienstzeit, während welcher er bei allen Senaten des Magistrates verwendet wurde, kam er Ende December 1842 als Conceptspracticant in die Dienste des Landesausschusses der mährischen Stände, die ihn am 6. Juni 1847 als ständigen Secretär anstellten. In dieser Eigenschaft wurde er mit Beginn des Jahres 1848 Präsidialbeamter des Landtagsdirectoriums und am 2. Mai 1861 zugleich Präsidialsecretär der mährischen Landeshauptmannschaft. In der Folge aber vom Landtagsausschusse zum mährischen Landesrathe ernannt, trat er als solcher 1876 in den Ruhestand über. Wieser’s Thätigkeit ist nach zwei Seiten zu würdigen, nach der des ständischen Beamten und jener des Schriftstellers. Erstere war während der Sessionen der Landtage, insbesondere 1848, dann in den Jahressessionen von 1861 an und im denkwürdigen Kriege 1866 eine sehr verdienstliche. Bei der bevorstehenden Gefahr der Occupation der Landeshauptstadt Brünn durch die preußische Armee lag ihm die Bergung der Landescassen, der Prätiosenpfänder des Leihamtes und der Archivalien ob, und unterzog er sich dieser wichtigen und schwierigen Aufgabe mit musterhafter Umsicht ohne Gleichen. Bei der Durchführung der Grundentlastung in Mähren, dazu als Präsidial- und Landescommissionssecretär am 12. August 1849 berufen, wirkte er bis zur Durchführung dieser Arbeiten, Ende October 1852. Im Jahre 1851 verfaßte er eine eingehende Darstellung über mehrere von Seite des Ministeriums des Innern zur Beantwortung ausgestellte Fragen hinsichtlich der vor 1848 bestandenen Verhältnisse des Ständewesens, der Einflußnahme der Ständeverwaltung darauf und der Veränderungen in den Jahren 1848 und 1849, dann wurde ihm die Bearbeitung des Entwurfes der Grundzüge der künftigen Landesvertretungen übertragen und ihm als Schriftführer der zu diesem Zwecke aufgestellten Berathungscommission auch die Protokollführung anvertraut. Wegen der einbezogenen historischen Nachweisungen aus der ältesten Periode des Ständewesens bis 1848 bildet das im Landesarchiv befindliche Operat ein reichhaltiges Material für eine Geschichte der Verfassung Mährens. Bei mehreren wichtigen Anlässen wirkte er als Generalsecretär oder als Mitglied des Executivcomités mit; als ersterer bei dem Comité, das sich gebildet hatte, um durch freiwillige Sammlungen den Ankauf und die Ausrüstung von sechshundert Artilleriepferden zu bewerkstelligen, welche der im Doppelkriege kämpfenden kaiserlichen Armee namens des Landes Mähren zugeführt werden sollten; dann im Kriegsjahre 1859 bei dem Generalcomité zur Sammlung freiwilliger Gaben für die k. k. Armee und zur Anwerbung und Ausrüstung zweier mährischer freiwilligen Schützenbataillone; als letzteres 1866 bei dem mährischen Unterstützungsvereine, der sich die Aufgabe gestellt, die infolge des damals ausgebrochenen Krieges hilfsbedürftig gewordenen österreichischen Krieger, dann ihre Witwen und Waisen zu unterstützen, und bei dessen Executivcomité, das die Durchführung der gesammten Vereinsangelegenheiten und humanitären Bestrebungen über sich genommen. Diese außerordentliche Thätigkeit theils in den dienstlichen Sphären, theils in den vorbezeichneten Richtungen würdigte der Monarch durch ah. ausgesprochene Anerkennungen [58] (1849, 1852, 1859), durch Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone (1854), durch Erhebung in den österreichischen Adelstand mit dem Ehrenworte Edler und dem Prädicate von Mährenheim (1860) und durch die Ertheilung des Titels eines kaiserlichen Rathes (1862). Wieser’s schriftstellerische Thätigkeit zerfällt wieder nach zwei Seiten, der amtlichen und der literarischen. Erstere umfaßt alle seine Arbeiten als ständischer Beamter und als Mitglied der historisch-statistischen Section der mährisch-schlesischen Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde; letztere seine politischen, lyrischen, novellistischen und dramatischen Arbeiten. Von den amtlichen Arbeiten ist vor Allem zu nennen die Agenda des mährischen ständischen Landesausschusses vom Jahre 1849 bis 1859 (Brünn 1860); daran reihen sich die V Rechenschaftsberichte des mährischen Landesausschusses vom 1. Jänner 1864–1870, dann die Beschlüsse des Landtages Mähren aus den Sessionen 1861–1868; die Protokolle des März-Landtages 1848, des aus demselben mit fast constituirender Vollmacht hervorgegangenen großen Comités von 24 Mitgliedern und des erweiterten Provinzial-Landtages 1848/49. Die Protokolle des März-Landtages erschienen als Beilage der „Brünner Zeitung“, jene des erweiterten Provinzial-Landtages – mehr als 780 Quartseiten – als besonderes Landtagsblatt. Außer diesen streng amtlichen Arbeiten schrieb er politische und nationalökonomische Artikel über die damals aufgetauchten Fragen des staatsrechtlichen Verhältnisses Mährens zum Gesammtstaate, über die Generallandtage, über den Landtag 1848, über Gemeindeautonomie und das Gemeindevermögen, über Verwaltungsfragen, über Grundentlastung und Propination u. d. m. in den verschiedenen damals zu Brünn erscheinenden Tagesblättern; auch brachte er zahlreiche kritische Aufsätze über die meisten einigermaßen wichtigen Erscheinungen der Literatur in den Jahrgängen 1859–1867 der „Brünner Zeitung“. Die Muße aber, die er nach so umfassender Thätigkeit erübrigte, widmete er der Poesie, der er nach verschiedenen Richtungen, vorherrschend nach der dramatischen, huldigte. Die erste dahin einschlägige Arbeit war der Prolog und die verbindende Declamation zu den Chören des Trauerspiels „Antigone“ von Sophokles und zu der sie begleitenden Musik von Mendelssohn, in der von dem Grafen Bukuwky zu Gunsten des Brünner Blindeninstitutes am 25. März 1854 veranstalteten Akademie. Die ferneren poetischen Arbeiten Wieser’s lassen wir in chronologischer Reihe folgen: „Das Haus des Tiresias. Trauerspiel in 5 Aufzügen“ (Brünn 1859), im Brünner Theater aufgeführt; – „Nesseln“ (ebd. 1860), eine Sammlung von Epigrammen, zum Theile schon im belletristischen Beiblatte der „Brünner Zeitung“ abgedruckt; – „Welehrad, ein Liederkranz in zwei Büchern“ (ebd. 1862); – „Zawisz, der Rosenberger. Trauerspiel in 5 Aufzügen“ (ebd. 1864), im Brünner Theater aufgeführt; – „Der Meister des Lichtes. Trauerspiel in 5 Aufzügen“ (Wien 1868, Gerold, 8°.), behandelt den Schwärmer des vorigen Jahrhunderts Anacharsis Freiherrn von Clootz; – „Gedichte“ (Brünn 1869); – „Diogenes in Cöln. Lustspiel in 5 Aufzügen“ (ebd. 1874); – „Frauendienst. Dramatisches Gedicht in 5 Aufzügen“ (ebd. 1874); – „Eine Liebe des Alcibiades. Lustspiel in 5 Aufzügen“ (ebd. 1875); – „Kaiser Julianus. Trauerspiel in 5 Acten“ [59] (ebd. 1876); – „Der Imperativ der Liebe. Lustspiel in 5 Aufzügen“ (ebd. 1877); – „Die Welt des Herzens. Schauspiel“ (ebd. 1880); – „Tiefe Ebbe und hohe Fluth. Schauspiel in 5 Aufzügen“ (ebd. 1883). Im belletristischen Beiblatte der „Brünner Zeitung“ aber veröffentlichte er die Novellen: „Der Sonntagsmorgen“ (1859); – „Aus dem Tagebuche einer schönen Frau“ (1861–1862) und „Die ungekannte Geliebte“ (1863–1864). Es ist eine ebenso reiche als wechselnde Thätigkeit, welche uns aus seinen Arbeiten entgegentritt. Die Kritik hat im Ganzen über seine poetischen Leistungen anerkennend sich ausgesprochen. „Wir vermissen“, heißt es in einem ihm gewidmeten größeren biographischen Artikel, „in ihnen nicht den edlen Geist und die ideale Richtung, wenn wir auch manches Zugeständniß an die Auffassung der Gegenwart und auf die Rücksichten der festeren Gestaltung und Charakterisirung der Einzelngestalten gewünscht hatten.“

d’Elvert (Christian Ritter). Notizenblatt der historisch-statistischen Section der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft für Beförderung des Ackerbaues u s. w. (Brünn, 4°.) Jahrg. 1886, Nr. 2. – Derselbe. Geschichte der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues u. s. w. (Brünn 1870, Rohrer, gr. 8°.) in der Beilage S. 373. – Brümmer (Franz). Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts (Leipzig, Reclam, 12°.) Bd. II, S. 484. – Brünner Morgenpost, 1886, Nr. 8. Von H. P.(enn). – Der mährische Correspondent, 1886, Nr. 82: „Nekrolog“. – Blätter für literarische Unterhaltung (Brockhaus, Leipzig, 4°.) 1869, Nr. 23, S. 359. – 'Kehrein (Joseph). Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im neunzehnten Jahrhundert (Zürich, Stuttgart und Würzburg 1871, Leo Woerl, gr. 8°.) Bd. II, S. 258.
Porträt. Dasselbe im Holzschnitt befindet sich im „Mährisch-schlesischen Correspondenten“ vom Jahre 1886 bei dem vorbezeichneten Nekrologe.