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BLKÖ:Willforth, August

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 56 (1888), ab Seite: 187. (Quelle)
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Willforth, August (Bibliograph, geb. in Meidling bei Wien um 1816, gest. zu Wien am 8. Februar 1879). Der Sohn eines nach Wien eingewanderten Fabriksarbeiters, übersiedelte er mit seinen Eltern noch als Knabe nach Ulm, wo er 1829 die Gymnasialclassen mit guten Fortschritten beendete und namentlich in der griechischen und hebräischen Sprache fleißige Studien machte. So mit tüchtigen Kenntnissen in alten und neuen Sprachen vorzüglich ausgerüstet, trat er in das Buchhandlungsgeschäft von Fidelis Butsch in Augsburg und befand sich bei diesem berühmten Bibliographen auf der „hohen Schule“ des Buchhandels, besonders des Antiquariats, wo er sein Geschäft in den wichtigsten Zweigen kennen zu lernen reichlich Gelegenheit fand. Nach Aufhebung der Klöster bereiste er Spanien, Südfrankreich, Italien, wo er in aufgelassenen Bibliotheken und sonstigen Fundorten nach seltenen Büchern und werthvollen [188] Handschriften fahndete und manchen kostbaren Fund machte, dabei aber sich selbst praktisch zum vollendeten Bücherkenner und gediegenen Antiquar ausbildete. Um die Mitte der Fünfziger-Jahre kehrte er nach Oesterreich zurück und trat in das Wallishausser’sche (nachmals Klemm’sche) Antiquariat ein, in welchem er, wie der Culturhistoriker Wiens, Friedrich Schlögl, in seiner markanten Weise schreibt, „ein Vierteljahrhundert lang, in den letzten Jahren mit halbblinden Augen, zwischen Incunabeln, kaum entzifferbaren Manuscripten, Holz- und Schweinslederbänden, Teig- und Zeugdrucken u. s. w. kauerte, Miniaturen prüfte, Initialen verglich und von dem schönen Erdendasein nicht viel mehr genoß als den Anblick, wenn ein milder Sonnenstrahl durch die Fensterscheiben drang und auf ein vergilbtes Pergament fiel“, dafür aber mit gewiegten Bücherkennern aus aller Herren Ländern verkehrte. Unter Bücherkennern galt Willforth als Autorität, und seine Stärke waren Austriaca und darunter vornehmlich Viennensia und Hungarica. Bemerkenswerth ist, daß er manches Buch, dessen Werth er erkannte, und das er, wenn auch nicht an Ort und Stelle loszuschlagen, doch an den rechten Mann zu bringen hoffte, mit hohen Preisen bezahlte, und wenn ihn dann ein Bücherkenner oder Sammler fragte, ob er denn glaube, dafür einen Käufer zu finden, so entgegnete er: „Natürlich nicht auf hiesigem Platze, denn Wien kauft – keine Bücher, das geht Alles – nach auswärts.“ Und dies ist für Wien – welches sich dadurch von Schiller den Schimpf der „Phäakenstadt“ zuzog – nicht eben ruhmvoll, denn manchem Wiener gestatten es wahrhaft die Mittel, von Zeit zu Zeit ein Buch zu kaufen. In der That nimmt sich dies immerhin anständiger aus, als die abgegriffenen fettglänzenden Bücher aus der Leihbibliothek, die man in den besten und reichsten Familien der Residenz auf den Sophas, Stühlen und Nippestischen der Damen liegen sieht; auch könnte der städtische und vorstädtische Hausherr, wie Schlögl zutreffend bemerkt, seinem Sohne ungescheut den Fingerzeig geben, statt eines Buldoggs um 80 bis 100 fl. sich um den zwanzigsten Theil dieses Betrages etwa einen guten Classiker oder sonst ein schöngeistiges Buch anzuschaffen. Mit Willforth’s Tode verringerte sich die ohnehin dünngesäete Species echter Antiquare und Bücherkenner Wiens, denn ihm vorangegangen sind Gräffer, Binz, Bader, Schratt, Sammer, Schaumburg, Kuppitsch, Kugler folgte ihm, und von der alten Quintupel-Allianz, wie Schlögl die altclassischen Bücherkenner Wiens: Kuppitsch, Schratt, Willforth, Kugler und Haidvogel, in einem Worte zusammenfaßt, sind die vier Ersten auch schon gestorben und der Letzte, alt und müde bereits, ist wie verschollen oder mittlerweile wohl auch schon den Anderen gefolgt. – Ob Dr. Karl Willfort, von dem der „Amtliche Bericht über die 26. Versammlung der Land- und Forstwirthe zu Wien vom 31. August bis 5. September 1868“ (Wien 1869, Gerold, gr. 8°., VIII und 376 S.) herausgegeben wurde, ein Verwandter unseres Antiquars ist, wissen wir nicht.

Tagblatt (Wiener Localblatt) 1879, 10. Juni 1879, im Feuilleton: „Von alten Schmökern“.