BLKÖ:Wocher, Gustav von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 57 (1889), ab Seite: 197. (Quelle)
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Wocher, Gustav von (k. k. Feldzeugmeister, geb. zu Ludwigsburg in Württemberg am 4. September 1779, gest. in Wien am 25. März 1858). Der Sproß einer im Württemberg’schen und zu Feldkirch im Vorarlberg’schen heimischen Familie, welcher die beiden Maler und Radirer Marquart[WS 1] und Theodor Wocher angehören, und von welcher Angehörige noch in Schwaben und Bayern vorhanden sind. Sein Großvater war gräfl. Hohenembs’scher Verwalter, ein sehr unterrichteter Mann, der die Züricher Gelehrten Bodmer und Breitinger [198] auf die beiden Nibelungen-Codices aufmerksam machte. Der eine Codex, welchen bekanntlich Joseph Freiherr von Laßberg auf seinem Schlosse zu Meersburg am Bodensee besaß, kam mit der freiherrlichen Bibliothek in jene des Fürsten Fürstenberg; den zweiten bewahrt die Münchener Staatsbibliothek. Wocher machte seine Studien in Ludwigsburg und trat, 17 Jahre alt, 1796 als ex propriis Gemeiner in das Tiroler Scharfschützen-Regiment, aus welchem er noch im November desselben Jahres als Fähnrich zu Brechainville-Infanterie Nr. 25 übersetzt wurde. Im October 1798 zum Oberlieutenant befördert, machte er als solcher die Feldzüge 1799 und 1800 mit. Im ersteren hatte er das Unglück, im Gefechte bei Ilans gefangen genommen zu werden; jedoch bald ranzionirt, focht er in den folgenden Kämpfen bis zum Luneviller Frieden. 1801 ward er bei der Grenadier-Division seines Regimentes, dann beim Tiroler Jäger-Regimente eingetheilt[WS 2], aus welchem er als Capitänlieutenant zu Erzherzog Karl-Infanterie Nr. 3 kam, in welchem er bis zu seiner Ernennung zum Obersten verblieb. Im Feldzuge 1805 wohnte er der Katastrophe von Ulm bei, im August 1806 wurde er wirklicher Hauptmann, kam 1809 mit dem Regimente zum 5. Armeecorps und gerieth im Treffen bei Neumarkt 23. April neuerdings in feindliche Gefangenschaft; machte dann den Feldzug 1813 mit dem Regimente bei der Armee in Deutschland, 1814 und 1815 bei der Armee in Italien mit. 1816 als Grenadierhauptmann in Wien stationirt, blieb er daselbst bis zu seiner 1820 erfolgten Beförderung zum Major im Regimente. 1822 und 1823 stand er in Mailand, 1825 wurde er Generalcommando-Adjutant in Niederösterreich, in welcher Stellung er Februar 1828 zum Oberstlieutenant vorrückte. Im Mai 1830 zum Obersten bei Hohenlohe-Infanterie Nr. 17 befördert, commandirte er das Regiment zuerst in Laibach, seit 1832 aber in Italien, und zwar in den Garnisonen Padua, Ferrara, Forli, Bologna und Mailand. Während seines Aufenthaltes in Laibach versuchte er das Schicksal des mit der Welt zerfallenen Dichters Hilscher [Bd. IX, S. 29], der unter ihm diente, so gut er es konnte, zu mildern, obwohl ihn das widerhaarige Wesen dieses Misanthropen [siehe zum Schluß dieser Skizze] zum Aeußersten brachte. 1835 wurde er Generalmajor und übernahm das Commando einer Brigade in Mailand, 1838 kam er in gleicher Eigenschaft nach Wien. Noch als Generalmajor wurde er 1842 Inhaber des eben erledigten Infanterie-Regimentes Nr. 25, in welches er zum Fähnrich befördert worden war. Außer dem Fürsten Karl von Liechtenstein war er der einzige Generalmajor, der die Würde eines Regimentsinhabers bekleidete. Im Juni 1844 zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt, erhielt er seine Bestimmung als Divisionär im ersten in Italien stationirten Armeecorps. Zur eigentlichen Thätigkeit im Felde gelangte er erst 1848, als er schon nahezu 70 Jahre alt war; aber wie im Frieden als humaner Stabsofficier und General, so wirkte er nun im Felde als Führer voll Muth, Umsicht und Energie. Als Radetzky nach Ausbruch des Aufstandes in Mailand am 10. April 1848 nach Verona sich zurückzog, um dann die Offensive gegen das durch die Rebellion des ganzen Landes ungemein gekräftigte Sardenheer zu eröffnen, übergab er dem Feldmarschall-Lieutenant Wocher das Commando über das Reservecorps, welches [199] aus 11 Bataillons, 28 Escadrons und 79 Geschützen nebst dem Brückentrain bestand. Rühmlichsten Antheil nahm Wocher an dem dreitägigen Gefechte bei Pastrengo (28. bis 30. April), in welchem die beiden Brigaden Erzherzog Siegmund und Freiherr von Wohlgemuth unter seiner Leitung fochten. Als dann Radetzky am 27. Mai die Offensive eröffnete, wirkte der General während des kurzen fünftägigen Feldzuges durch seine exacten Bewegungen wesentlich zu den siegreichen Erfolgen mit, denn erstens gelang es ihm, die Garnison von Verona zu verstärken und dadurch diesen Platz, während Radetzky gegen Vicenza vordrang, gegen jeden feindlichen Angriff zu sichern, dann aber den Gegner glauben zu machen, daß sich die ganze Armee nach Verona gezogen habe, was denselben dann von einem Angriffe gegen diese Stadt während der Abwesenheit der übrigen Corps abhielt. Graf Radetzky nennt in seinem Berichte über die Ereignisse vom 7. Mai bis zum 13. Juni den Feldmarschall-Lieutenant Wocher unter den ausgezeichnetsten Corpscommandanten seiner Armee, und der Kaiser schmückte ihn mit dem Orden der eisernen Krone erster Classe. Als es sich später darum handelte, nach Umständen auf dem rechten oder linken Ufer des Mincio zu operiren, führte Wocher am 24. Juli Morgens in kürzester Zeit den Brückenschlag bei Salionze aus, unterstützte dann durch umsichtige Bewegungen die glänzenden Erfolge bei Custozza, so daß Feldmarschall Radetzky in seinem Berichte an das Kriegsministerium ausdrücklich schreibt: „Selbst dem tapferen Reservecorps und seinen würdigen Führern, wenn sie auch nicht zum Kampfe selbst kamen, weil er fast immer schon in den vorderen Reihen entschieden worden, ward es vergönnt, wenigstens durch rasche anstrengende Märsche als Reserven stets in der Schlachtlinie zu stehen und als solche die volle Kraft des Heeres, die Sicherheit der Schlachten zu begründen.“ Bei der neuen Eintheilung der Armee im November 1849 erhielt Wocher das Commando des 9. Corps in Illyrien. Noch im December desselben Jahres wurde er geheimer Rath, trat aber bald darauf mit dem Charakter eines Feldzeugmeisters in den Ruhestand, den er noch einige Jahre genoß, bis er, nahezu 80jährig, starb. Er war ein gebildeter kenntnißreicher Officier, nicht bloß in militärischen Kenntnissen bewandert. Ich entsinne mich noch gut des Obersten, der das vaterländische Regiment commandirte und sich als stattlicher Stabsoffizier durch seine Liebenswürdigkeit und ungewöhnliche Bildung allgemeiner Sympathien erfreute. Seines Verhaltens gegen Hilscher wurde oben gedacht, es zeugt für den Hochsinn des gebildeten Soldaten so entschieden, daß wir den authentisch verbürgten Vorgang hersetzen. Der Oberst hatte von Hilscher’s Bildung und geistigen Bestrebungen Kenntniß genommen, aber auch erfahren, daß der Poet, ein Misanthrop, mit sich und aller Welt zerfallen sei. Sein Entschluß war bald gefaßt, er wollte den damaligen Feldwebel in weniger drückende Verhältnisse und in ein für die Dichtung günstigeres Klima – nach Italien – bringen. Er ließ Hilscher holen und stellte ihm den Antrag, ob er nach Italien wolle. Der Oberst meinte, die milde Luft Italiens würde dem kränkelnden Dichter wohlthun. Der mißtrauische Hilscher wieder war der Ansicht, der Oberst habe Kenntniß von seiner unglücklichen Liebe zu einem Mädchen, das in Laibach lebte, und wolle ihn von dem Orte ihres Aufenthaltes [200] entfernen. Auf des Obersten freundschaftliche theilnehmende Frage erwiderte Hilscher mit trockener Subordination: „Wie Sie befehlen.“ – „Ich denke, daß es Ihnen lieb sein dürfte, als Dichter in diesem Lande der Künste sich aufzuhalten. Wenn Sie es wollen, so findet sich jetzt die Gelegenheit, Sie dahin zu versetzen.“ – „Wie Sie befehlen“, lautete Hilscher’s trockene Antwort. – „Mißverstehen Sie mich nicht“, fuhr Oberst Wocher fort, „ich meine es freundschaftlich, und es hängt bloß von Ihrem Willen ab.“ – „Wie Sie befehlen“, entgegnete in tonlos herber Weise Hilscher. – „So befehle ich, daß Sie sich entfernen“, schloß endlich der über solche alberne Hartnäckigkeit entrüstete Oberst. Als aber das Regiment 1834 nach Mailand kam, hatte er des unglücklichen Dichters Eintheilung als Fourier in den Generalstab durchgesetzt. Wocher’s werthvolle nicht unansehnliche Büchersammlung wanderte, da sich dafür in Oesterreich kein Käufer fand, nach Augsburg. Noch sei bemerkt, daß der General ein ganz ausgezeichneter Landschaftsmaler war.

Strack (Jos). Die Generale der österreichischen Armee. Nach k. k. Feldacten und anderen gedruckten Quellen (Wien, Koch und Sohn, 12°.) S. 379–395. – Die Presse (Wiener polit. Blatt) 28. März 1858, Nr. 71.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Marquard Wocher (Wikipedia).
  2. Vorlage: eingetheit.