BLKÖ:Wartinger, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wartha, Vincenz
Band: 53 (1886), ab Seite: 116. (Quelle)
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Wartinger, Joseph (Geschichtsforscher, geb. zu St. Stephan bei Stainz, einem Pfarrdorfe am Fuße des Rosenkogels in Steiermark, am 21. April 1773, gest. in Gratz am 15. Juni 1861). Seine Eltern, Michael Wartinger und Elisabeth, eine geborene Schreiner, übersiedelten zwei Jahre nach seiner Geburt von St. Stephan nach dem Markte Ligist und betrieben da auf einem von ihnen angekauften Hause das Bäckergewerbe und zugleich die Landwirthschaft. Ihr in der Kindheit sehr kränklicher Sohn Joseph erhielt hier auch den ersten Unterricht; erst als er fünfzehn Jahre alt geworden, gaben ihn die Eltern[WS 1] an das Gymnasium in Gratz, wo sie auf der Lend auch ein eigenes Haus besaßen. Hier widmete er sich nun, wiewohl stets mit Kopfleiden kämpfend, seinen Studien mit so großem Fleiße, daß er immer durch Schulpreise ausgezeichnet wurde. Nachdem er endlich 1798 die juridischen Studien am damaligen Lyceum vollendet hatte, fand er sich durch fortwährende Kränklichkeit doch gehindert, sich sogleich um ein öffentliches Amt zu bewerben, und versah daher noch ferner die schon früher übernommene Stelle eines Hofmeisters, als welchem ihm der Unterricht des nachmaligen Ministers Ferdinand Freiherrn von Thinnfeld oblag. Erst am 8. September 1799 trat er als Bureaupracticant des steiermärkischen Guberniums in die politischen Staatsdienste, die er dann beim Kreisamte Gratz fortsetzte, aber schon im Herbste 1801 mit einer Grammaticallehrerstelle am Gymnasium in Marburg vertauschte. Nach zwei Jahren übernahm er dort nebstbei unentgeltlich[WS 2] auch den Unterricht der Humanitätsschüler in der griechischen Sprache und munterte sie zum eifrigen Studium derselben durch von ihm aus Eigenem bestrittene Prämien auf. Er gründete an dieser Lehranstalt auch eine eigene Bibliothek, indem er seine Bücher, vereinigt mit schätzbaren Beiträgen des Humanitätsprofessors Dr. Gottweiß und des Religionslehrers[WS 3] Narrat, im Zimmer seiner Classe aufstellte und sie an den Erholungstagen[WS 4] den Studirenden selbst zur Benützung ausfolgte. Allein das Klima und Wetter von Marburg wirkten auf seine Gesundheit nachtheilig ein, und da eine Uebersetzung an das Gymnasium der Hauptstadt unthunlich war, so fand er sich genöthigt, im Herbste 1805 sein Lehramt niederzulegen und sich wieder nach Graz in das Privatleben [117] zurückzuziehen. Kaum hatte er sich aber hier, wo er den bei der Wiener Linie am Mühlgange gelegenen Annahof ankaufte, etwas erholt, so wurde er wieder für das Lehrfach in Anspruch genommen. Man ersuchte ihn zunächst, am Gymnasium Aushilfe zu leisten, übertrug ihm 1806 die Supplirung der damals erst errichteten Lehrkanzel der allgemeinen Weltgeschichte und bewog ihn später, jene der Philosophie provisorisch zu versehen. Er wirkte hiebei als Gymnasiallehrer durch seinen eben so lichtvollen als gründlichen Vortrag und durch sein sanftes, liebvolles Benehmen höchst vortheilhaft auf die Herzens- und Geistesbildung seiner Schüler, bewies als Professor der Geschichte, daß er sie pragmatisch zu behandeln wisse, und erwarb sich als Lehrer der Philosophie die Anerkennung, den Besuchern seiner Vorlesungen eine dem damaligen Standpunkte der Wissenschaft vollkommen entsprechende philosophische Ausbildung verschafft zu haben. Der allgemeine Ruf von Wartinger’s umfassenden Kenntnissen, zumal von seiner Vertrautheit mit der Geschichte und Verfassung des Landes, veranlaßte nun die steiermärkischen Stände, ihn am 17. April 1810 als Registratursadjuncten in ihre Dienste aufzunehmen und schon am 18. December 1812 zum Registrator und Archivar zu befördern. Als Amtsvorstand führte er nun eine zweckmässigere Geschäftsbehandlung ein, vervollständigte die mangelhaften alten Repertorien und legte ganz neue Vormerkbücher und Verzeichnisse an, so daß dadurch die amtliche Benützung dieser Schriftenschätze, die er bei seinen häufigen Berichterstattungen über wichtige Landesangelegenheiten selbst trefflich zu verwerthen wußte, wesentlich erleichtert wurde. Als Erzherzog Johann 1811 das nach ihm benannte Landesmuseum in Gratz gründete, war es Wartinger, der die erste Anlage des an demselben beantragten Archives, Münzen- und Antikencabinets mit patriotischem Eifer in das Werk zu setzen bemüht war. Er besorgte neben seinen eigentlichen Amtsobliegenheiten auch die darauf Bezug habenden Geschäfte am Joanneum gleichsam als Vertrauensmann des edlen Stifters und der Stände in den ersten sechs Jahren ganz ohne Entgelt. Am 28. December 1816 ward ihm diese Abtheilung der Anstalt zwar förmlich zur Verwaltung übergeben, aber erst im Jahre 1817 ihm dafür eine kleine Remuneration von jährlich 300 fl. angewiesen, die noch später durch eine Personalzulage von 200 fl. im Ganzen auf eine Entlohnung von ^500 fl. erhöht wurde. Ein volles halbes Jahrhundert war verflossen, seit Wartinger seine öffentliche Dienstleistung beim Landesgubernium begonnen, und fast 40 Jahre waren abgelaufen, seit er sie den Ständen seines Heimatlandes gewidmet hatte. Nun aber suchte der 77jährige Greis, der seinen Amtspflichten doch nicht mehr wie sonst nachzukommen im Stande war, zu Ende des Jahres 1849 um Versetzung in den Ruhestand an, und diese wurde ihm denn auch durch Decret vom 15. August 1850 mit Belassung aller seiner bisherigen Bezüge gewährt, und ihm zugleich über sein Scheiden aus dem Dienste das lebhafteste Bedauern, sowie für seinen in diesem stets bewiesenen seltenen, ja bis zur persönlichen Aufopferung gehenden Amtseifer und für seine jederzeit bewährte Pflichttreue der wärmste Dank, und hinsichtlich seines ehrenwerthen, mustergiltigen Charakters als Beamter, Gelehrter und Patriot die vollste Anerkennung ausgedrückt. Er erfüllte aber selbst noch nach [118] seiner Jubilirung trotz seines bereits hohen Alters bereitwillig den Wunsch der Stände, die Verwaltung des Cabinets am Joanneum noch bis zur Ernennung seines Nachfolgers fortzusetzen. Mit 31. Jänner 1851 wurde er endlich seiner ständischen Dienstleistung gänzlich enthoben und war fortan nur noch einige Zeit als Mitglied der Staatsprüfungscommission im öffentlichen Leben beschäftigt. Nachdem er hierauf noch durch ein Jahrzehent in der stillen Zurückgezogenheit eines Weisen verlebt hatte, verschied er, über 88 Jahre alt, sanft an Altersschwäche. Seine irdischen Reste wurden auf dem Friedhofe bei St. Peter bestattet, und ein ihm von seinen Verwandten gewidmeter einfacher Grabstein aus weißem Marmor bezeichnet jetzt ihre letzte Ruhestätte, welche seither der historische Verein in seine Obhut genommen hat. Dies ist der kurze Umriß des einfachen Lebenslaufes eines der würdigsten und verdienstvollsten Ehrenmänner Oesterreichs und seines Stammlandes Steiermark. Nun bleibt nur noch übrig, übersichtlich zusammenzustellen, was Wartinger in Steiermark zur Förderung der Bildung überhaupt und zumal der Kenntniß der vaterländischen Geschichte gewirkt hat. Als er im Jahre 1806 zur Supplirung der neuerrichteten Lehrkanzel der Weltgeschichte berufen wurde, war für den Vortrag derselben noch kein geeignetes Lehrbuch vorhanden, und so fand er sich zunächst genöthigt, für seine Vorlesungen an beiden philosophischen Jahrgängen erst brauchbare Hefte auszuarbeiten. Er verstand es, seinen Zuhörern diesen wichtigen Gegenstand auch anziehend zu machen. Er trat erst ab, als der neuernannte Professor Julius Franz Schneller seinen Posten übernahm. Im nämlichen Jahre erging an einige Präfecten und Professoren der Gymnasien die Aufforderung, ein kurzgefaßtes Lehrbuch der Landesgeschichte zum Gebrauche für die vierte Grammaticalclasse zu verfassen. Wartinger, welcher insbesondere eine gleiche Einladung erhalten hatte, machte sich unverzüglich an die Arbeit, wozu ihm auch seine mittlerweile erfolgte Aufnahme in den ständischen Archivsdienst förderlich war; obwohl er nun darin durch seine Amtsgeschäfte vielfach unterbrochen wurde, so gelangte er doch im Jahre 1814 damit glücklich zum Abschlusse und zu der Genugthuung, daß seine „Kurzgefaßte Geschichte der Steiermark“ schon im nämlichen Jahre am Gymnasium der Landeshauptstadt zuerst provisorisch zum Vortrage benutzt und dann 1816 endgiltig an allen steiermärkischen Lehranstalten dieser Art als ordentliches Lehrbuch eingeführt wurde. Bei dieser Gelegenheit möge zur Charakterisirung der damaligen Censurzustände folgende Thatsache erwähnt werden. In der ersten Auflage dieses Buches trug eine Abtheilung desselben die Ueberschrift; „Vor- und Nachtheile für die Steiermark aus deren Vereinigung mit Oesterreich.“ Als die Handschrift der zweiten Auflage von der Censurbehörde zurückgelangte, fand sich aber, daß der Censor, ohne übrigens den Text zu ändern, die beiden Sylben der Ueberschrift „und Nach-“ weggestrichen hatte. „Nun, mich freut es“, sagte Wartinger lächelnd, „wenn unser Heimatland bei dieser Vereinigung nur Vortheile erlangt hat.“ Die von der Regierung für diese schriftstellerische Leistung verheißene Belohnung blieb seltsamer Weise aus; um so edler benahm sich, dieser Außerachtlassung gegenüber, der Verfasser. Er widmete nämlich das ihm vom Verleger Ferstl (Greiner) dafür erfolgte Honorar[WS 5] [119] sammt seinem ganzen Supplentengehalte für den Vortrag der Weltgeschichte, im Ganzen einen Betrag von 800 fl., in fünfpercentigen öffentlichen Schuldscheinen, zur Stiftung einer silbernen oder goldenen Preismedaille für jenen Grammaticalschüler am Gymnasium zu Graz, welcher sich bei einer feierlichen öffentlichen Prüfung im Studium der vaterländischen Geschichte am meisten auszeichnen würde. Diese Stiftung gab zugleich Anlaß, daß die Stände später ähnliche Preismedaillen auch für die übrigen Gymnasien des Landes prägen und jährlich vertheilen ließen. Von sehr fördersamem Einflusse auf die Kunde der Landesgeschichte war auch Wartinger’s Thätigkeit als ständischer Registrator und Archivar. Gleich bei seinem Amtsantritte begann er die höchst schwierige Regelung des an den wichtigsten Originalurkunden reichhaltigen, aber der unerläßlich nothwendigen Ordnung fast gänzlich entbehrenden Landschaftarchives. Er war dabei so glücklich, sehr viele durch Jahrhunderte unbeachtet und zum Theile sogar uneröffnet gebliebene Urkunden an das Licht zu bringen und auf diese Weise für die Landesgeschichte zu retten. Unter diesen befand sich sogar die durch beinahe ein Jahrhundert unbekannt und unterzeichnet in dichtem Staube gelegene wichtige Original-Landhandfeste Kaiser Karls VI., welche bis zur jetzigen Verfassungsurkunde auch die letzte geblieben ist. Wartinger leitete auch deren Veröffentlichung ein, zu welchem Zwecke er selbst eine von ihm amtlich beglaubigte Abschrift dieses staatsrechtlichen Documentes der Censurhofstelle vorlegte. Er vermochte aber die wirkliche Drucklegung desselben erst 1843 in das Werk zu setzen, und zwar nicht ohne beharrliche Ueberwindung großer Schwierigkeiten während einer siebenjährigen Vorverhandlung. Die Stände mußten nämlich die Bewilligung zur Verausgabung der Verlagskosten, die sie aus dem eigenen Hausfonde bestreiten wollten, erst bei der Hofkanzlei einholen; diese aber erhob bei der damaligen ängstlichen Geheimnißkrämerei gegen dieses ganze Vorhaben die ernstesten Anstände, ja wollte dem so „eigenmächtig“ handelnden Archivar sogar eine Rüge ertheilt und ihn einer besseren Ueberwachung unterzogen wissen, gegen welche Maßregelung ihn die Stände als „einen ihrer getreuesten und verläßlichsten Diener“ allerdings mit allem Nachdrucke vertheidigten, zumal er in Allem nur mit ihrer Zustimmung und Gutheißung gehandelt hatte. Unablässig bedacht, den ihm zur Verwaltung anvertrauten Schriftenschatz der Stände noch weiter zu bereichern, unterzog er sich auch der bis dahin von Jedermann gescheuten Bemühung, ein großes Gewölbe, voll von längst dem Moder und der Vergessenheit überlassenen Buchhaltungsacten, welche über das Steuerwesen, die Landesgebarung und die Culturzustände der früheren Zeit die interessantesten Aufschlüsse darboten, genau zu untersuchen, die Acten zu sichten und die von historischem Belange in sorgfältigere Verwahrung zu bringen. Hier müssen auch jene vielen gründlichen und oft umfangreichen Ausarbeitungen über verschiedene Landesangelegenheiten erwähnt werden, die Wartinger infolge amtlicher Aufträge geliefert hat, und die es werth sind, daß man sie in den amtlichen Actenbündeln oder im Landesarchive aufsuche und auf geeignete Weise benütze. Dergleichen sind die Abhandlungen über den Ursprung und die Veränderungen des Getränkdazes in Steiermark; über den ständischen Fleischaufschlag; über das Entstehen des Marchfutterhavers; [120] über die Grenzstreitigkeiten der Steiermark mit Ungarn; über das einst vom Lande erkaufte Recht, den Juden den Getreidehandelt und selbst den Aufenthalt darin zu verweigern; über den Ursprung der Landessanitätsanstalten; über das Entstehen eines großen Theiles der ständischen Schulden durch die Uebernahme von Millionen an Hofschulden; über das Recht der Stände, das steiermärkische Incolat zu verleihen und zu verweigern; über deren Recht, den Landeshauptmann selbst zu wählen, aus eigener Machtvollkommenheit Landtage einzuberufen und auf denselben über jeden Gegenstand ohne vorhergehende Anzeige bei der Regierung frei zu verhandeln; über den Silberbergbau in Zeiring und mehrere gold- und silberführende Gewässer des Landes, sowie über verschiedene andere Angelegenheiten und Verhältnisse des öffentlichen Lebens. Höchst erfolgreich für die Landesgeschichte war vor Allem Wartinger’s langjährige und unermüdliche Wirksamkeit am Joanneum. Gleich nach Gründung dieses Instituts 1811 forderte der edle Stifter desselben ihn durch ein sehr huldvolles Handschreiben auf, alle seltenen Urkunden, Patente und andere wichtige Schriften im Lande aufzusuchen und für dieses Landesmuseum in der Ur- oder mindestens in getreuer Abschrift zu erwerben. Mit freudiger Bereitwilligkeit unterzog sich Wartinger nun diesem ausgedehnten Sammelgeschäfte. Er unternahm in dieser Absicht, vom Erzherzoge und von den Ständen mit Vollmachten ausgerüstet, während der Jahre 1812 bis 1817 mehrere Reisen durch alle Theile von Steiermark, in das Nachbarland Kärnten und nach dem an historischen Hilfsquellen reichen Mittelpunkte der Monarchie, nach Wien. Durch diese persönlichen Bemühungen und durch namhafte Geldopfer, die er dem jungen Institute bei dessen beschränkter Dotation durch die größtentheils eigene Bestreitung der Reisekosten im Stillen darbrachte, verschaffte er ihm gleich anfangs über 3000 Originalurkunden, sowie eine noch viel größere Menge unter seiner Aufsicht genau angefertigter Urkundenabschriften, und legte in dieser Art gleichsam den ersten Grund zum Joanneumsarchive. Von allen Seiten wurde reichlich beigesteuert. Wartinger brachte nun die anfangs ganz chaotische Masse von Archivstücken nach Gegenständen, Ländern und Ortschaften der Zeitfolge gemäß in Ordnung, verfaßte über sie ein verläßliches Verzeichniß und besorgte die ursprüngliche Anlage eines alphabetisch-chronologischen Namenindex über alle in den Urkunden erwähnten Personen, Ortschaften, Berge, Gewässer und andere Objecte. Insbesondere ließ Wartinger es sich angelegen sein, die Privilegien der Städte und Märkte des Landes zu sammeln und dadurch deren Einwohnern, sowie den Geschichtsschreibern und Topographen die Kenntniß der Rechte derselben zu erleichtern. Aus den 800 Freibriefen, die er auf solche Art zusammenbrachte, ließ er sogar jene von Graz, Bruck, Eisenerz, Vordernberg und Tüffer auf eigene Kosten in Druck legen und widmete den ganzen Ertrag des Verkaufes derselben den beziehungsweisen Ortsarmen. Dabei ertheilte er sowohl den Ständen und anderen öffentlichen Behörden als auch einzelnen Privatpersonen häufig Auskünfte in historischer, genealogischer, heraldischer und selbst in rechtlicher Beziehung, die sich stets durch Gründlichkeit und wahrheitsgetreue Unparteilichkeit auszeichneten. Anderseits weckte er in manchem studirenden Jünglinge die Lust zum Studium [121] der Diplomatik, unterwies manchen in der Kunde, alte Urkunden zu lesen, und machte manchen mit der Sprache, den Sitten und Einrichtungen des Mittelalters vertraut. Nicht minder groß als um das Archiv waren auch Wartinger’s Verdienste um das Münz- und Antikencabinet des Joanneums, zu deren Ordnung, Aufstellung und wissenschaftlicher Bearbeitung er gar nicht verpflichtet war. Das Fach der Numismatik war ihm bisher ganz fremd geblieben, aber seine Liebe zu Allem, was mit der Geschichte zusammenhängt, ließ ihn alle Hindernisse überwinden. Schon in vorgerückten Lebensjahren, ohne alle literarischen Hilfsmittel außer Eckhel’s Katalog, entschloß er sich zum Studium dieses schwierigen Wissenszweiges, zu dem er allerdings die gründliche Kenntniß der altclassischen und die Vertrautheit mit den wichtigsten neueren Sprachen Europas mitbrachte. Er schaffte sich sogleich selbst die zu seiner fachmännischen Ausbildung in diesem Gebiete nöthigen Werke an und brachte es in wenigen Jahren dahin, daß er, wiewohl er nur einen einzigen Aufsatz über Münzkunde veröffentlicht hatte, vermöge seiner ausgebreiteten Münzenkenntniß doch thatsächlich zu den vorzüglichsten Numismatikern der Monarchie gezählt werden durfte. Da die Münzensammlung ursprünglich nur sehr unbedeutend war, so suchte Wartinger um so mehr jede günstige Gelegenheit auf, um auch diese durch vortheilhaften Tausch oder billigen Ankauf aus dem sparsamen Cabinetsfonde, ja nicht selten aus seinen eigenen Mitteln zu vermehren und nicht nur steiermärkische und höchstens gesammtösterreichische Münzen zu sammeln, sondern seinen Sammeleifer auf auswärtige Münzen auszudehnen. Er eiferte auch viele Gönner an, das unter seiner Aufsicht stehende Münzcabinet mit vielen, mitunter sehr kostbaren Spenden zu bedenken. So stieg denn dessen Münzenschatz während Wartinger’s Amtsführung auf nahezu 20.000 Stück. Um eine genaue und gleichzeitig belehrende Uebersicht über die ganze schöne Sammlung zu gewähren, bearbeitete er einen nach Eckhel’s System geordneten Katalog derselben, fügte diesem eine Erklärung der auf den Münzen vorkommenden Aufschriften und Bilder bei und begleitete vorzugsweise die Kaiser- und Familienmünzen mit historischen und genealogischen Bemerkungen. Zugleich trug er Sorge, die Sammlung in zweckmäßiger Weise aufzustellen und dadurch dem Publicum deren bequeme Beschauung zu ermöglichen. Er verwendete hiezu seit 1826 Kästen seiner eigenen sinnreichen Erfindung, deren pultartiger Deckel aus einer zwischen zwei umrahmten Glastafeln eingeschobenen Platte von Pappe bestand, in welche die interessantesten Münzen in der Art eingelassen waren, daß man sie, wenn der drehbare Deckel gewendet wurde, von beiden Seiten besichtigen, aber nicht berühren konnte, während die übrigen innerhalb der unteren Räume verwahrt waren. Diese Vorrichtung erfreute sich bald bei allen Besuchern des Cabinets so großen Beifalles, daß sie auch anderwärts, namentlich in den Landesmuseen von Linz, Laibach und Innsbruck, nachgeahmt wurde. Auch ging er vielen Privatpersonen, welche Münzensammlungen schon besaßen oder erst anlegen wollten, so unter Anderen dem Abte Ludwig von Rein bei der Anlage der Münzensammlung im dortigen Stifte, eifrig an die Hand. Nun sei auch noch bemerkt, daß Wartinger den historischen Verein für Steiermark, Kärnten und Krain in das Leben gerufen [122] und ihm die Aufgabe gestellt hat, Alles, was die Geschichte dieser durch gleiche Schicksale und gemeinsame Fürsten eng verbundenen Länder betrifft, zu erforschen, zu sammeln, zu ordnen und zu bewahren, und dem vaterländischen Publicum die Ergebnisse dieser Thätigkeit in jährlichen Druckheften bekannt zu geben. Dieser Gesammtverein für Innerösterreich mit der aus Bevollmächtigten der erwähnten drei Kronländer bestehenden Centraldirection in Gratz sollte sich in der Art gestalten, daß jedes derselben seinen eigenen Landesverein mit einem leitenden Ausschusse in seiner Hauptstadt bildet und in dieser jährlich eine allgemeine Versammlung seiner Mitglieder abhält, während der Gesammtverein sich von Jahr zu Jahr abwechselnd in Gratz, Klagenfurt oder Laibach zusammenfindet. Wartinger theilte dieses sein Vorhaben zunächst dem damaligen ständischen Verordneten und Joanneumscurator Ludwig, Abt zu Rein, dem Professor Dr. Albert v. Muchar und Ritter v. Leitner mit, und man kam sogleich überein, den Erzherzog Johann zu ersuchen, sich an die Spitze dieser Unternehmung zu stellen und bei der Regierung, die zu jener Zeit alles Vereinswesen und fast noch mehr die Verbreitung der Kenntniß einer wahrheitsgetreuen Geschichte mit sehr mißtrauischen Augen betrachtete, durch sein Ansehen und gleichsam durch seine persönliche Bürgschaft die erforderliche Genehmigung zu erwirken. Zu diesem Behufe wurde ein an den Erzherzog gerichtetes Gesuch verfaßt, von den oben Genannten mit ihrer Unterschrift versehen und dann von Wartinger zur Mitunterfertigung auswärtiger Schriftsteller und Freunde der Geschichte nach Klagenfurt und Laibach gesendet. Der Erzherzog willfahrte mit der wärmsten Antheilnahme der an ihn gestellten Bitte, legte die von Muchar entworfenen und mit dem Gratzer Comité berathenen Vereinsstatuten fürwortlich an die Hofstelle vor und erwirkte glücklich die kaiserliche Genehmigung vom 27. April 1843 zur Gründung des beabsichtigten Vereines. Die erste Frucht der Wirksamkeit desselben war die Veröffentlichung des 1. Heftes der „Schriften des historischen Vereines für Innerösterreich“ im Jahre 1848. Leider blieb dieses erste Heft auch das letzte des Vereines. Die politischen Ereignisse jenes Jahres erhöhten in überschwänglicher Weise das Unabhängigkeitsstreben der einzelnen Kronländer Oesterreichs, und somit konnte auch der lose Verband des innerösterreichischen historischen Vereines sich in dem allgemeinen Sturme nicht mehr behaupten, vielmehr zerfiel dieser in drei selbständige Vereine für die bisher verbunden gewesenen drei Kronländer, und jeder derselben, wirkte nun für seinen sonderheitlichen Zweck. Jener für Steiermark schloß sich hinsichtlich seines Sammelgeschäftes unmittelbar an das Joanneum an, indem er die von ihm erworbenen Gegenstände nicht gesondert aufstellte, sondern damit nur die gleichartigen Cabinete dieses Landesmuseums zu bereichern bemüht war. Noch sei, um das Bild der verdienstlichen Thätigkeit Wartinger’s zu vervollständigen, einiger anderen von ihm bewerkstelligten Gründungen gedacht, die zwar nicht auf die Förderung der vaterländischen Geschichte Bezug haben, aber in deren culturhistorischem Theile selbst Erwähnung verdienen. Es wurde bereits erwähnt, daß er mit zwei Amtsgenossen den Grund zur Bibliothek am Gymnasium in Marburg gelegt und eine Preismedaille für das Studium der Geschichte an jenem in Gratz gestiftet hat. In ähnlicher [123] Weise verwendete er auch seine Gehaltsbezüge für die wiederholte Supplirung der Lehrkanzel der Philosophie zum Ankaufe von ständischen Obligationen im Betrage von 800 fl., den er später noch um 100 fl. vermehrte, und widmete die jährlichen Zinsen dieses Capitals laut des Willbriefes vom 24. October 1812 zur Anschaffung einer silbernen Preismünze für jenen Studirenden, der im Fache der praktischen Philosophie den Vorzug vor allen Mitbewerbern verdienen würde. Als ihm 1817 für die Besorgung des Joanneumsarchives eine Belohnung von 300 fl. zugewiesen wurde, begann er zur Aufmunterung der Candidaten des Landschuldienstes, welche gewöhnlich in sehr drückenden Verhältnissen leben, silberne, und bei besonderer Würdigkeit derselben auch goldene Prämien zu vertheilen; und als ihm 1820 die Mutter durch den Tod entrissen wurde, übergab er, statt ihr ein prunkvolles Denkmal zu errichten, zur Erinnerung an sie, die stets eine eifrige Pflegerin der Obstbaumzucht[WS 6] gewesen, der steiermärkischen Landwirthschaftsgesellschaft jährlich einen Betrag von zwanzig Gulden mit der Bestimmung, daß jene drei Schullehrer, welche die meisten jungen Leute in der Anpflanzung und Veredlung von Fruchtbäumen am besten unterrichten würden, mit Preismünzen aus Silber ausgezeichnet werden sollten, deren Prägestempel er aus dem Erträgnisse einer von ihm gelösten Musterweingartenactie beizuschaffen anordnete. Endlich widmete er sogar noch durch seine letzte Willenserklärung sein Vermögen, etwas über 5400 fl. Conv.-Münze, einer patriotischen Stiftung, indem er zwar dessen Zinsengenuß seinen weiblichen Verwandten, den treuen Pflegerinen seines hohen Greisenalters, für deren Lebensdauer zuwies, das Capital selbst aber dazu bestimmte, daß aus dessen Jahreserträgnissen zwei Stipenden gegründet werden sollten, für deren Bezug er die strenge Bedingung festsetzte, daß ein mit einem solchen Stipendium betheilter Jüngling, wenn er nicht aus allen Gegenständen die Vorzugsclasse erringt, es wieder verliere. Wir schließen nun diese Lebensskizze mit der Uebersicht seiner im Druck erschienenen Arbeiten und der ihm gewordenen Ehren. Wartinger hat durch den Druck Nachstehendes veröffentlichen lassen: „Kurzgefasste Geschichte der Steiermark“ (Gratz 1815, Ferstel; 2. Schulausgabe ebd.; 3. verm. Ausgabe 1851, 8°.); – „Privilegien der Stadt Gratz“ (ebd. 1836); – Privilegien der Stadt Bruck“ (ebd. 1837); – Privilegien der Märkte Vordernberg, Eisenerz und Tüffer“ (ebd. 1841); – „Beitrag zum steiermärkischen Dazwesen, begleitet von den wichtigsten Dazpatenten“ (Gratz 1828, 8°.); – Ὑμνος εἰς τα γενεϑλια του Κυριου σωτηρος ἡμων Ισου Χριστου ex Autographo Christophori Freii“ (ib., 1847); – „Ablösungen der Urbarialdienste im 14. und 15. Jahrhundert“ (ebd. 1849). In Sammelwerken und Zeitschriften zerstreut: in der steiermärkischen Zeitschrift: „Büchercensuranstalt in Gratz im sechszehnten Jahrhundert“ [Bd. VIII, 1827, S. 145]; – „Auszug aus der Wolkensteiner Landesgerichtsordnung vom Jahre 1478“ [ebd., S. 147]; – „Ueber das Befugniß der Juden in Steiermark mit Getreide zu handeln“ [ebd., S. 149]; – „Musikanten-Compagnien in Gratz“ [ebd., S. 159]; – „Silberhältiges Bleibergwerk in Pusterwald“ [eb., S. 160]; – „Leibeigene Stadtbewohner im 14. Jahrhundert“ [ebd., S. 160]; – „Aeltere plastische Künstler in Steiermark“ [Bd. XI, 1833, S. 97]; – „Edelsinn eines Galler“ [Bd. XII, S. 86]; – „Ursprung von Spital am Semmering“ [124] [1834, S. 82]; – „Beiträge zu des Geographen Vischer Lebensbeschreibung“ [ebd., S. 76]; „War Leibnitz je eine Stadt?“ [1835, Bd. II, S. 19]; – „Märkte in Steiermark, die einst Städte waren oder genannt wurden“ [1835, S. 92]; – „Frühere Besitzer des Joanneumgebäudes“ [1836, S. 86];– „Entstehung des Landhauses oder Ständehauses in Gratz“ [1838, S. 118]. In den Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark: „Die älteste Originalurkunde im Joanneumarchiv. Mit Anmerkungen von Dr. Johann Ritter von Jenull“ [1850, Bd. I, S. 83]; – „Peinliches Urtheil aus einem Kloster vom 15. Jahrhundert“ [ebd., S. 96]. Im Gratzer Unterhaltungsblatt Der Aufmerksame: „Beiträge zur ältesten Geschichte der Steiermark“ [1813, Z. 63]. In der Gratzer Zeitung: „Bemerkungen zu G. Fr. Schreiner’s Aufsatz: Ueber die heutzutage einzig richtige Schreibung des Namens der Stadt Grätz“ [1845]; In Hormayr’s Taschenbuch für vaterländische Geschichte: „Die Murschifffahrt stromaufwärts“ [1820]; – „Etwas über die Stadt Ziup und ihre Nachbarschaft“ [ebd.]. In der Ersch und Gruber’schen Real-Encyklopädie: „Geschichte des Herzogs dann Kaisers Albert I.“ [I. Section, Bd. II, S. 145]; – „Geschichte des Herzogs Albert II. von Oesterreich“ [ebd., Seite 391]; – und schließlich der einzige numismatische Aufsatz: „Domitians Münze auf Titus’ Vergötterung“, in der steiermärkischen Zeitschrift, 1827, Band VIII. S. 146 mit einer lithogr. Tafel. Ein so reiches selbstloses und verdienstliches Wirken und Schaffen fand auch Würdigung und Anerkennung. Im Jahre 1819 ernannte ihn die k. k. steiermärkische Landwirthschaftsgesellschaft welcher er aus dem gräflichen Purgstall’schen Archive die Schriften der bereits im vorigen Jahrhundert in Steiermark bestandenen Ackerbaugesellschaft verschafft hatte, zu ihrem Mitgliede und erfreute ihn 1846 durch die Verleihung der großen Gesellschaftsmedaille, die ihm deren Präsident Erzherzog Johann eigenhändig übergab. 1835 übersandte ihm der historische Verein für den baierischen Untermainkreis das Diplom als Ehrenmitglied, welche Auszeichnung ihm später auch die gleichartigen Vereine von Steiermark, Kärnten und Krain zutheil werden ließen. 1836 übertrug ihm der Magistrat von Gratz aus eigenem Antriebe das Ehrenbürgerrecht dieser Hauptstadt; 1843 schmückte Kaiser 'Ferdinand I. auf Antrag des steiermärkischen Landtages vom 20. September 1842 unseren Gelehrten mit der großen goldenen Civilverdienstmedaille; 1848 ernannte ihn die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien zu ihrem correspondirenden Mitgliede, und 1856 verlieh die vaterländische Karl Franzens-Universität dem ehrwürdigen Greise den Doctorsgrad der Philosophie, dessen Diplom ihm Decan und Prodecan der Facultät überreichten. Um sein Andenken aber auch noch für die spätesten Nachkommen festzuhalten, wurde von Gemeinderath vom Gratz die zweite Parallelgasse, welche von der Seite der Mur gegen das Innere der Grabenvorstadt führt, nach seinem Namen benannt. So hat Wartinger zur Hebung der geistigen Cultur seiner engeren Heimat in geräusch- und anspruchsloser Thätigkeit lebenslang gewirkt und Beachtenswerthes, ja Bleibendes nicht etwa aus der bequemen Fülle des Ueberflusses, sondern aus den erkargten Ersparnissen [125] der mühsam erworbenen Früchte seines Fleißes für Gegenwart und Zukunft geschaffen, was ihn ja eben eines ehrenvollen Gedächtnisses für immerdar würdig macht.

Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1862 (Wien, Hof- und Staatsdruckerei, 8°.) S. 50. – Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark (Gratz, gr. 8°.) XX. Heft: „Dr. Joseph Wartinger,“ Von C. G. Ritter von Leitner. – Gratzer Zeitung, 1861, Nr. 149 und 150: Joseph Wartinger. Von Dr. F(ranz) M.(itterbacher); – 1865, Nr. 58 und 59 im Feuilleton: „Joseph Wartinger“. – Wiener Zeitung, 1861, Nr. 143, S. 2271: „Joseph Wartinger“ [mit oberflächlichen, lückenhaften, unrichtigen, eines amtlichen Blattes unwürdigen Angaben über einen der verdienstvollsten Männer des Kaiserstaates]. – Gratzer Volksblatt, 1870, Nr. 120 und 121 im Feuilleton. Von Dr. R. Peinlich. – Tagespost (Gratzer). 1861, Nr. 150, 155 und 156: Joseph Wartinger. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1832) Bd. VI, S. 37. – (Hofrichter’s) Lebensbilder aus der Vergangenheit (Gratz 1863, Leyner, 8°.) S. 9: „Wartinger und Gottweiß“. – Fest-Programm des k. k. Gymnasiums in Marburg zur Erinnerung an die hundertjährige Jubelfeier dieser Lehranstalt (Marburg 1858, Janschitz und Sohn, gr. 8°.) S. 97, 109. – Luschin (A. Dr.). „Die steierischen Landhandfesten“ in den Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen (Gratz 1872, 8°.) S. 201 u. f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Elten.
  2. Vorlage: unentgetlich.
  3. Vorlage: Religionslehres.
  4. Vorlage: Erholungstagstagen.
  5. Vorlage: Honoroen.
  6. Vorlage: Ostbaumzucht.