Batalha (das Schlachtenkloster) bei Leiria in Portugal
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in Portugal.
„Von Lissabon nach Leiria sind’s 20 Meilen. Ich hatte die Landreise dahin schon beschlossen, als ich erfuhr, das Portoer Dampfschiff werde auf seiner nächsten Reise an der Mündung des Lys anlegen, um einige Regierungsbeamte an’s Land zu setzen, deren Dienstgeschäfte einen längern Aufenthalt an der Küste erheischten. Leiria liegt nur 8 Stunden von der Küste. Die Gelegenheit festhaltend, ordnete ich schnell meine Angelegenheiten in Lissabon und fuhr den nächsten Tag in aller Frühe ab.“
„Es war ein Märzmorgen, weder heiter und hell, noch warm und drückend: sondern duftig, kühl und erquickend, erinnernd an die ersten Maimorgen der fernen, deutschen Heimath. Wie im Fluge rauschte der Dämpfer den Tajo hinab, dessen fernrückende Ufer sich unserm Auge bald im Nebelflor verbargen. Selten zeigte sich ein Segel auf der dünstenden Fluth, und dieß nur auf Augenblicke: denn so schnell gleiteten wir den Strom hinab, daß jeder begegnende Gegenstand gleich wieder verschwand. Der alte maurische Wächter des Tajo, Belem, rief uns seinen Gruß donnernd in die offene See nach, und der herrlichste Tag folgte dem nebeligen Morgen. Spiegelglatt war das Meer, und während die Segelschiffe in der Windstille fast unbeweglich liegen bleiben mußten, durchschaufelten wir die Fluth ohne Rast. Zuweilen näherten wir uns der Küste, die bald flache Landzungen, bald Vorgebirgshäupter mit Mauerkronen uns entgegenstreckte; – meistens aber blieb sie zu fern, sie zu erkennen. Der Nachmittag wurde sonnig und warm. Die heiterste Stimmung belebte die Schiffsgesellschaft. Alles sammelte sich gegen Abend auf dem Verdeck, und holder Frauengesang sagte der scheidenden Sonne, welche die schimmernde Fläche mit rother Gluth übergoß, gute Nacht. Selbst die Fische der Tiefe schienen geweckt zu seyn vom hellen Glanze, der in ihr dunkles Reich gedrungen; sie kamen in Schwärmen nach oben. Den Mücken in der Abendsonne gleich, trieben sie allerlei Spiel und wurden dabei so übermüthig und muthwillig, daß sie oft aus dem Wasser schnellten, Purzelbäume in der Luft machten und Räder schlugen. Delphine schossen hin und her und schreckten die spielenden Schaaren, oder sie ließen sich von den glühenden Wellen schaukeln.“
[14] „Am andern Morgen war die Höhe von Leiria erreicht und wir steuerten nun gerade östlich gegen die Küste los. Es kam eine niedrige Landzunge zum Vorschein, hinter derselben ragten die Thürme von Vicera. Dies war das Ziel. Tiefe Ruhe herrschte auf dem Wasser, tiefe Ruhe auf dem Lande vor uns; kein Segel war sichtbar, ein paar Schifferbarken schlummerten noch in einer kleinen Bucht. Als wir uns dem Lande näherten, störte das Rauschen unserer Schaufelräder die Seevögel aus dem Morgenschlafe, und ganze Wolken von Pelikanen, Möven, Tauchern und Strandläufern erhoben sich mit schallendem Flügelschlage. Ihre Anzahl setzte uns in Erstaunen und Mancher sah voll Lüsternheit den unerschöpflichen Waidmannsschatz, den zu heben der träge Portugiese nicht der Mühe werth hält.
In dem kleinen Hafen von Vicera stiegen die Regierungsbeamten und ich aus; das Dampfschiff aber, welches an demselben Tage noch Porto erreichen wollte, setzte ohne Aufenthalt seine Fahrt fort. Auf die Fürsprache der portugiesischen Herren bekam ich schnell Fuhrwerk nach Leiria, wo ich, fast zermalmt auf dem ganz schlechten Wege, doch ohne Unfall, am späten Nachmittag anlangte.
Leiria ist eine stille, in einer fruchtbaren Niederung gelegene Stadt von fast 8000 Einwohnern. Früher war sie bedeutender und unter den Römern groß. Sie liegt am Fuße eines Felsens, von dem das uralte Castrum halbzerstört mit finsterer Herrschermiene über die weite Ebene schaut. – Die Stadt selbst hat Nichts, was die Mühe einer beschwerlichen Reise lohnen könnte; – der Magnet, der Tausende von Reisenden herbeizieht, liegt außer ihren Mauern: es ist das weltberühmte Kloster Batalha. Es war auch mein Ziel und ich widmete seinem Besuche den nächsten Tag.
Batalha ist, wie man allgemein anerkennt, das schönste Spezimen des germanischen Kirchen-Baustyls auf der ganzen Halbinsel. Als Bauwerk ist solches um so bewundernswürdiger, da es zu einer Zeit ausgeführt wurde, wo man in Spanien und Portugal die verschiedenartigsten germanischen und maurischen Formen zusammen zu mengen gewohnt war.
Auch Kloster Batalha dankt, wie so viele ähnliche, seine Entstehung jenem Glauben des Mittelalters, demgemäß kein Ereignis im Privat- und öffentlichen Leben anders als unter der Mitwirkung oder dem Patronate irgend eines aus der Heiligenschaar geschehen konnte; – jenem Glauben, der alles Lebendige wie Leblose, von dem emporstrebenden Münster bis zum tiefsten Bergschacht, und vom Altare Gottes bis zum Weinfaß, unter den besondern Schutz eines jener himmlischen Prätorianer stellte, mit denen Roms Bischöfe den Thron des Herrn aller Welten so freigebig umringt haben.
Auf der Haide nämlich, wo jetzt das Schlachtenkloster prangt, standen sich am 14. August 1385 zwei christliche Könige, Johann von Portugal und Johann von Castilien, mit ihren Rittern und Knechten, zum Entscheidungskampfe [15] entschlossen, einander gegenüber. Jeder der Könige hatte seinen Beichtvater bei sich, jeder betete um den Sieg zu seinem Schutzheiligen und bot, als wäre der Lenker der Schlachten bestechlich wie ein Schurke auf irdischem Richterstuhl, hohe Preise für einen glücklichen Ausgang. Bei solchen Gelegenheiten geschah es häufig, daß sich die Gegner einander in den enormsten Gelübden überboten: – denn schlau nährte die Kirche den Glauben, daß Demjenigen, welcher am meisten gelobte, am meisten geholfen werde. Daß die Kirche dabei den Receveur-General machte, daß deren Hand vermittelnd empfing, was Gott und den Heiligen versprochen war, konnte in einer Zeit keinen Anstoß geben, wo man für einen Dreier sammt einem Heiligenbild die ewige Seligkeit zugleich erkaufen konnte! Der castilische Johann versprach viel, aber der portugiesische Johann versprach noch viel mehr seiner Patrona Maria, und ihm wurde der Sieg. 6000 Portugiesen erschlugen von 33,000 Castiliern die Hälfte. Dreitausend Ritter, die Blüthe des castilischen Adels, hauchten auf dem blutgetränkten Moore ihr Leben aus. Auf der Stelle nun, wo sich der Sieg entschieden hatte, machte Johann von Portugal sein Gelübde, ein Kloster zu bauen für Jungfrauen, herrlicher als alle andern der Christenheit, zur That, und folgend dem Rufe des reichen Königs kamen aus dem fernen Britannien und aus Deutschland die Genossenschaften der Mauerer und Werkleute, den Wunderbau aufzurichten. Den Plan dazu machte ein Engländer, Namens Stephenson; zumeist deutsche Werkleute aber führten ihn aus. Von 1386 bis 1509 wurde anhaltend daran fortgebaut, doch ganz fertig ward es niemals. König Emanuel, der hier begraben liegt und die Vollendung gelobt hatte, starb darüber, und nach seinem Tode gab man den Plan auf.
Das Kloster sollte nach dem ursprünglichen Gelöbniß des Stifters ein Frauenkloster werden. Doch als es wohnbar war, offenbarte dem Könige sein Beichtvater, ein Dominikaner, es sey ihm im Traum die Jungfrau Maria erschienen und habe ihm bedeutet, sie wünsche die Stiftung einem Mönchsorden zuzuwenden, und sie habe dabei bedeutungsvoll hingesehen auf das Bild des heil. Dominikus. Der König, zweifelhaft, was er nun thun solle, berief die höchste Geistlichkeit seines Reichs zu einem Rathe, und legte ihr die Frage zur Entscheidung vor. Diese aber beschied ihn, daß allerdings der heil. Dominikus in besondern Gnaden bei der heil. Jungfrau stände, und es darum ganz glaubhaft sey, daß sie das Kloster dem Dominikanerorden zuzuwenden wünsche: daraufhin sich der König beruhigte und Batalha, statt mit Nonnen, mit einer großen Schaar rüstiger Dominikaner-Mönche bevölkerte. Als er später über die Ungesundheit der Lage in der Niederung Bedenken äußerte und sich Skrupel machte, tröstete ihn seines Beichtigers Bemerkung: Feuriges Gebet und feuriger Wein seyen sichere Mittel gegen nachtheilige Einflüsse der Feuchtigkeit. Johann nahm den Wink zu Herzen und der Weinkeller des Klosters von Batalha wurde mit den besten Gewächsen gefüllt und durch Zehnten so sorgfältig bedacht, daß er nie leer werden konnte.
[16] Kirche und Kloster bedecken einen Raum von 420 Fuß Breite und 530 Fuß Länge. Die Kirche und der größte Theil der Klostergebäude sind von weißem Marmor aufgeführt, der dem cararischen an Schönheit gleichkommt. In der Kirche entfaltet sich die Herrlichkeit des altdeutschen Styls in unbeschreiblicher Pracht. Ein wunderbarer Reichthum von Ornamenten umschlingt und verbindet alle Darstellungen. Leider sind die in Licht und Gluth gemalten Glasbilder der Fenster jetzt verschwunden, wegen welcher Batalha so berühmt war. Das große Erdbeben, welches 1558 Lissabon zerstörte und auch einen Theil dieses Prachtbaus einstürzte, ließ davon nur Scherben zurück. – Seit dieser Catastrophe blieb Batalha in einigen seiner Theile Ruine; denn so viele Pläne auch in Lissabon zur vollständigen Restauration des Wunderwerks gemacht wurden, so ist es doch nie zur That gekommen. Die Geldkräfte des Klosters reichten nicht weiter, als zur Ausbesserung des Chors und der Wohnungen.
Batalha ist die Grabstätte vieler Beherrscher Portugal’s, und eine Reihe imposanter Denkmäler schmücken ihre Grüfte. Das älteste ist das des Stifters, des Königs Johann; schöner noch ist das im Stahlstich dargestellte des Königs Emanuel (gebaut zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts); es fällt in die Blüthezeit der Kunst und ist ihrer würdig. Raphael selbst soll die Zeichnungen zu den Ornamenten gemacht haben. Ein Theil der Decke dieser Capelle ist indeß auch eingestürzt und auf dem vom Regen getränkten Marmorboden wächst das Gras. In wenigen Jahrzehnten wird wohl der ganze Bau ein Trümmerhaufe seyn; denn das Kloster hat aufgehört, eine Anstalt für viele Mönche zu seyn; nur noch ein paar alte Priester hüten den Tempel. Der berühmte Weinkeller wird den Fremden zwar gezeigt, aber er ist leer. – Auch der kostbare Kirchenschatz ist größtentheils verschwunden. Die zentnerschweren Armleuchter von Silber und andere Kirchengeräthe wurden 1808 theils mit dem königlichen Schatze nach Brasilien geflüchtet, theils sind sie später in die Münze gewandert. Nur die Reliquien, Gebeine und Knochen von Aposteln und Märtyrern, ein Stück vom wahren Kreuze Christi, ein Lappen vom Rock der heil. Jungfrau und einer vom Schweißtuch des Herrn, Dinge freilich, die man nicht in die Münze schicken konnte, sind noch da zum Troste vieler Gläubigen, und ihre Behälter funkeln von Glaspasten, wie ehedem von Rubinen und Diamanten. –