Beobachtungsstationen der Vögel Deutschlands

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Autor: R.
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Titel: Beobachtungsstationen der Vögel Deutschlands
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 573–574
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Beobachtungsstationen der Vögel Deutschlands.

Wir wenden uns wieder einmal an unsern weiten Leserkreis, um im deutschen Volke „Freiwillige“ für einen Ehrendienst bei der Wissenschaft zu werben. Wie dies schon wiederholt bei meteorologischen Beobachtungen etc. geschehen ist, wenden sich jetzt Gelehrte an das Volk, mit der Bitte um Hilfe bei der Erforschung unserer heimischen Vogelwelt. Der Kreis der Freunde und Kenner der gefiederten Sänger ist bekanntlich ungemein weit, und so können wir wohl hoffen, daß die nachfolgenden Worte eines unserer hervorragendsten Ornithologen nicht ungehört verhallen.

*  *  *

Seit Anfang dieses Jahrhunderts sind hervorragende Naturforscher, durch tüchtige Mitarbeiter unterstützt, unablässig bemüht gewesen, auf Grund systematischer Forschung die vaterländische Vogelkunde zu fördern, unsere Kenntniß der einheimischen Vogelwelt zu erweitern und zu vervollständigen. Die Namen „Bechstein“, „Brehm“ und „Naumann“ sind die leuchtenden Vorbilder, nach welchen auch gegenwärtig an dem Ausbaue des von diesen ausgezeichneten Forschern begonnenen Werkes unermüdlich gearbeitet wird. Trotzdem hat die europäische, insonderheit die deutsche Ornithologie, noch zahlreiche Lücken aufzuweisen. [574] Nvch immer ist die Verbreitung vieler unserer einheimischen Vogelarten nicht mit vollständiger Genauigkeit festgestellt, noch begegnet man vielfachen Widersprüchen bezüglich der Lebenserscheinungen mancher Arten, und das Kapitel der Zugstraßen unserer nordischen Wanderer, welchem erst in neuerer Zeit ein allgemeineres Interesse zugewendet wurde, harrt noch der Bearbeitung, denn die in letzterer Beziehung bis jetzt vorliegenden Beobachtungen sind zu dürftig, um eine einigermaßen sichere Basis zu gewinnen, und vermögen noch keine thatsächlichen Stützen für die Hypothesen zu liefern, welche von Theoretikern aufgestellt wurden.

Um diese Lücken allmählich auszufüllen, Fragen zu beantworten, welche auch für andere Gebiete der Naturwissenschaft die weitesttragende Bedeutung haben, beschloß die „Allgemeine deutsche ornithologische Gesellschaft“ auf ihrer Jahresversammlung in Braunschweig im Jahre 1875, in Folge eines von Dr. Anton Reichenow gestellten Antrages, die Einrichtung ornithologischer Beobachtungsstationen. Der von dem Antragsteller ausgearbeitete und von der erwähnten Versammlung angenommene Plan ging dahin, in den verschiedensten Theilen Deutschlands Mitarbeiter zu werben, welche, mit der Vogelwelt ihres Wohngebiets vertraut, in der Lage wären, über die daselbst vorkommenden Vogelarten Auskunft zu geben, und welche ferner sich bereit erklärten, fortgesetzt das Leben der gefiederten Welt zu beobachten und über Ankunft und Abzug der Sommergäste, Durchzug der Wanderer, Nistzeit der Brutvögel, sowie über auffallende biologische Erscheinungen an eine Centralstelle, den seitens der ornithologischen Gesellschaft eingesetzten Ausschuß, zu berichten. Durch Zusammenstellung solcher gleichzeitig in verschiedenen Gegenden gesammelten Beobachtungen durfte man hoffen, ein zur Aufklärung mancher zweifelhaften Punkte der Vogelkunde geeignetes Material zu gewinnen. Es gelang damals dem „Ausschuß für Beobachtungsstationen“, die geschätzte Betheiligung von etwa 40 Mitarbeitern zu erlangen. Die auf Grund des aufgesetzten Programms regelmäßig angestellten Beobachtungen wurden in Form von Jahresberichten in dem Organ der Gesellschaft, dem von Professor Cabanis herausgegebenen „Journal für Ornithologie“ veröffentlicht.

Dem Vorgehen der deutschen Gesellschaft folgten im Jahre 1879 die Ornithologen Englands und später diejenigen Nordamerikas. In beiden Ländern wurden nach dem Muster der deutschen Einrichtung, aber unter den günstigeren Verhältnissen einer viel zahlreicheren Betheiligung gleiche Institutionen ins Leben gerufen. Die langen, in nord-südlicher Richtung sich hinziehenden Küsten Englands und Amerikas bieten besonders günstige Gelegenheit zur Beobachtung des Zuges der Wandervögel, und die Notizen, welche seitens der Leuchtthurmwächter fortgesetzt gesammelt werden, stellen, eine Reihe von Jahren durchgeführt, ein werthvolles Material in Aussicht. Auf Anregung des Kronprinzen Rudolph von Oesterreich-Ungarn wurde im Jahre 1882 durch den Ornithologischen Verein in Wien auch für die österreichischen Länder das System ornithologischer Beobachtungsstationen ebenfalls nach dem deutschen Muster eingeführt, und auf dem im Frühjahr 1884 in Wien stattgefundenen internationalen Ornithologen-Kongreß, wo diese Frage zur eingehenden Berathung gelangte, ist ein Komité gewählt worden mit dem Auftrage, für gleiche Einrichtungen in solchen Staaten zu wirken, wo dieselben zur Zeit noch nicht bestehen.

Wenngleich nun die Jahresberichte der deutschen Ornithologischen Gesellschaft, von welchen nunmehr sieben erschienen sind, manche wichtige Notiz bezüglich der Verbreitung und besonders hinsichtlich der Biologie unserer einheimischen Vögel enthalten, so hat doch der Erfolg den gehegten Erwartungen keineswegs entsprochen. Der bisher befolgte Plan, welcher auch in anderen Ländern angenommen wurde, erwies sich als nicht zweckmäßig. Insonderheit haben die aufgestellten Instruktionen und Fragen als zu umfangreich und schwierig sich herausgestellt, indem dieselben vollständig ornithologisch geschulte Beobachter voraussetzen. Mit Rücksicht hierauf wurde von dem Begründer des Beobachtungssystems, Dr. Reichenow, eine Reorganisation desselben beantragt und von der Jahresversammlung der Allg. Deutschen Ornithologischen Gesellschaft im September 1881 zum Beschluß erhoben. Die Umgestaltung betrifft ein allmählicheres, schrittweises Vorgehen, eine dementsprechende Vereinfachung der den Mitarbeitern zugehenden Instruktionen und die Aufstellung ganz bestimmter und zwar zunächst auf eine möglichst geringe Anzahl beschränkter Fragen, um so eine allgemeinere Betheiligung auch weniger geübter Mitarbeiter zu erzielen. Diesem eng begrenzten Plan liegen drei leitende Gesichtspunkte zu Grunde.

1. Feststellung der geographischen Verbreitung der Vögel Deutschlands. Zu diesem Zwecke ist der „Ausschuß für Beobachtungsstationen“ beschäftigt, Karten anzulegen, auf welchen die Verbreitung je einer oder, wenn möglich, mehrerer Vogelarten durch Eintragen der mit unbedingter Sicherheit festgestellten Wohnplätze (wie sie aus der älteren Litteratur oder den eingesandten Notizen der Mitarbeiter sich ergeben) dargestellt wird. So lange als diese Karten, welche eine klare Uebersicht über den gegenwärtigen Stand unserer diesbezüglichen Kenntnisse gewähren werden, wegen Lückenhaftigkeit noch nicht zur Veröffentlichung sich eignen, sollen die Mitarbeiter über die erlangten Resultate durch die Jahresberichte Mittheilung erhalten. Zur kartographischen Darstellung der Verbreitung sind zunächst dreißig bekanntere oder hinsichtlich ihres Vorkommens interessante Vogelarten ausgewählt worden, darunter die im Westen und Osten einander vertretenden Nachtigall und Sprosser, Raben- und Nebelkrähe, der allmählich nordwärts vorschreitende Girlitz und Andere.

2. Feststellung von Zug- oder Heeresstraßen. Da die meisten Wandervögel des Nachts oder in ungeheurer Höhe ziehen, somit meistens nur an der Stimme erkannt werden können, was oft auch für den geübtesten Beobachter schwierig ist, so wurde nur eine geringe Anzahl allgemein bekannter, nicht zu verwechselnder und dabei gewöhnlich während des Tages ziehender Arten, als Storch, Kranich, Reiher, Kiebitz, Wildgans, für die Zugbeobachtungen ausgewählt. Gelingt es durch gleichzeitige zahlreiche Beobachtungen, für die Frühjahrs- und Herbstwanderungen dieser Arten bestimmte Zugstraßen nachzuweisen, so ist eine Basis gewonnen, auf welcher erfolgreich weiter gearbeitet werden kann.

3. Feststellung biologischer Verhältnisse. In dieser Beziehung ist zunächst nur die Frage zur Beantwortung gestellt, bei welchen Vogelarten ein mehrmaliges Brüten innerhalb desselben Sommers beobachtet wurde, und zwar ob dies regelmäßig, häufiger, oder nur ausnahmsweise in besonders fruchtbaren Sommern der Fall war. Im Uebrigen bleibt es den Mitarbeitern überlassen, ihnen auffallende Erscheinungen in der Lebensweise der Vögel dem Ausschuß mitzutheilen.

Je nach der Förderung dieser zunächst in Angriff genommenen Punkte wird es möglich sein, in dem folgenden Jahre neue Fragen zur Beantwortung zu stellen. In Folge eines durch die Tageblätter veröffentlichten Aufrufs haben bereits mehrere hundert Beobachter in allen Theilen Deutschlands ihre Mitarbeiterschaft angemeldet, aber eine noch zahlreichere Betheiligung ist dringend erwünscht. Alle Kenner und Freunde der einheimischen Vogelwelt mögen darum ihre Adresse behufs Empfangnahme der Unterweisungen an den Geschäftsführer des Ausschusses für Beobachtungsstationen, Herrn Dr. Reichenow, Berlin SW., Großbeerenstraße 52, baldigst einsenden. Niemand möge seine Beobachtungen für zu geringfügig halten. Jede, auch die kleinste Notiz wird willkommen sein. R.