Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 15
« Kapitel B 14 | Beschreibung des Oberamts Freudenstadt | Kapitel B 16 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
In einem freundlichen, nicht tief eingeschnittenen Thälchen, welches sich bei Aach mit dem Glatt-Thale vereinigt, liegt hinter Obstbäumen versteckt, etwas still und abgeschieden der nicht große, angenehme Ort, dessen ländlichen, meist ansehnlichen Gebäude noch das unverdorbene Gepräge ächter Schwarzwälder Wohnungen tragen.
Gutes Trinkwasser spenden in Fülle 9 laufende Brunnen und überdieß fließt noch der Stockerbach mitten durch den Ort, daselbst eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, wie auch eine Sägmühle treibend.
An der nördlichen Seite des Orts liegt ziemlich erhöht die Pfarrkirche, deren Langhaus im Jahr 1592 von dem berühmten Baumeister Heinrich Schikhard von Herrenberg erbaut, gleichwohl mit seinen rundbogigen gefüllten Fenstern ein Beispiel des zu jener Zeit ganz heruntergekommenen Kirchenbaustyls liefert. Der mit einem halben Achteck schließende Chor stammt aus früherer Zeit und zeigt noch Spuren seiner ursprünglichen germanischen Bauweise. Der viereckige massive Thurm ist sehr alt und stammt aus einer weit früheren Periode als selbst der Chor; in seinen unteren 3 Stockwerken zeigt er Schußscharten und Bossagen an den Ecken, während das vierte, mit einem Zeltdach versehene Stockwerk spitzbogige und runde Schalllöcher hat. Die beiden Glocken sind 1780 und 1832 gegossen worden. Das verdunkelte und geschmacklose Innere der Kirche hat nichts Bemerkenswerthes. Der Bau der Kirche liegt der Stiftungspflege ob, deren Mittel aber hiezu nicht ausreichen, daher die Reparationskosten nicht selten auf die verheiratheten Bürger umgelegt werden. Der Begräbnißplatz liegt zunächst der Kirche.
Das im Jahr 1702 erbaute, im Jahr 1825 gründlich erneuerte Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staat zusteht, liegt angenehm in der Mitte des Orts und befindet sich in gutem baulichen Zustande.
Das sehr ansehnliche Schulhaus mit der Wohnung des Lehrers und den Gemeinderathsgelassen wurde in den Jahren 1842/43 mit | einem Gemeindeaufwand von 10.000 fl. neu erbaut. An der Schule unterrichtet ein Lehrer; eine Industrieschule besteht seit 5 Jahren.Allhier ist geboren den 26. Februar 1690 Israel Gottlieb Canz, Sohn des hiesigen Pfarrers. Er wurde Diaconus in Nürtingen 1720, Professor in Bebenhausen 1721, Special zu Nürtingen 1733, Professor der Beredsamkeit in Tübingen 1734, der Logik und Metaphysik 1739, der Theologie 1747 ebendaselbst. Er war ein gründlicher Philosoph (einer der bedeutendsten Leibnitzianer) und verdienter Theologe und starb im Jahr 1753.
Die Einwohner sind im Allgemeinen wohlgestaltete, fleißige, geordnete Leute, deren Haupterwerbsquellen in Feldbau, Viehzucht und Arbeiten in den Waldungen bestehen; ihre Vermögensumstände sind befriedigend und es finden sich mehrere Ortsbürger mit einem Grundeigenthum von 60–70 Morgen, während der allgemeinste Besitz 20 bis 25 Morgen beträgt. Vermöge des schon milderen Klimas und der geschützten Lage gedeiht hier die Obstzucht besser als in der ganzen Umgegend und liefert beinahe jedes Jahr einen ziemlich guten Ertrag; es werden außer den gewöhnlichen Mostsorten auch Zwetschgen, etwas Kirschen und einige Sorten Tafelobst gezogen.
Von Gewerben sind, außer den gewöhnlichen Handwerkern, noch 2 Schildwirthschaften, eine Bierbrauerei und ein Kaufmann zu nennen.
Die nicht sehr ausgedehnte Feldmarkung ist, mit Ausnahme einiger unbedeutend eingefurchter Thälchen, meist eben und hat im Allgemeinen einen ziemlich fruchtbaren, aber schwer zu bebauenden, düngerbedürftigen Boden, der vorzugsweise aus den Verwitterungen der oberen thonreichen Schichten des bunten Sandsteins besteht und dem nur an einzelnen unbedeutenden Stellen theils Lehm, theils unfruchtbare Wellendolomite aufgelagert sind. Aus 2 Gruben wird Mergel gewonnen, welcher zur Besserung der Felder benützt wird; auch liefern die Abgänge der im Ort vorhandenen 15 Potaschesiedereien ein gesuchtes Düngungsmittel. Die auf der Markung vorkommende Hafnererde wird von 3 Töpfern verarbeitet. Bei dem im Dreifeldersystem fleißig betriebenen Feldbau sieht man hauptsächlich auf den Anbau von Dinkel und Hafer, während Gerste und Roggen untergeordnet sind; überdieß werden die in der Gegend üblichen Hackfrüchte und Handelsgewächse (Flachs, Hanf) gezogen. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 5–6 Scheffel Dinkel, 4–5 Scheffel Hafer, 5–6 Scheffel Gerste und 3–4 Scheffel Roggen angegeben. Die besten Äcker werden mit 200 fl., die mittleren mit 75 fl. und die geringsten mit 12 fl. pr. Morgen bezahlt. In ergiebigen Jahrgängen | kann noch ein kleiner Theil des Dinkelerzeugnisses nach Außen verkauft werden.Für den ziemlich ausgedehnten Wiesenbau wird hauptsächlich die zur Wässerung eingerichtete Thalebene des Stockerbachs benützt; die Wiesen liefern durchschnittlich 45 Centner meist gutes Futter pr. Morgen und ihre Preise bewegen sich von 100–700 fl.
Die mit einer gewöhnlichen Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht ist beträchtlich und läßt einigen Handel mit Mast- und Schmalvieh zu. Farren sind 2 vorhanden; sie werden von einem Ortsbürger gegen eine Gemeindeunterstützung von jährlich 100 fl. und der Nutznießung von 11/2 Morgen Wiesen gehalten. Austrieb findet nur noch auf die Herbstweide statt. Pferdezucht wird von einigen Bürgern betrieben, dagegen ist die Pferdehaltung ziemlich namhaft. Die Zucht der Schweine ist unbedeutend.
Grünthal gehörte zu den Waldgedingorten und erhielt für seine Gerechtsame im Jahr 1833 800 Morgen Waldungen; hievon erhielt die eine Hälfte die Gemeinde, die andere wurde den berechtigten Bürgern in Theilen von 33/4–12 Morgen überlassen. Überdieß bezieht jeder Bürger jährlich 1/2 Klafter Holz aus den Gemeindewaldungen; der Überschuß des jährlichen Waldertrags wird verkauft und sichert der Gemeindekasse eine Einnahme von etwa 1000 fl. Aus der Schafweide, auf der ein Ortsbürger und ein Bürger von Hallwangen 150 Stücke Bastarde laufen lassen, zieht die Gemeinde einen jährlichen Pacht von 33 fl., nebenbei trägt ihr die Pferchnutzung 60–70 fl. ein. Aus Allmandtheilen bezieht die Gemeindekasse gegen 25 fl. und aus dem ihr zustehenden Fischrecht in den Forellen führenden Gewässern der Markung 10 fl; dennoch beträgt die Gemeindeschadensumlage jährlich noch 700 fl.; s. übrigens über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt Tabelle III.
Auf der Anhöhe zwischen dem Stockerbach und dem Ettebach, wo nach der Sage eine Stadt „Heimenloch“ gestanden seyn soll, fand man schon Grundmauren und Pflaster.
Das Wolfhaus, welches 1/2 Stunde nordwestlich von dem Ort lag, wurde vor etwa 90 Jahren abgebrochen; es war ein herrschaftliches, zur Wolfsbeitze eingerichtetes Gebäude, welches ein Bürger von Frutenhof bewohnte.
Der zur Gemeinde gehörige Weiler Frutenhof, ansehnlich und weitläufig gebaut, ist malerisch auf einem wiesenreichen Terrainvorsprung zwischen Stockerbach und dem Anbach, 1/4 Stunde nördlich von dem Mutterort gelegen. Die natürlichen und landwirthschaftlichen | Verhältnisse gleichen denen des Mutterorts, dagegen sind die Vermögensumstände der Einwohner ganz gering.Seit dem Jahr 1846 hat der Weiler eine eigene Schule, an der ein Lehrer angestellt ist; früher mußten die Kinder den Schulunterricht in Grünthal besuchen.
Gutes Trinkwasser liefern 2 laufende Brunnen in hinreichender Menge.
Der Ort Grünthal, welcher um 1100 (als „Grindelen“) unter den Orten, wo das Kloster Reichenbach Güter erhielt (Cod. Reichenb. 24 a), später Gröndel (1456 Grimm, Weisthümer 1, 381), Grüntel geschrieben wurde, hatte gleichen Wechsel der frühesten Oberherren wie Besenfeld (s. o.), war ursprünglich pfalzgräflich Tübingisch und wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gräflich Ebersteinisch. Er hatte Ortsadelige; von solchen erscheint z. B. im Jahr 1344 Albertus de Grunethal urkundlich (Crusius, Annal. Suev. 3, 244); von benachbarten Herren waren die Böcklin vom Eutinger Thal hier begütert.
Württemberg erkaufte am Ort einen Theil im Jahr 1421 von dem Grafen Bernhard von Eberstein, einen andern Theil im Jahr 1425 für 50 Pfund Heller von Hans Böcklin vom Eutinger Thal.
Ehemals war Grünthal ein Filial des Diaconats Dornstetten; erst 1583, bei Aufhebung dieses Diaconats, wurde eine eigene Pfarrei errichtet. Der Pfarrsatz ist landesherrlich. Filiale der Pfarrei sind, außer dem Frutenhof, Aach, Hallwangen, Ober- und Unter-Musbach und Wittlensweiler. Im dreißigjährigen Krieg, während dessen die Pfarrgemeinde im Jahr 1639 bis auf 190 Köpfe herunterschmolz, wurde dieselbe zeitweise Filial von Dornstetten, auch von Freudenstadt.
« Kapitel B 14 | Beschreibung des Oberamts Freudenstadt | Kapitel B 16 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|