Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel B 22

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Poltringen,
Gemeinde III. Klasse mit 643 Kath. und 7 Evangel. Einwohnern. – Kath Pfarrei. Die Evangel. sind nach Reusten eingepfarrt.
Das Dorf Poltringen, mit einem dem Freiherrn von Ulm gehörigen Schloß, hat eine angenehme, gegen Norden geschützte Lage in dem schmalen Ammerthale, welches sich unterhalb (östlich) des Dorfs zu einem üppigen Wiesengrunde erweitert, an den sich fruchtreiche, ganz leicht ansteigende Ackergelände anlehnen, während zunächst des Orts die Muschelkalkthalwände noch ziemlich stark ausgesprochen sind. Durch das Dorf fließt die zu einem Flüßchen herangewachsene, muntere Ammer, welche am östlichen Ende des| Orts eine Säge-, Öl- und Gyps-Mühle und in der Nähe des Schlosses eine dem Freiherrn von Ulm gehörige Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung setzt. Über das Flüßchen führt innerhalb des Dorfes eine hölzerne – und außerhalb desselben eine steinerne Brücke.

Das 21/2 Stunden südöstlich von Herrenberg und zwei Stunden westlich von Tübingen gelegene Dorf gehört zu den mittelgroßen des Bezirks und besteht bei einer ziemlich unregelmäßigen Anlage meist aus einfachen – zum Theil Armuth verrathenden Wohnungen; die Ortsstraßen, denen übrigens die Kandelung noch abgeht, befinden sich in ziemlich gutem Zustande.

Die Pfarrkirche zum hl. Stephan liegt 10 Minuten westlich vom Ort an der Vicinalstraße nach Reusten; sie wurde in den Jahren 1752–53 beinahe ganz neu in einem modernen Styl erbaut und nur das mit einem halben Achteck schließende Chor mit seinen Strebepfeilern hat sich von der früheren Kirche noch erhalten, jedoch sind die ehemaligen spitzbogigen Fenster desselben in rundbogige, moderne umgewandelt – und denen des neu erbauten Langhauses gleich gemacht worden. Der viereckige, ebenfalls neue Thurm, auf welchem drei Glocken hängen, geht gegen oben in ein Achteck über und trägt ein mit Schiefer gedecktes Bohlendach. Im Inneren ist die Kirche geräumig, freundlich, hell und durchaus weißgetüncht; Kanzel, Hauptaltar wie die Seitenaltäre sind im Rococcogeschmack mit reichverzierten, theilweise vergoldeten Schnitzwerken gehalten; an den Altären befinden sich Gemälde, unter welchen ein von dem Freiherrn von Ulm im Jahr 1848 gestiftetes, Christus am Ölberg vorstellend, sehr anspricht. Im Triumphbogen, der von dem Langhaus in das Chor führt, hängt ein altes, gut aus Holz geschnittenes Bild des Gekreuzigten; ein kleineres, übrigens noch älteres, steht ziemlich unbeachtet hinter dem Hochaltar. Im Chor selbst befindet sich ein sehr schön im germanischen Styl ausgeführtes Sacramenthäuschen, welches sich von der früheren Kirche noch erhalten hat; ein minder großes, aus der ehemaligen Todtencapelle dahin gebrachtes, steht am westlichen Kircheneingang. Die Unterhaltung der Kirche, wie des um die Kirche gelegenen Begräbnißplatzes hat die Stiftungspflege zu besorgen.

Eine zweite Kirche zum hl. Clemens steht auf der rechten Ammerseite am südöstlichen Ende des Orts; sie war vor dem Jahre 1608 den evang. Einwohnern von Poltringen, Oberndorf, später auch Reusten, so lange letztere keine eigene Kirche hatten, eingeräumt, bis sie im Jahr 1816 von der Gemeinde Poltringen angekauft wurde. Seit dieser Zeit dient die Kirche an| Wochentagen und in neuerer Zeit bei ungünstiger Witterung auch an Sonntagen, der Gemeinde zum Gottesdienst. Das Gebäude ist sehr alt, aber durch Veränderungen entstellt; von dem ursprünglich früh germanischen Styl derselben haben sich an dem Langhaus nur noch zwei spitzbogige Fensterchen, das mit einem halben Achteck schließende Chor, welches bedeutend über den First des Langhauses hervorragt, unverändert erhalten. Älter als die Kirche ist der an der Nordseite stehende massive, viereckige Thurm, in dessen unteren mit einem einfachen Kreuzgewölbe gedeckten Stockwerke ein uralter steinerner Altartisch sich befindet und zwei im romanischen Styl gehaltene Fenster mit tief eingehenden Gewänden und schmalen, rundbogigen Lichtöffnungen, angebracht sind; entstellend ist das in neuerer Zeit dem Thurm aufgesetzte, monströse, hölzerne Glockenhaus mit vorstehendem Zeltdach. Die beiden Glocken tragen die Namen der vier Evangelisten und eine davon noch überdieß die Jahreszahl 1436. Innen ist die Kirche weiß getüncht und wie auch das Chor, welches sein ursprüngliches Netzgewölbe verloren hat, flach getäfelt. An der südlichen Innenseite des Chors steht ein großartiges im Renaissancegeschmack aus Alabaster ausgeführtes, in neuerer Zeit leider weiß getünchtes Grabdenkmal, das beinahe die ganze Höhe der Wand einnimmt. Das Mittelbild stellt Jacob vor der Himmelsleiter dar, und oberhalb sind drei Wappen angebracht, von denen eines den Herren von Ehingen angehört; das Ganze ist mit Arabesken und schön gearbeiteten Figuren reich verziert.

In der Nähe der Clemenskirche ist frei und angenehm gelegen das Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Freiherrn von Ulm obliegt.

Das in den 1780ger Jahren erbaute Rathhaus, in welchem auch die Schulzimmer eingerichtet sind, steht an der Hauptstraße im südlichen Theil des Orts. Für den Lehrer an der Volksschule, neben welcher seit einem Jahrzehent noch eine Industrie-Anstalt besteht, ließ die Gemeinde im Jahr 1838 zunächst des Pfarrhauses eine eigene Wohnung herstellen.

Zwischen dem Dorf und der Pfarrkirche liegt angenehm in dem freundlichen Ammerthale das sehr ansehnliche, im einfachen Renaissancestyl von Heinrich Schickardt 1613 erbaute Schloß des Freiherrn von Ulm; den Haupteingang des Schlosses ziert das Wolkensteinische und das Ebersteinische Wappen, und an der nordwestlichen Ecke steht ein achtseitiger Erker hervor, während an den vier Ecken des Walmdaches kleine, mit Schiefer gedeckte Thürmchen emporstreben. Um das Schloß, – ein sog. Wasserschloß – lauft im Vierecke ein ausgemauerter, gegenwärtig zu einem Garten| angelegter Graben, über den eine steinerne Brücke zum Schloß führt. Zunächst des Schlosses steht das vormalige Amtshaus und eine im alten Styl massiv erbaute, mit einem Staffelgiebel versehene Mühle (s. oben), außer welcher noch mehrere Öconomiegebäude vorhanden sind, unter denen sich der dem Schloß gegenüberstehende Fruchtkasten durch seine Großartigkeit und seinen massiven Bau auszeichnet. Sämmtliche Gebäude schließen einen namhaften Hofraum ein, außerhalb dessen steht zunächst an der am Schloßhofe vorüberführenden Vicinalstraße eine Kelter. Zu beiden Seiten des Gebäudecomplexes lehnen sich große zum Schloß gehörige Baumgärten an, die auf der einen Seite bis an das Dorf, auf der andern bis zu der Stephanskirche reichen und mit einer Mauer umfangen sind, soweit sie nicht an der südlichen Seite von der Ammer begrenzt werden. Das zu dem Schloß gehörige etwa 300 Morgen große, übrigens nicht zusammenhängende Gut ist an die Bürger von Poltringen stückweise verpachtet und wird von einem aufgestellten Aufseher, der zugleich die Gärten und Weinberge bewirthschaftet, beaufsichtigt.

Der Ort ist mit sehr gutem Trinkwasser, welches zwei laufende und zwei Schöpfbrunnen liefern, das ganze Jahr hindurch hinreichend versehen; periodisch fließende Quellen (Hungerbrunnen) befinden sich in der Leimengruben und im Kornberg. Etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort in der Nähe des Roßbergs besteht ein See, der übrigens häufig trocken liegt.

Die Einwohner, deren Hauptnahrungsquellen in Feldbau und Viehzucht bestehen, sind im Durchschnitt gut gewachsene, sehr fleißige, ruhige Leute, die sich übrigens in sehr mittelmäßigen Vermögensumständen befinden, wie denn der Begütertste nur 20 Morgen Felder besitzt. Die Zahl der Unbemittelten, denen leider Gelegenheit zum Verdienst mangelt, hat namentlich in Folge der Abnahme der früher stark getriebenen Flachsspinnerei sehr zugenommen. Die Ortsmarkung, von der die Gutherrschaft 1/3 besitzt, wogegen die Poltringer sich auf der Markung von Entringen, mit etwa 70 Morgen angekauft haben, ist nicht groß und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden; er besteht theils aus Lehm mit einem die Feuchtigkeit nicht durchlassenden Untergrund, theils aus schwerem Thonboden und aus mageren Mergeln und Sandsteinplättchen der Lettenkohlengruppe. Wegen des häufigen, thonigen Untergrundes ist der Ertrag der Felder in nassen Jahrgängen geringer als in trockenen. Die besten Güter liegen in Engwiesen, Gairen, auf dem Aischbach, im oberen Feld, in Malmen etc.

Das Klima ist gesund und ziemlich mild, übrigens für den Weinbau etwas zu rauh, daher dieser immer mehr abnimmt, indem| Fröste im Frühjahr und Herbst, wie auch schädliche Nebel demselben entgegen wirken; auch die feineren Obstsorten wollen nicht gedeihen, daher meist nur Mostsorten und Zwetschgen gezogen werden und zwar in einer Ausdehnung, die in günstigen Jahren noch einen Verkauf nach Außen zuläßt. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird gut betrieben und zur Besserung des Bodens kommt neben den gewöhnlichen Düngungsmitteln die Jauche sehr fleißig in Anwendung; der deutsche Pflug ist noch ziemlich allgemein und die Walze wird selten benützt.

Nach der Dreifelder-Eintheilung mit zu 1/4 angeblümter Brache baut man hauptsächlich Dinkel, Hafer, weniger Gerste und auf mageren Böden Einkorn und etwas Wicken; in der Brache kommen Futterkräuter, namentlich Esper, wenig Angersen und Reps zum Anbau, während die Kartoffeln im Haferfeld gezogen werden. Hanf und Kraut pflanzt man in eigenen Ländern.

Auf den Morgen werden 8 Simri Dinkel, 4 Simri Hafer, ebensoviel Gerste und Einkorn ausgesäet; der Ertrag wird zu 7–8 Scheffel Dinkel, 5–6 Scheffel Hafer, eben so viel Gerste und 5 Scheffel Einkorn per Morgen angegeben. Dinkel und Hafer kommt viel nach Tübingen zum Verkauf. Die höchsten Preise eines Morgens Acker sind 400 fl., die mittleren 200 fl. und die geringsten 50 fl.

Der Wiesenbau begreift etwa 100 Morgen, von denen nur 10 Morgen Wässerung zukommt. Da diese Fläche im Verhältniß zu dem vorhandenen Viehstand zu gering ist, so waren die Einwohner von Poltringen genöthigt, auf der Markung Pfäffingen Wiesen anzukaufen und überdieß durch fleißigen Anbau von Futterkräutern nachzuhelfen. Die Wiesen sind mit Ausnahme einiger sauern sehr gut und ertragen durchschnittlich per Morgen 30–32 Centner Heu und 15 Centner Öhmd. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 400–500 fl.

Der Weinbau ist unbedeutend und wäre kaum erwähnenswerth, wenn nicht die Ortsangehörigen etwa 25 Morgen Weinberge auf der Markung Pfäffingen besitzen würden. Elblinge, Klevner, etwas Rißling, aber auch Butscheeren sind die am häufigsten gepflanzten Sorten; sie liefern in günstigen Jahren einen mittelmäßigen Wein (Schiller), der sich nicht auf das Lager eignet und meist im Ort selbst verbraucht wird. Der Morgen erträgt 6–8 Eimer; im Jahr 1846 wurden per Eimer 45–46 fl. bezahlt. In den ausgereuteten Weinbergen wird meist Luzerne angepflanzt.

Der Rindviehstand, in einem kräftigen Neckarschlag bestehend, ist gut und wird durch zwei Farren, welche ein Bürger Namens| der Gemeinde um jährlich 60 fl. und der Nutznießung von zwei Morgen Wiesen hält, nachgezüchtet. Von den Einwohnern wird auf benachbarten Märkten ziemlich lebhaft mit Vieh gehandelt.

Schweinezucht wird nicht betrieben und Geflügel nur für den eigenen Bedarf gehalten.

Von den Gewerben im Dorf sind nur zwei Schildwirthschaften und zwei Kramläden zu nennen.

Vicinalstraßen gehen nach Oberndorf, Reusten und Unter-Jesingen.

An Waldungen erhielt die Gemeinde vom Staat im Jahre 1820 für eine Schönbuchsgerechtigkeit 88 Morgen, von denen 1/3 mit Forchen kultivirt wurde; dermalen liefern dieselben alle 2–3 Jahre etwa 2700 Stücke Wellen oder 4–6 Klafter Holz, welche an die Bürgerschaft vertheilt werden. Überdieß besitzen noch 2/3 der Gemeindeangehörigen etwa 80 Morgen Privatwaldungen, so daß einem Bürger 1/4–2 Morgen zukommen. Etwa 60–70 Morgen Weiden, welche nebst der Brach- und Stoppelweide zur Schäferei verpachtet sind, tragen jährlich mit Einschluß der Pferchnutzung gegen 800 fl., wovon die Gemeinde 7/9, die übrigen 2/9 aber die Gutsherrschaft bezieht. Die Gemeindepflege erzielt überdieß aus Gemeindegütern jährlich etwa 110 fl. Pacht.

Übrigens siehe über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt Tab. III.

Bis zur Ablösung hatte die freiherrlich v. Ulm’sche Grundherrschaft und der Staat Gefälle zu beziehen. Letzterer bezog den großen Zehenten; den kleinen Zehenten hatte derselbe abwechslungsweise mit der Pfarrei.

Auf den Schloßäckern, einer Anhöhe nördlich vom Ort, von der man eine äußerst freundliche Aussicht genießt, stand die Burg Ober-Poltringen, die vor etwa 70 Jahren vollends abgetragen wurde.

Nördlich dieser Stelle auf den sogenannten Steinäckern, auch Enderleshaus genannt, finden sich Spuren eines römischen Wohnplatzes (s. hier den allg. Theil).

Der Ort, welcher als Boltringen im Jahre 1191 erstmals vorkommt, auch Oberkirch hieß (Oberkirch sive Poltringen Urk. von 1299 Juni 22, Schmid 56), gehörte den Pfalzgrafen von Tübingen und hatte der Hauptsache nach gleiche Schicksale mit Oberndorf.

Von hiesigen Ortsadeligen erscheinen Heinrich Zeuge Pfalzgraf Rudolfs von Tübingen bei der Stiftung des Klosters Bebenhausen den 30. Juli 1191 (Schmid Urk. 7), Wolpot und Conrad als Zeugen Pfalzgraf Wilhelms von Tübingen den 9. Juni 1236.

| Eine hiesige Burg wurde um Jacobi 1283, in Zeiten als König Rudolf den Landfrieden gebot, gebrochen (Chronicon Sindelfingense). Später wurden zwei Burgen neu errichtet.

Ansehnlichen Besitz erwarb frühe das Kloster Bebenhausen; ihm verkaufte den 15. August 1292 Pfalzgraf Eberhard von Tübingen, genannt der Scheerer, das Patronatrecht der hiesigen Kirche, und Pabst Johannes XXII. erlaubte ihm den 27. Oktober 1325, diese Kirche einzuverleiben (s. bei Altingen). Im Juni 1307 stellte Graf Otto von Hohenberg dem Kloster einen Verzicht aus auf das Vogtrecht zu Oberkirch und Reusten (Crus. Ann. 3, 197).

Wohl durch Heirath sind die Grafen von Eberstein in hiesigen Besitz eingerückt (Schmid 243); Graf Heinrich von Eberstein ertheilte dem ebengenannten Kloster den 23. Juli 1297 besondere Freiheiten bezüglich hiesiger Gütererwerbungen. Elisabeth, Wittwe Graf Otto’s von Eberstein, Tochter Pfalzgraf Konrads von Tübingen, setzte den 22. Juni 1299 die hiesige Kirche wieder in den Genuß von jährlichen 40 Malter Weizen und Roggen und sprach dieselbe von aller weltlichen Aufsicht, von jeder Steuer und Dienstleistung frei (Schmid Urk. 56). Von den Grafen von Eberstein trugen die Ritter von Hailfingen und die von Ehingen (Schmid 243) lange Zeit hier Lehen (s. Oberndorf. Über obrigkeitliche Verhältnisse in dem Schlosse s. Urk. v. 1618, 1619 bei Lünig 12a, 337. 338).

Im Jahre 1702 verpfändete Kaiser Leopold I. die Herrschaften Ober- und Nieder-Hohenberg, und Poltringen, Oberndorf, Werrenwag, Kallenberg an den Freiherrn Ludwig Eucharius von Ulm auf Erbach. Darauf überließ Kaiser Karl VI. im Jahre 1722 dem Freiherrn Markward Wilhelm von Ulm Sohn des obigen „2/3 von Poltringen, dahin auch Oberndorf gehörig“ für 34.000 fl. als Mannlehen. Seitdem besaßen die Freiherrn von Ulm 2/3 des Orts Poltringen bis zum Jahre 1805 als Hohenbergisches, seit 1806 besitzen sie es als württembergisches Lehen; 1/3 hatte Württemberg als Eigenthum. Hauptfälle, Frevel, Strafen, Umgeld, Bürger- und Beisitzgeld bezog vor 1806 Württemberg zu 1/3 von Ulm zu 2/3. Nach gleichem Verhältniß war es mit der Georgii- und Martini-Steuer gehalten. Hohe und niedere Gerichtsbarkeit waren gemeinschaftlich.

Vor Zeiten war hier ein Franciscaner Nonnenkloster dritter Regel.

Was die Kirche betrifft, so bestund hier im Jahre 1419 ein Marienaltar, dessen Bewidmung zu bestätigen der Abt Heinrich| von Bebenhausen am 10. Februar dieses Jahrs den Bischof von Constanz ersuchte. Im Jahre 1440 stifteten Rudolf von Ehingen, Markward von Hailfingen der ältere und Johann Truchseß von Höfingen mit Bewilligung des Abts von Bebenhausen eine Kapelle zu Poltringen und einen Altar zu Oberndorf, sammt einer ewigen Präbende zur Ehre der h. Dreifaltigkeit. Im Jahre 1599 begannen Herzog Friedrich von Württemberg und Georg von Ehingen in Poltringen und Oberndorf zu reformiren; darüber verklagten ihn die Grafen von Eberstein beim Reichshofrath, Georg dagegen übergab den 1. Juli 1606 sein 1/3 beider Orte dem Herzog Friedrich von Württemberg beim Reichshofrath zu vertreten; ein Reichskammergerichtsproceß entspann sich, bis sich endlich nach Herzog Friedrichs Ableben dessen Sohn Herzog Johann Friedrich am 30. August 1608 mit Christoph Franz, Freiherrn von Wolkenstein, dahin verglich: in Poltringen solle ein katholischer und ein evangelischer, aus dem Tübinger Stipendium genommener Pfarrer sein. Nun waren allhier evangelische Pfarrer bis nach der Schlacht bei Nördlingen (1634). Als darauf der evangelische Pfarrer vertrieben wurde, verloren sich auch die Protestanten allmählig. Gleichwohl setzte Herzog Eberhard III. aufs Neue einen evangelischen Kirchendiener hieher, und Reusten, bisher Filial von Breitenholz, wurde allda eingepfarrt; der neue Kirchendiener hieß jetzt Pfarrvikar zu Poltringen und Pfarrer zu Reusten. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts gab es starke Reibungen zwischen dem katholischen und protestantischen Pfarrer (Binder 426). Zur Wahrung des Rechts der evangelischen Kirche wurde an Sonn- und Festtagen Nachmittagskinderlehre in Poltringen gehalten, an Feiertagen Vormittags gepredigt, alle übrigen Gottesdienste aber wurden in Reusten gefeiert. Erst 1814 kam der evangelische Pfarrer in Reusten zu wohnen.

Die Besetzung der katholischen Pfarrstelle wechselt zwischen der Krone Württemberg und den Freiherrn zu Ulm.



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