Beschreibung des Oberamts Leutkirch/Thannheim
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1) Thannheim, katholisches Pfarrdorf mit 507 Einwohnern, worunter 1 Evangelischer, am westlichen Theil des Illerthals und an der Vicinalstraße von Erolzheim nach Leutkirch, 6¼ g. Stunden nördlich von dieser Stadt, ein freundlicher Ort in angenehmer, freier Lage. Thannheim ist der Hauptort der Standesherrschaft des Grafen von Schäsberg-Thannheim, der hier seine gewöhnliche Residenz hat. Zu der Standesherrschaft gehören außer diesem Gemeindebezirk (mit der oben bezeichneten Ausnahme) von der Gemeinde Haslach die Parzellen: Hamerz, Rohrmühle, Schönthal; die Gemeinde Oberopfingen; von der Gemeinde Berkheim: theilweise Berkheim, Bonlanden und Illerbachen. Das gräfliche Schloß, ehemals der Kloster Ochsenhausische, 1696 erbaute Pfleghof ist ein massives, dreistockiges, ganz einfaches Gebäude, welches an die Pfarrkirche angebaut ist. Auch hat in Thannheim das standesherrliche Rentamt seinen Sitz. Die 1702 neu erbaute Pfarrkirche zum heil. Martin ist ansehnlich, hoch und geräumig; sie hat ein schönes Altarblatt, den heil. Martin vorstellend. Ein Kirchenfond ist nicht vorhanden; der ehemalige hatte 1610 das gleiche Schicksal, wie der Kirchenfond zu Oberopfingen (s. d.). Die Unterhaltung der Kirche liegt dem Standesherrn ob; 325 fl. Capital sind zur Bestreitung der Kultkosten, und 100 fl. mit der Bestimmung gestiftet, daß der Zins den Armen ausgetheilt werde. Das Pfarrhaus wurde 1803 von der Standesherrschaft neu gebaut. Die Pfarrei, deren Patron der Graf ist, gehörte zum Landkapitel Dietenheim. Sie hatte früher einen größern Sprengel, indem Ober- und Unter-Mittelried im Jahr 1810 nach Roth, und Hamerz, Höllhof, Rohrmühle und Schönthal nach Haslach ausgepfarrt wurden. Dagegen erhielt sie die beiden Rothschen Höfe in Haldau von Berkheim. Nach der Auflösung des Klosterkonvents zu Ochsenhausen, welchem die Pfarrei seit 1351 einverleibt war, und von dessen Geistlichen sie versehen wurde, erhielt sie ihre Dotation von dem Grafen von Schäsberg. – Ein sehr hübsches Gebäude ist das 1839 von der Gemeinde erbaute Schul- und Rathhaus.
| Die Ochsenhauser Annalen erwähnen einen Adelbert, Sohn des Ritters Hatto von Wolfoldesschwendi zu Ochsenhausen, und Mitstifter dieses Klosters (1099), der seinen Sitz in Thannheim gehabt haben soll. Wo seine Burg gestanden, weiß man nicht; ob auf der Stelle der 3/8 Stunden nördlich von Thannheim liegenden Schanze, von welcher oben VII, 4. die Rede war, dürfte zweifelhaft seyn. Der freilich späte Ochsenhauser Chronist (Pater Wirth † 1760) sagt, er habe „in antiquo illo castello, postea nominato Domus officialis sive Ambthauß“ gesessen. Er war in der Gegend umher wohlbegütert, wie seine ansehnlichen Stiftungen an das Kloster Ochsenhausen beweisen. Darunter waren der vierte Theil der Kirche zu Thannheim, die Mühle, Tafern, und 10 Mansi salischer Güter daselbst. In den päpstlichen Bestätigungsbullen 1157 und 1173 (Neug. Nr. 877) wird bereits der Kirche zu Thannheim als der Zelle Ochsenhausen ganz gehörig gedacht. 1351 wurde sie durch Bischof Ulrich von Konstanz dem Kloster förmlich incorporirt. Einige Höfe in Thannheim und Egelsee mit der Schirmvogtei, dem Vogtrecht, Steuer, Dienst und hoher Gerichtsbarkeit gehörten den Königsegg als Herren der Herrschaft Marstetten (s. d.). Ulrich von Königsegg verkaufte im Jahr 1397 diese Güter und Rechte um 1425 Pf. Heller an Ochsenhausen. Bald darauf verkaufte er auch Oy und Kronwinkel (s. d.). Auch das Kloster Roth hatte hier zwei Hofgüter, das eine (Allodium Tenisheim) von seiner Stifterin, Hemma, das andere als Geschenk des K. Friedrich II. (Stadelh. I. S. 10 und 61). Beide verkaufte Roth 1398 auf Wiederlosung an Ochsenhausen. Nachdem diese Wiederlösung 1430 zwar erfolgt, 1471 aber diese Höfe gegen Güter in Spindelwaag vertauscht worden waren, befand sich Ochsenhausen in dem alleinigen Besitz des Dorfes, und (mit der oben angeführten Ausnahme eines Theils von Egelsee und Haldau) der ganzen jetzigen Gemeinde Thannheim, und der Abt von Ochsenhausen nannte sich Herr der freien Reichsherrschaft Thannheim. Als das Kloster in der Folge sein Gebiet in 4 Ämter vertheilte, bildete dieselbe mit Oberopfingen, ¼ von Berkheim und Illerbachen, Bonlanden, Rohrmühle, Schönthal, Hamerz, Oberzell, einem Theil von Kirchdorf und dem jetzt baierischen Winterrieden das Amt Thannheim. Dieses Amt wurde, mit Ausnahme von Winterrieden (welches dem Grafen Sinzendorf zufiel) und Oberzell (siehe Roth), im Jahr 1803 in Folge des Reichsdeputations-Rezesses dem Grafen von Schäsberg als eine Reichsgrafschaft zur Entschädigung für verlorene überrheinische Besitzungen (die Grafschaft Kerpen und Lommersum im Jülichschen) zugeschieden, zugleich aber der Burggraf von Sinzendorf mit einer jährlichen Rente von 1500 fl., der Graf von Hallberg mit | 500 fl.[1], an den Grafen angewiesen. Die reinen Revenüen wurden zu 15.300 fl. angeschlagen; im Jahr 1807 berechneten sie sich auf 14.887 fl. Ein Simplum der Steueranlage (auf Güter, Gebäude und 390 fl. In Friedenszeiten wurden deren 6–8 erhoben. Sie dienten Gewerbe) betrug zur Bestreitung der Reichs- und Kreisobliegenheiten und des Antheils an den bedeutenden Zinsen der Ochsenhausischen Landschaftsschuld (s. OA.-Beschr. von Biberach, S. 154). Der Reichsgraf erhob für seine Kammer keine Steuern. Als Civilgericht erster Instanz und als Untersuchungsbehörde in Kriminalsachen bestand das Oberamt in Thannheim. Durch die Rheinische Bundesakte wurde die Grafschaft unter die Württembergische Landeshoheit gestellt und in Ochsenhausen den 12. Sept. von dem französischen General Börner dem K. Württembergischen Kommissär Freiherrn von Maucler übergeben. Der Standesherr, dermalen Seine Erlaucht Graf Richard Martin Maria, kathol. Religion, ist geboren den 14. Juli 1778. Das Gräfliche Haus wurde von K. Karl VI. im Jahr 1712 in den Reichsgrafenstand erhoben. Außerhalb des Königreichs besitzt der Graf das Rittergut Schöller im Berg’schen (Rheinpreußen).2) Arlach, Weiler mit 62 Einwohnern, an der Iller, mit einer im Jahr 1781 von Ochsenhausen und der Parzellargemeinde auf gemeinschaftliche Kosten erbauten, und von letzterer zu unterhaltenden Kapelle ohne regelmäßigen Gottesdienst. In alten Zeiten hatte Arlach eine eigene Pfarrkirche, die aber schon sehr frühe mit der zu Thannheim vereinigt worden zu seyn scheint. In der oben erwähnten Bestätigungsbulle von 1173 (Neug. Nr. 877) kommt die Ecclesia Arla vor. In dem Verzichtbrief von St. Blasien aber vom Jahr 1404 erscheint Tanheim cum capella Arlach. Reichenau besaß hier Gefälle, welche Ochsenhausen im Jahr 1315 durch Kauf erwarb.
3) Egelsee, Weiler mit 132 Einwohnern nebst Baur, Haus mit 5 Einwohnern. Dieser Weiler liegt an der Staatsstraße von Biberach nach Memmingen, ¼ Stunde von dem Übergang derselben über die Iller. Die Gemeinde unterhält eine ansehnliche Kapelle ohne regelmäßigen Gottesdienst. Die Markung dieser Parzelle hat einen Boden von geringer Ertragfähigkeit. Schon 1354 erwarb Ochsenhausen hier Güter. Der größere Theil gehörte zur Herrschaft Marstetten und wurde 1397 von Königsegg (s. oben) mit allen Rechten, mit Ausnahme des Marstettenschen Antheils an der Illerfähre, an Ochsenhausen veräußert. Auch gehörten einige Güter in Egilsee zu den ersten Stiftungen des Klosters Roth, welches aber| dieselben 1495 mit der „Far an der Iller" um 1250 fl. an die Stadt Memmingen verkaufte, nachdem wegen dieser Fähre schon früher ein Rechtsstreit mit Königsegg bestanden hatte. Im Jahr 1507 kam durch Vergleich der Stadt Memmingen mit Königsegg der Brückenbau zu Stande, siehe unten Marstetten. (Stadelh. I S. 11, II. S. 73. 75. 91.) Ochsenhausen besaß hier 8 Höfe mit der hohen Gerichtsbarkeit; die niedere und einige andere Höfe gehörten der Stadt Memmingen. Diese Verhältnisse blieben bis der Ochsenhausische, jetzt noch in 6 Höfen bestehende, Antheil 1803 an den Grafen von Schäsberg und zwar 1806 unter Württ. Oberhoheit, der größere Memmingensche Antheil aber im Jahr 1810 von Baiern an die Krone Württemberg kam, welche auch (1806) den Zoll als ein Regale an sich zog.4) Haldau, Weiler mit 41 Einwohnern nebst Melchior, Hof mit 6 Einwohnern. Haldau liegt zwischen der Erolzheimer Straße und dem Illerthalrand, und hat gute Felder. Durch die Ochsenhauser Stiftungsurkunde wird dieses Kloster von dem oben genannten Adalbert in den Besitz von 2 Höfen in vico Hidiezerhaldung gesetzt. Auch das Kloster Roth hatte schon bei seiner Stiftung Antheil an Haldun, welchen dasselbe 1398 an Ochsenhausen verkaufte. Doch bleiben zwei Höfe fortwährend in Rothischem Besitz, und gehören jetzt dem Grafen von Erbach-Wartemberg-Roth.
5) Krimmel, Weiler mit 24 Einwohnern, rings von Wäldern umgeben.
6) Kronwinkel, Weiler mit 59 Einwohnern, am Illerthalrand auf der Markung von Thannheim. Unweit des Weilers steht malerisch auf einer Anhöhe eine Loretokapelle mit einem eigenen kleinen Fond. Im Jahr 1686 wurde sie auf Kosten des Klosters Ochsenhausen an der Stelle einer uralten ehemaligen Pfarrkirche erbaut. Auf derselben Höhe soll ein altes Schloß gestanden haben; noch werden an dieser Stelle von Zeit zu Zeit alte Münzen ausgegraben. – Dieser Ort, in alten Schriften Craw- auch Kranwinkel geschrieben, kommt schon im Verzeichniß der Rothischen Stiftungsgüter (Stadh. I. S. 10) als villa Crawinchele unter den Orten vor, wo Roth einzelne Höfe besaß. Einen halben Hof erhielt Roth 1238 vom Stift Kempten gegen einen jährlichen Zins (S. 132); das Übrige gehörte zu Marstetten. Roth verkaufte seinen Antheil 1398 an Ochsenhausen, wie auch Ulrich von Königsegg im Jahr 1405 den Marstetter Antheil, nämlich 4 Höfe, das Pfarrwiddum, den Pfarrsatz, die Zehenten, mit allen Rechten etc. an dasselbe Kloster. Die Pfarrei hatte früher dem Kloster Roth zugehört, war aber (ohne Zweifel unter dem verkauflustigen Abt Peter ums Jahr 1400) an die Königsegg übergegangen. Ein Viertheil des Pfarrzehenten war schon| 1375 gegen einen jährlichen Kanon dem Kloster Ochsenhausen vom Landkapitel Dietenheim überlassen worden. Die kleine Pfarrei war sehr arm und wurde deßwegen 1424 von dem Bischof Otto von Konstanz auf den Antrag des Abts Heinrich von Ochsenhausen mit der von Thannheim vereinigt.7) Sophienhof, standesherrlicher Kameralhof in unmittelbarer Administration nebst einer bedeutenden Kalkbrennerei. Dieser Hof, welcher erst in neuerer Zeit den Namen Sophienhof erhalten hat, hieß früher Oy und war in älteren Zeiten ein Pfarrweiler. Theils die Verheerungen des 30jährigen Kriegs, theils die wiederholten Verwüstungen, welche die Iller anrichtete, brachten den Ort in Abgang. Die alte, zur Kapelle herabgekommene Pfarrkirche zu St. Michael wurde um die Mitte des vorigen Jahrhunderts abgebrochen. Durch die Stifterin des Klosters Roth (s. d.) erhielt dasselbe Antheil an der villa Oye, verkaufte aber diesen im Jahr 1398 an Ochsenhausen, bis auf einen Hof, der 1471 mit Thannheim durch Tausch ebenfalls an Ochsenhausen überging. Das Übrige (5 Höfe) war Marstettisch und kam 1405 zugleich mit Kronwinkel an Ochsenhausen. Der Kaufschilling für beide Orte war nur 600 Pf. Hr. Auch der Kirchensatz, Pfarrwiddum und Zehenten waren in diesem Kauf einbegriffen. Ehe die Kirche an Marstetten kam, hatte sie dem Kloster Roth gehört, welchem sie mit Vogt- und andern Rechten von Bertold von Hohenegg 1257, theils geschenkt, theils um 12 Pf. Hr. käuflich überlassen worden war (Stadelh. I. S. 65). Auch diese Pfarrei wurde, weil sie zu gering war, 1424 zugleich mit der von Kronwinkel der Kirche in Thannheim einverleibt. Daß es im 12. oder 13. Jahrhundert ein edles Geschlecht gab, das sich von Oy schrieb, ist zu schließen aus dem Nekrolog der Klosterfrauen von Roth, wo eine Mechtildis soror de Oye vorkommt. (Stadelh. I. S. 13). – In einem Waldfleck auf der Markung dieses Hofes sollen sich deutsche Grabhügel befinden. – Das Areal des Gräflichen Kameralhofes beträgt an Gebäuden 12/8 M., Gärten 266/8 M., Äcker in 4 Schlägen 3776/8 M., Wiesen 375/8 M., Waiden 1355/8 M. Zusammen 579 M.
- ↑ Diese Renten sind jetzt, die eine in einem jährlichen Betrag von 1425 fl. an den Grafen von Bassenheim, die andere im Betrage von 410 fl. an den Staat zu bezahlen.