Beschreibung des Oberamts Urach/Kapitel B 28

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28. Würtingen mit St. Johann und dem vordern Fohlenhof.

a. Würtingen, ein evang. Pfarrdorf auf der Alp, 2 St. südöstlich von Urach mit 746 Einw. Den großen Zehenten hat der Staat, den kleinen, den Heu- und Öhmdzehnten und auch einen kleinen Antheil an dem großen die Pfarrey zu beziehen. Die Grundgefälle, die bis auf wenige Kreuzer dem Staat zukommen, betragen 292 fl.

Würtingen liegt 2257 P. Fuß über der Meeresfläche, ist aber von Waldhöhen umgeben und geschützt. Hinter dem Dorfe, gegen St. Johann befinden sich zwey merkwürdige Einsenkungen mit den Riedwiesen, worin das Wasser durchaus | keinen Ablauf hat. Weiterhin findet man viele Erdfälle, und in dem Dorfe selber wurde neuerlich bey der Grabung eines Brunnens ein mächtiges Lager von Basalttuff aufgedeckt. Das Dorf hat ein Rath- und Schulhaus, 2 Schildwirthschaften und eine Ziegelhütte, die in einiger Entfernung von dem Dorfe steht. Das Pfarrhaus wurde 1752, die Kirche 1754 neu gebaut, Filiale der Kirche sind Bleichstetten und St. Johann mit dem vordern Fohlenhof.

Die Gemeinde hat ansehnliche Waldungen und Allmanden und eine einträgliche Schafweide, welche ihre öffentliche Bedürfnisse mehr als hinreichend decken s. S. 98. W. gehörte von alten Zeiten her zu der Grafschaft Urach. Kirche und Grundbesitz waren aber wie gewöhnlich, mannigfaltig getheilt: den größern Theil des Kirchensatzes, Widdumguts und Zehnten kaufte 1413 das Kloster Güterstein um 665 Pfd. H. von Reinhard und Ulrich von Spät, den übrigen Theil mit einigen Gütern hatte Ulrich Spät schon 1406 an Otto von Baldeck verkauft. Ein Otto von Baldeck erhielt diesen Theil 1429 als Leibgeding ins Kloster Güterstein, und überließ ihn 1435 dem Kloster.

W. wurde in dem 30jähr. Kriege besonders hart mitgenommen; 1630 zündeten die Kaiserlichen den Ort an und es brannten 24 Gebäude ab, nachher führte die Belagerung von Urach tägliche Plünderung herbey; 1636 wüthete die Hungersnoth und bald darauf die Pest und es blieben nur noch 58 Einwohner übrig.

Am Saume der Riedwiesen befindet sich der nie versiegende Sarraisenbrunnen, s. S. 30. Am Wege nach Urach zieht der s. g. Haar- oder Hardtberg hin, worauf man die Reste von Gebäuden gefunden hat. Ob hier ein Schloß gestanden habe, und ob die Edlen von Harberg, deren Crusius (B. II. S. 209) erwähnt, hieher gehört haben, mag dahin gestellt bleiben. Über die Spuren einer alten Straße s. S. 13.

b. St. Johann, ein Weiler, bestehend aus einem K. Fohlenhof, einem Försterhaus und 2 Maierhöfen auf der hohen Alp, 2359 P. Fuß über der Meeresfläche, ganz von | Wäldern umgeben, 1 St. nördlich von Würtingen, wovon es Filial ist, mit 20 Einwohnern. Mit dem Fohlenhofe ist ein s. g. Schlößchen, ein einstokiges Gebäude, verbunden. Grund und Boden ist ganz herrschaftlich und wird größtentheils zur Fohlenweide benutzt, die Maiereygüter sind verpachtet, übrigens von geringer Beschaffenheit. – Der Ort wird gemeiniglich Rauh St. Johann genannt. Der Platz soll dem Kloster Güterstein gehört, und ursprünglich in einem Waldbruderhaus mit einer Capelle bestanden haben. Von dessen Patron, Johannes dem Täufer, soll er den Namen St. Johann auch Rauh St. Johann, Rau St. Johansen erhalten haben. Woher der Beysatz Rauh rühre ist zweifelhaft; gemeiniglich wird er von der rauhen Gegend abgeleitet, es wäre aber auch möglich, daß er von Ruhe herrührte; eine „Capelle zu der Ruhe“ stand bey Metzingen, und wurde auch die Capelle zu der Raw, Rauen, die Rauen-Capelle genannt. Aus dem Waldbruderhause wurde in späterer Zeit ein Forst- und Jagdhaus. Herzog Eberhard Ludwig baute den ersten Fohlenstall dabey, und versah ihn mittelst des Wasserwerks zu Güterstein mit laufenden Brunnen. Herzog Carl Alexander baute 1784 das neue Jagdschlößchen dazu, und sein Sohn Herzog Carl ließ 1767 den zweiten Fohlenstall erbauen. Seit dieser Zeit ist St. Johann der Sommer-Aufenthalt für die Hengstfohlen des herrschaftlichen Gestüts, welche auf der dortigen Weide laufen, und zu Güterstein überwintern. Eine Viertelstunde vorwärts gegen Urach liegt

c. Der vordere Fohlenhof, ein Fohlenstall und insgemein auch der Fohlenstall genannt, mit einer Wohnung auf der Höhe über Güterstein. Eine Linden-Allee führt von da gegen St. Johann hin. Der Stall soll 1763 von dem Herzog Karl erbaut worden seyn, im Jahr 1808 wurde er von König Friedrich vergrößert und ganz neu hergestellt. Seine Bestimmung theilt er mit der Anstalt zu St. Johann und macht wie diese, einen Bestandtheil des Haupt-Fohlenhofs Güterstein aus. Sein Wasser erhält der Hof ebenfalls von der Wasserkunst bey Güterstein.

| Eine starke Viertelstunde von St. Johann und dem Fohlenhof befindet sich der grüne Felsen, s. S. 22.
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