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Chester A. Arthur, Präsident der Vereinigten Staaten

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Textdaten
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Autor: Rudolf Doehn
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Titel: Chester A. Arthur, Präsident der Vereinigten Staaten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 755-756
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Chester A. Arthur, Präsident der Vereinigten Staaten.


Der durch ruchlose Mörderhand veranlaßte Tod des Präsidenten James A. Garfield hat den bisherigen Vicepräsidenten Chester A. Arthur, den Bestimmungen der Verfassung der Vereinigten Staaten gemäß, zum Oberhaupt der nordamerikanischen Union berufen. Das große Vertrauen und die innige Liebe, welche Garfield verdientermaßen bei der übergroßen Mehrzahl seines Volkes genoß, erschweren es seinem Amtsnachfolger doppelt, das Steuerruder der großen transatlantischen Republik zu führen.

Wenige Stunden nach dem Hinscheiden Garfield’s erhielt Arthur eine von den Ministern William Windom, W. H. Hunt, Thomas L. James, Wayne Mac Veagh und S. J. Kirkwood unterzeichnete Depesche aus Long Branch, welche ihn aufforderte, möglichst bald den Amtseid als Präsident zu leisten und nach Long Branch zu kommen, wo sich die Leiche Garfield’s befand. Arthur erfüllte dieses Verlangen, indem er am Morgen des 20. September dieses Jahres den von der Constitution vorgeschriebenen Eid in die Hände des Oberrichters Brady leistete und unmittelbar darauf in Begleitung der beiden anderen Minister Blaine und Lincoln von New-York nach Long Branch eilte, wo er der tiefgebeugten Wittwe Garfield’s sofort einen Beileidsbesuch abstattete und dann eine kurze Cabitnetssitzung abhielt, deren Gegenstand vornehmlich die in der Nähe von Cleveland in würdigster Weise stattgehabte Beerdigungsfeier des todten Präsidenten bildete.

Der Eindruck, den die Antrittsrede des Präsidenten Arthur, in welcher er sich in so vertrauenerweckender Weise einführte, in den Vereinigten Staaten hervorrief, scheint kein ungünstiger gewesen zu sein; alle Parteien, sowie die Presse der Union kommen ihm freundlich entgegen, und es wird wesentlich von Herrn Arthur selbst abhängen, ob er seine Regierung im Einklang mit der Volksvertretung und dem besseren Theile seiner Nation in segensreicher Weise zu Ende führen wird. Ein bestimmtes und sicheres Urtheil in dieser Beziehung jetzt schon abzugeben, ist kaum möglich, doch dürfte ein kurzer Rückblick auf den bisherigen Lebenslauf des Präsidenten Arthur einen gewissen Anhalt zu seiner Charakteristik bieten.

Nach den uns vorliegenden Quellen wurde Chester A. Arthur am 5. October 1830 in Franklin County im Staate Vermont geboren; er war der älteste von seinen Geschwistern, einem Bruder und fünf Schwestern. Sein Vater, Dr. William Arthur, Prediger einer Baptistensecte, kam in seinem achtzehnten Lebensjahre aus Irland nach den Vereinigten Staaten und starb in hohem Alter im Jahre 1875 zu Newtonville in der Nähe von Albany, der Hauptstadt des Staates New-York. Der junge Arthur besuchte das Union-College in Schenectady und bekleidete, nachdem er sein Examen bestanden hatte, die Stelle eines Lehrers an einer Landschule in Vermont. Nach Verlauf von zwei Jahren gab er diese Stellung auf und ging mit einem Vermögen von 500 Dollars nach der Stadt New-York, wo er sich unter der Leitung des früheren Richters E. D. Culver der Rechtswissenschaft widmete. Durch emsigen Fleiß und nicht gewöhnliche Naturanlagen war er im Stande, in nicht zu langer Zeit sein Advocatenexamen zu machen, worauf er mit seinem Freunde und Studiengenossen Henry D. Gardiner eine Reise nach den westlichen Staaten der Union antrat, um sich dort einen dauernden Wohnsitz zu suchen. Da dies aber den beiden Freunden nicht gelang, so kehrten sie nach einigen Monaten nach New-York zurück und ließen sich daselbst als Rechtsanwälte nieder. Das Glück wollte ihnen wohl; sie bekamen bald eine lohnende Praxis, sodaß Arthur die Tochter des verdienstvollen Marine-Officiers Herndon als Gattin heimführen konnte. Die Ehe war eine glückliche, doch verlor Arthur kurz vor der letzten Präsidentenwahl seine Frau durch den Tod, nachdem sie ihm zwei Kinder geboren hatte.

Ein glücklicher Rechtsfall, der auch in weiteren Kreisen Aufsehen erregte, verschaffte Arthur schon früh den Ruf eines geschickten und talentvollen Vertheidigers. Es handelte sich dabei um einen Sclavenhändler aus Virginien, einen gewissen Jonathan Lemmon, welcher im Jahre 1852, wo noch die Sclaverei in den Vereinigten Staaten zu Recht bestand, acht Negersclaven nach New-York gebracht hatte, um sie als Handelswaare nach Texas zu verschiffen. Wenn nun auch die Verfassung der Nordamerikanischen Union damals das Institut der Negersclaverei in den Südstaaten der Union als gesetzlich anerkannte und selbst die Auslieferung flüchtiger Sclaven auf Grund des schmachvollen „Sclavenjagdgesetzes“ forderte, so war doch in den Nordstaaten jenes fluchwürdige Institut längst abgeschafft. Als man daher in dem freien New-York die Absicht des genannten Sclavenhändlers entdeckte, wurden die acht Neger desselben auf Veranlassung von Freiheitsfreunden vor Gericht geführt und daselbst freigesprochen. Jonathan Lemmon klagte nun auf Grund des Sclavenjagdgesetzes und verlangte die Herausgabe seiner früheren Sclaven.

Als Vertheidiger der acht Schwarzen traten William M. Evarts und Chester A. Arthur auf, und da von „flüchtigen Sclaven“ in dem vorliegenden Fall nicht die Rede sein konnte, so verlor Lemmon vor dem höchsten Gerichtshofe der Vereinigten Staaten seinen Proceß. Vier Jahre später zeichnete sich Arthur in einem ähnlichen Proceß aus, wo er als Anwalt einer achtbaren Negerfrau, der Lizzie Jennings, sich als gewandter Redner, tüchtiger Jurist und freiheitsliebender Mann bewährte. Als die republikanische Partei, welche bekanntlich den Kampf gegen das Institut der Sclaverei auf ihre Fahne schrieb, in’s Leben trat, war Arthur einer der ersten, die sich dieser Partei anschlossen; ebenso zögerte er beim Ausbruche des Bürgerkrieges 1861 nicht, in die Unionsarmee einzutreten und die Aufhebung der Negersclaverei auf dem Schlachtfelde erkämpfen zu helfen.

Nach Beendigung des Krieges erhielt Arthur durch die Vermittelung des vielgenannten Bundessenators Roscoe Conkling von dem Präsidenten U. S. Grant die einträgliche Stelle eines Hafencollectors von New-York. Von dieser Zeit an zählte er zu den entschiedensten Anhängern Conkling’s und Grant’s, weshalb er auch in der Nationalconvention zu Chicago, wo im Jahre 1880 James A. Garfield als Präsidentschaftscandidat der republikanischen Partei auf den Schild gehoben wurde, die Ernennung für das Amt des Vicepräsidenten erhielt. Als nun im März dieses Jahres der unseren Lesern bekannte, verhängnißvolle Streit wegen der Besetzung des Hafencollectorpostens von New-York zwischen dem Senator Roscoe Conkling und dem Präsidenten Garfield ausbrach, jener Streit, der Guiteau’s Mörderhand gegen Garfield bewaffnete, da mochte es wohl Dankbarkeit und persönliche Freundschaft sein, die Arthur bewogen, für Conkling Partei zu ergreifen.

Daß der besagte Streit so erschütternde Folgen nach sich ziehen sollte, daran dachte weder Arthur, noch ein anderer vernünftiger Mensch in den Vereinigten Staaten. Von dem Momente an, wo Guiteau die tödtliche Kugel auf Garfield abfeuerte, hat Arthur, so viel bekannt geworden, keinerlei politische Verbindung mit Conkling oder Grant angeknüpft oder aufrecht erhalten. Sein Benehmen war während der langen Krankheitszeit Garfield’s [756] in jeder Beziehung ein tactvolles, wie er denn auch nicht die geringste Veranlassung nahm, in die Regierung einzugreifen. Als er die Kunde von Garfield’s Verwundung erhielt, war er tief erschüttert, und es liegt bis jetzt nicht der geringste Grund zu der Annahme vor, daß er hierbei den Heuchler gespielt habe.

Nach dem bisherigen Lebenslaufe Arthur’s zu schließen, darf man ihn wohl für einen entschiedenen Anhänger der republikanischen und einen principiellen Gegner der alten demokratischen Partei halten; eine andere Frage aber ist es, ob er als Präsident fortfahren wird, den „Stalwarts“, das heißt der Grant- und Conkling-Clique seine frühere Freundschaft durch Begünstigung bei der Vertheilung der öffentlichen Aemter zu bewahren, und ob ihn die Feindschaft gegen die demokratische Partei zu ungerechten, unweisen, das Gemeinwohl gefährdenden Handlungen hinreißen wird. Sowohl Hayes wie Garfield waren in anerkennenswerther Weise bemüht, dem moralisch so verderblichen Aemterschacher ein Ende zu machen und den unseligen, die Einheit der Union bedrohenden Conflict zwischen den Nord- und Südstaaten durch eine unparteiische Politik beizulegen; alle guten Bürger der Vereinigten Staaten wünschen ein baldiges Aufhören der sectionellen Streitigkeiten und ein Verschwinden der corrumpirenden Beutepolitik. Wenn Präsident Arthur dem guten Beispiele seiner beiden letzten Amtsvorgänger in diesen Hauptfragen der amerikanischen Politik nachfolgen wird, so wird sein Volk zwar den schmerzvollen Verlust, den es durch Garfield’s tragischen Tod erlitten, nicht vergessen, aber denselben doch leichter ertragen lernen. Möchte er stets der in seiner Antrittsrede gesprochenen Worte eingedenk bleiben, daß es sein „ernstes Bestreben“ sein werde, „aus Garfield’s Vorbilde“ Nutzen für sich und sein Land zu ziehen.

Es ist verhältnißmäßig leicht, ein guter Parteimann zu sein, aber es ist schwer, als das Oberhanpt einer Nation von fünfzig Millionen Menschen, unbekümmert um Privatrücksichten, alle seine Pflichten treu und gewissenhaft zu erfüllen. Daß Arthur die erstere Aufgabe erfüllen konnte, hat er in der Hauptsache bewiesen, ob er auch der letzteren gewachsen ist, dafür soll er erst seinem Volke und der Welt den Beweis liefern. Von dieser Beweisführung aber hängt es ab, ob sein Name neben dem Garfield’s in der Geschichte mit Ehren genannt werden wird oder nicht, ob das Volk der großen transatlantischen Republik sein Andenken segnen, oder nur ungern an dasselbe erinnert werden wird.

Rudolf Doehn.