Der Weltspiegel
[756] Der Weltspiegel, in welchem man sieht, was in weiter Ferne vorgeht, jenes vielbenutzte Möbel der Feen- und Zauberpaläste, dessen Besitz die alten persischen Märchen bereits ihrem ersten Könige Dschemschid zuschrieben, ist nun wirklich bereits in einigen rohen Modellen hergestellt worden, und die in unserem Artikel über Photophon und Telektroskop („Gartenlaube“ 1880, S. 787) erwähnten Träume des amerikanischen Ingenieurs und des Herrn Adriano de Paiva – der, wie hier berichtigend bemerkt werden muß, kein Pseudonymus, sondern Professor an der polytechnischen Schule von Porto ist – haben einen, wenn auch blassen Hauch von Realität gewonnen. In der Sitzung der Londoner „Physikalischen Gesellschaft“ vom 26. Januar 1881 wurden zwei Modelle des Fernschauers vorgeführt, die auf ganz verschiedenen Principien beruhen. Das eine von den Herren Ayrton und Perry construirte Modell besteht aus einem Schirm, welcher wie ein Schachbrett in lauter quadratische Felder getheilt ist, deren jedes eine lichtempfindliche Zelle aus Selen enthält, durch welche ein elektrischer Strom pulsirt, der nach der andern Station läuft. Wird nun eine dieser Zellen oder eine Gruppe derselben von einem starken Lichtreize getroffen, so schwellen die hindurchgehenden elektrischen Ströme so stark an, daß sie auf der andern Station ebenso viele entsprechend vertheilte Elektromagnete in Thätigkeit setzen, welche die Klappen eines ähnlichen schachbrettartig eingetheilten Schirmes öffnen und durch dieselben Licht auf eine dahinter befindliche Wand fallen lassen, wo sich natürlich dieselben Lichtfiguren wieder erzeugen müssen, die an der fernen Station z. B. durch einen ausgeschnittenen Pappbogen auf den Absendeschirm geworfen werden. Das ist ein etwas rohes Modell, um die Ausführbarkeit des Princips zu zeigen, aber die genannten Physiker hoffen ein besseres Resultat zu erhalten, indem sie einen chinesischen Zauberspiegel zu Hülfe nehmen. Wie wir aus ihren Arbeiten über diese merkwürdigen Geräthe wissen (vergl. Nr. 38 dieses Jahrgangs), erzeugen diese aus elastischem Metall gegossenen Spiegel in ihrem Widerschein auf der Wand dort hellere oder dunklere Partien, wo die Oberfläche des Spiegels sich vertieft oder emporwölbt. Die Physiker wollen nun den Selenzellen eines Empfangschirmes entsprechende Elektromagnete, welche sich, den ankommenden Strömen gemäß, verlängern und verkürzen, mit der Rückseite des Spiegels in Verbindung setzen und hoffen, indem sie Absende- und Empfangsapparat mit gleicher Geschwindigkeit rotiren lassen, das ferne Bild durch den Zauberspiegel auf die Wand werfen zu können, ohne allzu viel Leitungen nöthig zu haben. Das wäre allerdings eine sehr hübsche Lösung des Problems, aber die Ausführbarkeit dürfte auf Schwierigkeiten stoßen. Dagegen ist das in unserem ersten Artikel erwähnte Project des Herrn Senlecq von Ardres, optische Bilder mittelst des zeichnenden Telegraphen durch einen einfachen Draht zu versenden, in derselben Sitzung zu London durch ein Modell des englischen Physikers Shelford Bidwell als ausführbar nachgewiesen worden. Der Apparat war etwas anders angeordnet, als in dem erwähnten Projecte, aber da die Sache noch sehr unvollkommen ist und keine praktische Bedeutung hat, sehen wir von einer genaueren Beschreibung ab. Diese Versuche verdienen nur als die ersten Schritte zu einem vielleicht unerreichbaren Ziele Erwähnung; sie verhalten sich zu dem Ideal wie jene Silhouetten, welche Charles und Wedgwood im vorigen Jahrhunderte auf mit Silbersalzen getränkten Papieren erzeugten, sich zu unseren Photographien verhielten.