Christnacht im Walde
Ueber des Bergkamms starrenden Tann
Wandelt ein Licht in der Ferne,
Näher und näher wallt es heran
Gleich einem irrenden Sterne;
Ueber die Gründe, verweht und verschneit,
Schwebt es auf silbernen Schwingen,
Bricht in die schweigende Waldeinsamkeit
Mächtig mit Leuchten und Klingen.
Christkindlein zieht durch den Wald in der Nacht,
Himmlische Schaar zum Geleite,
Blitzend aufleuchtet des Eiswaldes Pracht
Ueber dem Zug in die Weite.
Wo in die Gründe hinfluthet ein Strahl
Läuten zur Weihnacht die Glocken,
Lauschen zur Höhe die Rehe im Thal,
Flüchten die Wichtlein erschrocken.
Eisgraue Männlein aus Baumhohl und Spalt,
Uralt’ verwittert’ Gezwerge
Schaut, wie geblendet, den Zug durch den Wald
Nieder sich winden vom Berge.
Waldmännlein küssen des Kindes Gewand,
Knieen anbetend am Pfade,
Christkindlein hebet mit Lächeln die Hand,
Segnet die Kleinen in Gnade.
Christkindlein segnet die Waldkreatur,
Häslein und Rehlein am Wege;
Wo es dahinzog, die goldige Spur
Funkelt noch lang’ durchs Gehege.
Weit in die nächtigen Thäler hinein
Fluthet der himmlische Schimmer –
Drunten im Dorfe der Fensterlein Reih’n
Glüh’n schon im Weihnachtsgeflimmer.
Weit durch die Lande – ein leuchtender Strom –
Wogt es mit Blitzen und Klingen:
„Ehre sei Gott!“ Zu der Sternenwelt Dom
Braust es auf mächtigen Schwingen. – –
Also herab durch den starrenden Tann
Nieder ins Erdengetriebe
Wandelt durch Winter- und Todesbann
Welterlösend die Liebe.