Consules und boni homines

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Autor: Robert Davidsohn
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Titel: Consules und boni homines
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 6 (1891), S. 358–360, 381.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[358] Consules und boni homines. Nachdem der Aufsatz über die „Entstehung des Consulats“ (Bd VI p. 22 ff.) bereits gedruckt war, wurde mir eine Urkunde bekannt, welche über den Zusammenhang zwischen Consuln und boni homines neues Licht verbreitet. Sie bezieht sich auf dasselbe San Gimignano, wo 1147 Juli (l. c. p. 34) die Consuln als boni homines „qui tunc erant consules“ bezeichnet wurden, und ist von 1199 Nov. 24 datirt. Sie befindet sich in dem Communalregister jenes Städtchens, dem sogenannten „libro bianco“, welches im Communal-Archiv von S. Gimignano aufbewahrt wird. Die Urkunde enthält den Schwur aller Leute des benachbarten Colle (di Val d’Elsa) an alle Leute von S. Gimignano. (Der Gegenschwur derer von S. Gimignano mit einzelnen Abweichungen: Florenz, Arch. diplom. Proven. Communità di Volterra.) Dieser Schwur enthält die näheren Bestimmungen eines Friedensschlusses zwischen beiden Communen, nachdem dieselben wegen des Ortes Casaglia im Elsa-Thal Krieg geführt hatten. Wie üblich, schloss der Friedensvertrag zugleich ein Bündniss mit ein, und zwar in diesem Falle ein so enges, dass man es eine Verbrüderung der beiden benachbarten Communen nennen kann. Der Vertrag gilt auf 25 Jahre, und von seinen Bestimmungen interessiren hier die folgenden: Wenn Einer von S. Gimignano eine Reclamation gegen einen von Colle zu machen hat, soll ihm Recht werden auf Beschwerde bei den „consules vel rectores seu provisores oppidi de Colle – – – et si consules vel rectores non fuerint apud duodecim homines oppidi de Colle“. (Ueber „homines“ [359] statt „boni homines“ s. l. c. p. 28 n. 2.) Sein Recht soll ihm werden, wenn nicht darauf Verzicht geleistet wird von seiner Seite oder von Seiten „consulum vel rectorum aut provisorum oppidi S. Geminiani vel duodecim bonorum hominum si consules non interfuerint“ („interesse“ wird mit „esse“ promiscue gebraucht, wie die Vergleichung dieser Stellen schon ergiebt, und zwar in der Bedeutung „vorhanden sein“, wie das Folgende zeigt). Wenn im Verlauf der 25jährigen Bündniss-Dauer in S. Gimignano Consuln oder Rectoren oder Provisoren nicht vorhanden sein sollten (et si consules vel rectores aut provisores in oppido S. Geminiani non interfuerint in predicto termino – – –), so sollen die Consuln oder Rectoren sich nach S. Gimignano begeben und dort Consuln oder Rectoren wählen, und ebenso nöthigenfalls die von S. Gimignano in Colle. „Et si consules vel rectores non interfuerint [nämlich wenn in beiden Städten keine vorhanden] archipresbiter de Colle – – – cum preposito S. Geminiano [je die höchstgestellte kirchliche Person der betreffenden Stadt] eligant in utroque oppido duodecim bonos homines[1], sex pedites et sex milites, quos bonos [!] et utiles visum eis fuerint, et eorum precepta dum in eo regimine fuerint observabimus[WS 1].

Wenn also keine Consuln oder Rectoren vorhanden, sollen 12 boni homines ausgewählt werden, die das Stadtregiment zu führen haben. Dass diese Eventualität ein Zurückgreifen auf ältere Verhältnisse bedeute, beweist wohl zur Genüge die an derselben Stelle 52 Jahre früher gebrauchte Bezeichnung „boni homines qui tunc erant consules“. Sehen wir hieraus, dass die Consuln aus den boni homines hervorgegangen, so ergibt sich aus dem Vertrage von 1199, dass eventuell boni homines an Stelle der Consuln mit gleichen Befugnissen das Stadtregiment führen konnten, nur dass ihre Zahl grösser war, als die der Consuln. (In S. Gimignano scheint die Zahl der letzteren stets 4 gewesen zu sein.)

Die hier erörterte Urkunde gibt uns noch einen weiteren Aufschluss, indem stipulirt wird, dass von den zu wählenden boni homines sechs pedites und sechs milites sein sollen. Einerseits darf dies wohl als Abbild davon gelten, dass auch bei den Consuln, die jene ersetzen sollten, das gleiche Verhältniss obwaltete. Andererseits zeigt die Bestimmung uns die boni homines als die Waffendienst leistende Bürgerschaft, aus der auch ganz naturgemäss die Consuln hervorgegangen sein müssen, von der sie im Sinne der angezogenen [360] Erörterung (s. l. c. p. 35) einen Ausschuss bilden. In dem Aufsatz war darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung „boni homines“ auf örtlichen, nachbarlichen Zusammenhang Bezug habe, und zugleich darauf, dass nach den kleinen Bezirken, die, wie es scheint, mit den Pfarrsprengeln zusammenfielen, sich die kriegerische Organisation gliederte (l. c. p. 26). Wir können das dort gewonnene Resultat jetzt dahin erweitern, dass wir unter boni homines die Kriegsdienst leistenden, zu gültigem Zeugniss und deshalb auch zu schiedsrichterlicher Thätigkeit befähigten Ortsgenossen zu verstehen haben, und für die Entwicklung der Italienischen Städte ist es sehr bedeutsam, dass in Toscana der Begriff der boni homines am Ausgange des 12. Jahrhunderts (und wohl schon wesentlich früher, als hier nachgewiesen wird) die milites und die zu Fuss Kämpfenden gleichmässig umfasst.

Robert Davidsohn.     


[381] Nachtrag zu Consules und boni homines. Für das 3. Heft des Jahrgangs 1892 bereitet das von der r. deputazione di storia patria per le prov. della Toscana e dell’ Umbria herausgegebene „Archivio storico“ eine Uebersetzung des im 1. Heft dieses Bandes erschienenen Artikels vor, für welche der Verfasser mehrfache Ergänzungen geliefert hat. – Eine längere Inhaltsangabe und Besprechung der Abhandlung veröffentlichte Vol. XII, fasc. 2–3 der Römischen „Rivista Italiana per le scienze giuridiche“.

Anmerkungen

  1. In dem Gegenschwur derer von S. Gimignano steht an dieser Stelle „duodecim homines“, ein weiterer Beleg für die Gleichwerthigkeit beider Bezeichnungen in derartigem Zusammenhang.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Öffnendes Anführungszeichen fehlt in der Vorlage.