Critik der reinen Vernunft (1781)/Des dritten Hauptstücks Zweiter Abschnitt. Von dem transscendentalen Ideal (Prototypon transscendentale).

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« Erster Abschnitt. Von dem Ideal überhaupt. Immanuel Kant
Critik der reinen Vernunft (1781)
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Des dritten Hauptstücks Dritter Abschnitt. Von den Beweisgründen der speculativen Vernunft, auf das Daseyn eines höchsten Wesens zu schliessen. »
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Des dritten Hauptstücks
Zweiter Abschnitt.
Von dem
Transscendentalen Ideal
(Prototypon transscendentale).

Ein ieder Begriff ist in Ansehung dessen, was in ihm selbst nicht enthalten ist, unbestimt und steht unter dem Grundsatze der Bestimbarkeit: daß nur eines, von ieden zween einander contradictorisch-entgegengesezten Prädicaten, ihm zukommen könne, welcher auf dem Satze des Widerspruchs beruht und daher ein blos logisch Princip ist, das von allem Inhalte der Erkentniß abstrahirt und nichts, als die logische Form derselben vor Augen hat.

     Ein iedes Ding aber, seiner Möglichkeit nach, steht noch unter dem Grundsatze der durchgängigen Bestimmung, nach welchem ihm von allen möglichen Prädicaten der| Dinge, so fern sie mit ihren Gegentheilen verglichen werden, eines zukommen muß. Dieses beruht nicht blos auf dem Satze des Widerspruchs; denn es betrachtet ausser dem Verhältniß zweier einander widerstreitenden Prädicate, iedes Ding noch im Verhältniß auf die gesamte Möglichkeit, als den Inbegriff aller Prädicate der Dinge überhaupt und, indem es solche als Bedingung a priori voraussezt, so stellt es ein iedes Ding so vor, wie es von dem Antheil, den es an iener gesamten Möglichkeit hat, seine eigene Möglichkeit ableite[1]. Das Principium der durchgängigen Bestimmung betrift also den Inhalt und nicht blos die logische Form. Es ist der Grundsatz der Synthesis aller Prädicate, die den vollständigen Begriff von einem Dinge machen sollen und nicht blos der analytischen Vorstellung, durch eines zweier entgegengesezten Prädicate, und enthält eine transscendentale Voraussetzung, nemlich| die der Materie zu aller Möglichkeit, welche a priori die Data zur besonderen Möglichkeit iedes Dinges enthalten soll.

 Der Satz: alles Existirende ist durchgängig bestimt, bedeutet nicht allein, daß von iedem Paare einander entgegengesezten gegebenen, sondern auch von allen möglichen Prädicaten ihm immer eines zukomme; es werden durch diesen Satz nicht blos Prädicate unter einander logisch, sondern das Ding selbst, mit dem Inbegriffe aller möglichen Prädicate, transscendental verglichen. Er will so viel sagen, als: um ein Ding vollständig zu erkennen, muß man alles Mögliche erkennen, und es dadurch, es sey beiahend oder verneinend, bestimmen. Die durchgängige Bestimmung ist folglich ein Begriff, den wir niemals in concreto seiner Totalität nach darstellen können und gründet sich also auf einer Idee, welche lediglich in der Vernunft ihren Sitz hat, die dem Verstande die Regel seines vollständigen Gebrauchs vorschreibt.

 Ob nun zwar diese Idee von dem Inbegriffe aller Möglichkeit, so fern er als Bedingung der durchgängigen Bestimmung eines ieden Dinges zum Grunde liegt, in Ansehung der Prädicate, die denselben ausmachen mögen, selbst noch unbestimt ist, und wir dadurch nichts weiter, als einen Inbegriff aller möglichen Prädicate überhaupt denken, so finden wir doch bey näherer Untersuchung, daß diese Idee, als Urbegriff, eine Menge von Prädicaten ausstosse, die als abgeleitet durch andere schon gegeben| seyn, oder neben einander nicht stehen können, und daß sie sich bis zu einem durchgängig a priori bestimten Begriffe läutere und dadurch der Begriff von einem einzelnen Gegenstande werde, der durch die blosse Idee durchgängig bestimt ist, mithin ein Ideal der reinen Vernunft genant werden muß.
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 Wenn wir alle mögliche Prädicate nicht blos logisch, sondern transscendental, d. i. nach ihrem Inhalte, der an ihnen a priori gedacht werden kan, erwegen, so finden wir: daß durch einige derselben ein Seyn, durch andere ein blosses Nichtseyn vorgestellet wird. Die logische Verneinung, die lediglich durch das Wörtchen: Nicht, angezeigt wird, hängt eigentlich niemals einem Begriffe, sondern nur dem Verhältnisse desselben zu einem andern im Urtheile an, und kan also dazu bey weitem nicht hinreichend seyn, einen Begriff in Ansehung seines Inhalts zu bezeichnen. Der Ausdruck: Nichtsterblich, kan gar nicht zu erkennen geben, daß dadurch ein blosses Nichtseyn am Gegenstande vorgestellet werde, sondern läßt allen Inhalt unberührt. Eine transscendentale Verneinung bedeutet dagegen das Nichtseyn an sich selbst, dem die transscendentale Beiahung entgegen gesezt wird, welche ein Etwas ist, dessen Begriff an sich selbst schon ein Seyn ausdrükt, und daher Realität (Sachheit) genant wird, weil durch sie allein und so weit sie reichet, Gegenstände Etwas (Dinge) sind, die entgegenstehende Negation hingegen| einen blossen Mangel bedeutet und, wo diese allein gedacht wird, die Aufhebung alles Dinges vorgestellt wird.

 Nun kan sich niemand eine Verneinung bestimt denken, ohne daß er die entgegengesezte Beiahung zum Grunde liegen habe. Der Blindgebohrne kan sich nicht die mindeste Vorstellung von Finsterniß machen, weil er keine vom Lichte hat; der Wilde nicht von Armuth, weil er den Wohlstand nicht kent[2]. Der Unwissende hat keinen Begriff von seiner Unwissenheit, weil er keinen von der Wissenschaft hat, u. s. w. Es sind also auch alle Begriffe der Negationen abgeleitet, und die Realitäten enthalten die Data und so zu sagen die Materie, oder den transscendentalen Inhalt, zu der Möglichkeit und durchgängigen Bestimmung aller Dinge.

 Wenn also der durchgängigen Bestimmung in unserer Vernunft ein transscendentales Substratum zum Grunde gelegt wird, welches gleichsam den ganzen Vorrath des Stoffes, daher alle mögliche Prädicate der Dinge genommen werden können, enthält, so ist dieses Substratum nichts anders, als die Idee von einem All der| Realität (omnitudo realitatis). Alle wahre Verneinungen sind alsdenn nichts als Schranken, welches sie nicht genant werden könten, wenn nicht das Unbeschränkte (das All) zum Grunde läge.

 Es ist aber auch durch diesen Allbesitz der Realität der Begriff eines Dinges an sich selbst, als durchgängig bestimt, vorgestellt und der Begriff eines entis realissimi ist der Begriff eines einzelnen Wesens, weil von allen möglichen entgegengesezten Prädicaten eines, nemlich das, was zum Seyn schlechthin gehört, in seiner Bestimmung angetroffen wird. Also ist es ein transscendentales Ideal, welches der durchgängigen Bestimmung, die nothwendig bey allem, was existirt, angetroffen wird, zum Grunde liegt, und die oberste und vollständige materiale Bedingung[WS 1] seiner Möglichkeit ausmacht, auf welcher alles Denken der Gegenstände überhaupt ihrem Inhalte nach zurückgeführt werden muß. Es ist aber auch das einzige eigentliche Ideal, dessen die menschliche Vernunft fähig ist; weil nur in diesem einzigen Falle ein an sich allgemeiner Begriff von einem Dinge durch sich selbst durchgängig bestimt, und als die Vorstellung von einem Individuum erkant wird.

 Die logische Bestimmung eines Begriffs durch die Vernunft beruht auf einem disiunctiven Vernunftschlusse, in welchem der Obersatz eine logische Eintheilung (die Theilung der Sphäre eines allgemeinen Begriffs) enthält, der Untersatz diese Sphäre bis auf einen Theil einschränkt| und der Schlußsatz den Begriff durch diesen bestimt. Der allgemeine Begriff einer Realität überhaupt kan a priori nicht eingetheilt werden, weil man ohne Erfahrung keine bestimte Arten von Realität kent, die unter iener Gattung enthalten wären. Also ist der transscendentale Obersatz der durchgängigen Bestimmung aller Dinge nichts anders, als die Vorstellung des Inbegriffs aller Realität, nicht blos ein Begriff, der alle Prädicate ihrem transscendentalen Inhalte nach unter sich, sondern der sie in sich begreift und die durchgängige Bestimmung eines ieden Dinges beruht auf der Einschränkung dieses All der Realität, indem Einiges derselben dem Dinge beigelegt, das übrige aber ausgeschlossen wird, welches mit dem Entweder- oder des disiunctiven Obersatzes und der Bestimmung des Gegenstandes, durch eins der Glieder dieser Theilung im Untersatze, übereinkomt. Demnach ist der Gebrauch der Vernunft, durch den sie das transscendentale Ideal zum Grunde ihrer Bestimmung aller möglichen Dinge legt, demienigen analogisch, nach welchem sie in disiunctiven Vernunftschlüssen verfährt, welches der Satz war, den ich oben zum Grunde der systematischen Eintheilung aller transscendentalen Ideen legte, nach welchem sie den drey Arten von Vernunftschlüssen parallel und correspondirend erzeugt werden.
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 Es versteht sich von selbst, daß die Vernunft zu dieser ihrer Absicht, nemlich sich lediglich die nothwendige durchgängige Bestimmung der Dinge vorzustellen, nicht| die Existenz eines solchen Wesens, das dem Ideale gemäß ist, sondern nur die Idee desselben voraussetze, um von einer unbedingten Totalität der durchgängigen Bestimmung die bedingte, d. i. die des Eingeschränkten abzuleiten. Das Ideal ist ihr also das Urbild (Prototypon) aller Dinge, welche insgesamt, als mangelhafte Copeyen (ectypa), den Stoff zu ihrer Möglichkeit daher nehmen und, indem sie demselben mehr oder weniger nahe kommen, dennoch iederzeit unendlich weit daran fehlen, es zu erreichen.
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 So wird denn alle Möglichkeit der Dinge (der Synthesis des Mannigfaltigen ihrem Inhalte nach) als abgeleitet und nur allein die, desienigen, was alle Realität in sich schließt, als ursprünglich angesehen. Denn alle Verneinungen, (welche doch die einzige Prädicate sind, wodurch sich alles andere vom realesten Wesen unterscheiden läßt) sind blosse Einschränkungen einer grösseren und endlich der höchsten Realität, mithin setzen sie diese voraus und sind dem Inhalte nach von ihr blos abgeleitet. Alle Mannigfaltigkeit der Dinge ist nur eine eben so vielfältige Art, den Begriff der höchsten Realität, der ihr gemeinschaftlich Substratum ist, einzuschränken, so wie alle Figuren nur als verschiedene Arten, den unendlichen Raum einzuschränken, möglich seyn. Daher wird der blos in der Vernunft befindliche Gegenstand ihres Ideals auch das Urwesen (ens originarium), so fern es keines über sich hat, das höchste Wesen (ens summum) und, so fern alles, als bedingt, unter ihm steht, das Wesen aller| Wesen (ens entium) genant. Alles dieses aber bedeutet nicht das obiective Verhältniß eines wirklichen Gegenstandes zu andern Dingen, sondern der Idee zu Begriffen und läßt uns wegen der Existenz eines Wesens von so ausnehmendem Vorzuge in völliger Unwissenheit.

 Weil man auch nicht sagen kan: daß ein Urwesen aus viel abgeleiteten Wesen bestehe, indem ein iedes derselben ienes voraussezt, mithin es nicht ausmachen kan, so wird das Ideal des Urwesens auch als einfach gedacht werden müssen.

 Die Ableitung aller anderen Möglichkeit von diesem Urwesen wird daher, genau zu reden, auch nicht als eine Einschränkung seiner höchsten Realität und gleichsam als eine Theilung derselben angesehen werden können; denn alsdenn würde das Urwesen als ein blosses Aggregat von abgeleiteten Wesen angesehen werden, welches nach dem vorigen unmöglich ist, ob wir es gleich anfänglich im ersten rohen Schattenrisse so vorstelleten. Vielmehr würde der Möglichkeit aller Dinge die höchste Realität als ein Grund und nicht als Inbegriff zum Grunde liegen und die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschränkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher denn auch unsere ganze Sinnlichkeit, samt aller Realität in der Erscheinung, gehören würde, die zu der Idee des höchsten Wesens, als ein Ingredienz, nicht gehören kan.

|  Wenn wir nun dieser unserer Idee, indem wir sie hypostasiren, so ferner nachgehen, so werden wir das Urwesen durch den blossen Begriff der höchsten Realität als ein einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges etc. mit einem Worte, es in seiner unbedingten Vollständigkeit durch alle Prädicamente bestimmen können. Der Begriff eines solchen Wesens ist der von Gott in transscendentalem Verstande gedacht, und so ist das Ideal der reinen Vernunft[WS 2] der Gegenstand einer transscendentalen Theologie, so wie ich es auch oben angeführt habe.
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 Indessen würde dieser Gebrauch der transscendentalen Idee doch schon die Gränzen ihrer Bestimmung und Zulässigkeit überschreiten. Denn die Vernunft legte sie nur, als den Begriff von aller Realität, der durchgängigen Bestimmung der Dinge überhaupt zum Grunde, ohne zu verlangen, daß alle diese Realität obiectiv gegeben sey und selbst ein Ding ausmache. Dieses leztere ist eine blosse Erdichtung, durch welche wir das Mannigfaltige unserer Idee in einem Ideale, als einem besonderen Wesen, zusammenfassen und realisiren, wozu wir keine Befugniß haben, so gar nicht einmal die Möglichkeit einer solchen Hypothese geradezu anzunehmen, wie denn auch alle Folgerungen, die aus einem solchen Ideale abfliessen, die durchgängige Bestimmung der Dinge überhaupt, als zu deren Behuf die Idee allein nöthig war, nichts angehen, und darauf nicht den mindesten Einfluß haben. |  Es ist nicht genug, das Verfahren unserer Vernunft und ihre Dialectik zu beschreiben, man muß auch die Quellen derselben zu entdecken suchen, um diesen Schein selbst, wie ein Phänomen des Verstandes, erklären zu können; denn das Ideal, wovon wir reden, ist auf einer natürlichen und nicht blos willkührlichen Idee gegründet. Daher frage ich: wie komt die Vernunft dazu, alle Möglichkeit der Dinge als abgeleitet von einer einzigen, die zum Grunde liegt, nemlich der der höchsten Realität, anzusehen, und diese sodann, als in einem besondern Urwesen enthalten, vorauszusetzen?
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 Die Antwort bietet sich aus den Verhandlungen der transscendentalen Analytik von selbst dar. Die Möglichkeit der Gegenstände der Sinne ist ein Verhältniß derselben zu unserm Denken, worin etwas (nemlich die empirische Form) a priori gedacht werden kan, dasienige aber, was die Materie ausmacht, die Realität in der Erscheinung, (was der Empfindung entspricht) gegeben seyn muß, ohne welches es auch gar nicht gedacht und mithin seine Möglichkeit nicht vorgestellet werden könte. Nun kan ein Gegenstand der Sinne nur durchgängig bestimt werden, wenn er mit allen Prädicaten der Erscheinung verglichen und durch dieselbe beiahend, oder verneinend vorgestellet wird. Weil aber darin dasienige, was das Ding selbst (in der Erscheinung) ausmacht, nemlich das Reale gegeben seyn muß, ohne welches es auch gar nicht gedacht werden könte, dasienige aber, worin| das Reale aller Erscheinungen gegeben ist, die einige allbefassende Erfahrung ist, so muß die Materie zur Möglichkeit aller Gegenstände der Sinne, als in einem Inbegriffe gegeben, vorausgesezt werden, auf dessen Einschränkung allein alle Möglichkeit empirischer Gegenstände, ihr Unterschied von einander und ihre durchgängige Bestimmung, beruhen kan. Nun können uns in der That keine andere Gegenstände, als die der Sinne und nirgend, als in dem Context einer möglichen Erfahrung gegeben werden, folglich ist nichts vor uns ein Gegenstand, wenn es nicht den Inbegriff aller empirischen Realität als Bedingung seiner Möglichkeit voraussezt. Nach einer natürlichen Illusion sehen wir nun das vor einen Grundsatz an, der von allen Dingen überhaupt gelten müsse, welcher eigentlich nur von denen gilt, die als Gegenstände unserer Sinne gegeben werden. Folglich werden wir das empirische Princip unserer Begriffe der Möglichkeit der Dinge, als Erscheinungen, durch Weglassung dieser Einschränkung, vor ein transscendentales Princip der Möglichkeit der Dinge überhaupt halten.
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 Daß wir aber hernach diese Idee vom Inbegriffe aller Realität hypostasiren, komt daher: weil wir die distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes in die collective Einheit eines Erfahrungsganzen, dialectisch verwandeln, und an diesem Ganzen der Erscheinung uns ein einzelnes Ding denken, was alle empirische Realität in sich enthält, welches denn, vermittelst der| schon gedachten transscendentalen Subreption, mit dem Begriffe eines Dinges verwechselt wird, was an der Spitze der Möglichkeit aller Dinge steht, zu deren durchgängiger Bestimmung es die reale Bedingungen hergiebt[3].



  1. Es wird also durch diesen Grundsatz iedes Ding auf ein gemeinschaftliches Correlatum, nemlich, die gesamte Möglichkeit, bezogen, welche, wenn sie (d. i. der Stoff zu allen möglichen Prädicaten) in der Idee eines einzigen Dinges angetroffen würde, eine Affinität alles Möglichen durch die Identität des Grundes der durchgängigen Bestimmung desselben beweisen würde. Die Bestimbarkeit eines ieden Begriffs ist der Allgemeinheit (Vniuersalitas) des Grundsatzes der Ausschliessung eines Mittleren zwischen zween entgegengesezten Prädicaten, die Bestimmung aber eines Dinges der Allheit (Vniversitas) oder dem Inbegriffe aller möglichen Prädicate untergeordnet.
  2. Die Beobachtungen und Berechnungen der Sternkundiger haben uns viel bewundernswürdiges gelehrt, aber das Wichtigste ist wol, daß sie uns den Abgrund der Unwissenheit aufgedekt haben, den die menschliche Vernunft, ohne diese Kentnisse, sich niemals so groß hätte vorstellen können, und worüber das Nachdenken eine grosse Veränderung in der Bestimmung der Endabsichten unseres Vernunftgebrauchs hervorbringen muß.
  3. Dieses Ideal des allerrealesten Wesens wird also, ob es zwar eine blosse Vorstellung ist, zuerst realisirt, d. i. zum Obiect gemacht, darauf hypostasirt, endlich, durch einen natürlichen Fortschritt der Vernunft zur Vollendung der Einheit, so gar personificirt, wie wir bald anführen werden; weil die regulative Einheit der Erfahrung nicht auf den Erscheinungen selbst (der Sinnlichkeit allein), sondern auf der Verknüpfung ihres Mannigfaltigen durch den Verstand (in einer Apperception) beruht, mithin die Einheit der höchsten Realität und die durchgängige Bestimbarkeit (Möglichkeit) aller Dinge in einem höchsten Verstande, mithin in einer Intelligenz zu liegen scheint.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bedindung
  2. Vorlage: Vernunf


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