Dämmerstunde (Albert Traeger)
Wenn sich der Sonne letzter Schimmer
Sacht fortstahl über’s Nachbardach,
Bin einsam ich in meinem Zimmer,
Und stille Thränen werden wach.
In’s ferne wohlbekannte Haus,
Dort von des Tages Last und Hitze
Ruht eine alte Frau jetzt aus.
Die Stirn gefurcht, gefurcht die Wangen,
Sie läßt es matt hernieder hangen,
Indeß der Blick in’s Weite schweift.
Der Blick, aus dem mit Jugendfeuer
Ein voller Strahl der Liebe bricht,
Als dieses treue Angesicht.
Sonst that des Tages letzter Schatten
Noch keinen Einhalt ihrer Kraft,
Nun aber fühlt sie sich ermatten,
Der Sohn – sie hat das Haupt erhoben,
Es klopft das Herz, die Lippe bebt,
Dabei gefaltet sie nach oben
Die frommen Hände zitternd hebt.
Durch meine tiefste Seele geht,
Und alles Sehnen, alle Trauer
Sich friedlich lösen im Gebet.
Gesegnet, heil’ge Dämmerstunde:
Du einst in stiller Andacht Bunde
Die Mutter wieder und ihr Kind.