Aus Kaulbach’s Kindheit und Jugend
[687] Aus Kaulbach’s Kindheit und Jugend. „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Fels und Wald.“ Und mit dem lieblichen Feste der Maien kam am 30. Mai von Kaulbach nach M. und blieb bis zum 2. Juni. „Schade,“ sagte der Erbprinz von M., als er ihn begrüßte, „schade, daß Sie nicht ein paar Tage früher gekommen sind, dann hätte ich die beiden hellleuchtenden Kunstdioskuren von Arolsen zusammen hier gehabt. Rauch war einige Tage bei mir.“
Der Prinz bot Alles auf, um dem genialen Künstler den Aufenthalt in der Residenz so angenehm als möglich zu machen, und Kaulbach versicherte mir mehrfach, wenn ich ihn zu einem Spaziergang auf einen der nahe liegenden, mit frischduftenden Wäldern bewachsenen Berge abgeholt hatte, um „etwas Sauerstoff zu kneipen,“ daß er sich lange nicht so wohl und heiter gefühlt habe. Täglich versammelte der Prinz entweder im Residenzschlosse oder auch an einem andern passenden Orte mehrere Künstler und Kunstfreunde zur Unterhaltung des Meisters. Unter ihnen war namentlich ein gemüthreicher Dichter, Ludwig Bechstein, ferner ein vaterländischer Geschichtsforscher, der seit einigen Jahren ziemlich umfassende Studien für ein thüringisch-sächsisches Geschichtswerk machte, und ein junger genialer Maler, Andreas Müller, der, auf Kaulbach’s Empfehlung von dem Prinzen berufen, wenige Tage zuvor in M. eingetroffen war, um eine Reihe von monumentalen Bildern aus der thüringisch-sächsischen Geschichte in dem Residenzschlosse zu malen.
Einen der schönsten Abende hatte man in der mit bunten italienischen Laternen freundlich hell erleuchteten Gartenlaube des Dichters. Der Maler belebte die Stimmung durch sein reizendes Spiel auf der Schlagcither, und Kaulbach würzte die Unterhaltung durch seinen frisch sprudelnden Humor.
„Als neulich Rauch hier war,“ sagte ich zu Kaulbach, „entwarf er uns ein sehr interessantes Bild seiner Kindheit und ersten Jugend. Wir würden Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie ein ähnliches Bild aus Ihrem Jugendleben uns lieferten.“ Da meine Bitte von allen Seiten unterstützt wurde, so hub Kaulbach etwa in folgender Weise an:
„Mein Vaterland ist Waldeck, eins der kleinsten von unsern 35 Vaterländern, und meine Vaterstadt ist, wie die meines Freundes Rauch, Arolsen. Doch bin ich nicht wie er in einem heiteren, von blühenden Gärten umgebenen Landhause, sondern in einer niedrigen Wohnung mitten in der Stadt geboren und zwar am 16. October 1805. Mein Vater war ein armer Goldschmied, der, als seine Familie zahlreicher wurde, nur mit Mühe das, was zur täglichen Nahrung und Nothdurft gehört, für dieselbe beschaffen konnte. Er hatte sich bei dem niedrigen Stande der Schulanstalten des kleinen Landes nur einen geringen Grad der Bildung, namentlich auch im Zeichnen, aneignen können. Desto eifriger war er aber nun, diesen Mangel bitter fühlend, darauf bedacht, mir und meinem vier Jahre jüngeren Bruder Karl[1] möglichst guten Unterricht geben zu lassen.
„Wenn ich ein berühmter Schriftsteller werde, so hat das meiner armen Mutter genug Mühe gekostet,“ so sagt Heine in seinen Reisebildern, indem er sich der braunen Thüre erinnert, worauf Mutter ihn die Buchstaben mit Kreide schreiben lehrte. In ähnlicher Weise kann ich von meinem Vater sagen: „es hat ihm viel Mühe gekostet, wenn ich ein leidlicher Maler geworden bin.“ So wenig ich auch Talent und Neigung zu der Kunst zeigte, er ließ nicht ab vom treuen Hoffen, noch etwas aus mir
- ↑ Dieser widmete sich unter Schwanthaler’s Leitung mit glücklichem Erfolg der Bildhauerkunst. Von ihm unter andern „Röslein auf der Haide“.